Wochenrückblick: Trumps Amerika zwischen aggressivem Aktionismus, institutioneller Erosion und demokratischer Sinnsuche

Illustration: KI-generiert

Die vergangene Woche in der amerikanischen Politik glich einem Kaleidoskop sich überstürzender Ereignisse, dominiert von der unverkennbaren Handschrift Donald Trumps. Von weitreichenden Gesetzesinitiativen über neue Eskalationen in der Handelspolitik bis hin zu einem tiefgreifenden Kulturkampf gegen Wissenschaft und etablierte Institutionen – die USA präsentieren sich als eine Nation im permanenten Stresstest. Während die Republikaner unter Trumps eisernem Griff versuchen, eine konservative Agenda mit aller Macht durchzusetzen, ringen die Demokraten sichtbar mit internen Verwerfungen und der Suche nach einer zukunftsfähigen Vision. Die internationalen Beziehungen, insbesondere zur Ukraine und zu Handelspartnern wie der EU, bleiben von Unsicherheit und Trumps erratischer Diplomatie geprägt. Gleichzeitig werfen juristische Auseinandersetzungen und ethische Fragen um Begnadigungen und persönliche Bereicherung tiefe Schatten auf das Oval Office.

Trumps „Big Beautiful Bill“: Ein teuer erkaufter Sieg mit Sprengkraft für Amerikas Zukunft

Die Woche begann mit einem Paukenschlag im Repräsentantenhaus: Präsident Donald Trumps als „One Big Beautiful Bill“ tituliertes Gesetzespaket passierte nach zähem Ringen und einer dramatischen Nachtsitzung mit hauchdünner Mehrheit die Kammer. Doch der Jubel der Republikaner über diesen Etappensieg könnte verfrüht sein. Das Mammutwerk verspricht weitreichende Steuererleichterungen für Unternehmen und Wohlhabende, finanziert durch drastische Einschnitte bei Sozialprogrammen und einen Stopp für grüne Energie. Es offenbart tiefe Risse innerhalb der Republikanischen Partei und droht, die soziale Balance Amerikas zu verschieben, was es bereits jetzt zum Zündstoff für die kommenden Zwischenwahlen 2026 macht.

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Im Kern des Gesetzespakets offenbart sich ein fundamentaler Widerspruch der modernen Republikanischen Partei: einerseits Steuerpolitik für obere Einkommensschichten und Konzerne, andererseits massive Kürzungen bei sozialen Sicherungssystemen wie Medicaid und dem Lebensmittelmarkenprogramm SNAP, die einen bedeutenden Teil der als MAGA-Basis umworbenen Arbeiterschicht absichern. Gleichzeitig bedient das Paket mit Maßnahmen gegen als „woke“ empfundene Eliteuniversitäten, Verschärfungen in der Einwanderungspolitik und Erleichterungen bei Waffenbesitzregelungen die kulturelle Agenda der MAGA-Bewegung. Diese Maßnahmen sind oft weniger fiskalisch als ideologisch motiviert und dienen der Konsolidierung der eigenen Basis. Die Frage bleibt, wie lange eine Koalition hält, die den einen materielle Vorteile verschafft, während sie den anderen symbolische Siege anbietet und deren soziale Absicherung demontiert. Trotz massiver Einsparungen wird das Gesetz die Staatsverschuldung weiter in die Höhe treiben, was die Flexibilität republikanischer Fiskalprinzipien entlarvt, wenn es um politische Schlüsselprojekte geht.

Ökonomen warnen vor gravierenden Konsequenzen: einer massiven Ausweitung der Staatsverschuldung um weitere Billionen Dollar, steigenden Zinskosten, die zukünftige Investitionen einschränken könnten, und einer Verschärfung der Einkommensungleichheit. Präsident Trumps aggressive Zollpolitik birgt zusätzliche Risiken. Dieses Zusammenspiel zeichnet ein düsteres Bild für die Stabilität und das Wachstumspotenzial der US-Wirtschaft.

Die tiefgreifendsten Folgen dürften im sozialen Bereich liegen, insbesondere durch geplante Änderungen im Gesundheitssystem, die Millionen Amerikaner ihrer Gesundheitsversorgung berauben könnten. Die Einführung von Arbeitspflichten für Medicaid-Empfänger wird von Kritikern als Maßnahme gesehen, die vulnerable Personen aus dem System drängt. Besonders hart könnten Kürzungen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Beschäftigte im Niedriglohnsektor treffen. Die Behauptung, man greife Medicaid nicht an, während der Zugang massiv erschwert wird, wird als rhetorische Vernebelungstaktik kritisiert.

Die Verabschiedung im Repräsentantenhaus war auch eine Machtdemonstration Trumps, der durch direkte Interventionen und Druck die republikanische Fraktion weitgehend schloss. Speaker Mike Johnson musste dabei einen Balanceakt vollführen, um die verschiedenen Flügel seiner Partei zusammenzuhalten. Die knappe Abstimmung von 215 zu 214 Stimmen verdeutlicht jedoch die Fragilität dieser Allianz und lässt schwierige Verhandlungen im Senat erahnen.

Ein weiterer kritischer Aspekt ist der geplante Rückbau von Anreizen für saubere Energien, was die USA bei der Erreichung ihrer Klimaziele zurückwerfen und die Wettbewerbsfähigkeit im Zukunftsmarkt grüner Technologien dämpfen könnte. Paradoxerweise trifft dies auch viele republikanisch regierte Bundesstaaten, die von Investitionen in grüne Technologien profitiert haben. Die Streichung dieser Mittel dient auch der Gegenfinanzierung der Steuersenkungen. Unabhängig vom Schicksal im Senat wird das Gesetz bereits als prägendes Thema für die Zwischenwahlen 2026 gehandelt, wobei die Demokraten es als Steilvorlage sehen.

Eskalation im Zollkonflikt und Trumps erratische Handelspolitik: Rechtsstaat und Weltwirtschaft unter Druck

Die Handelspolitik Donald Trumps sorgte auch in dieser Woche für erhebliche Turbulenzen und juristische Auseinandersetzungen. Seine Strategie, weitreichende Zölle unter Berufung auf Notstandsgesetze zu verhängen, irritiert nicht nur globale Märkte und Handelspartner, sondern entfacht auch eine fundamentale Debatte über die Grenzen exekutiver Macht und die Stabilität des Rechtsstaats in den USA.

Ein neuer Höhepunkt wurde mit der Drohung erreicht, der Europäischen Union Importzölle von 50 Prozent auf sämtliche Waren aufzuerlegen. Ein Telefonat zwischen Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verschaffte zwar eine Atempause bis zum 9. Juli, doch der Konflikt über Handelsbilanzen und unterschiedliche Politikverständnisse schwelt weiter. Die Trump-Administration drängt auf eine Reduktion des US-Handelsdefizits mit der EU und fordert Änderungen am europäischen Mehrwertsteuersystem sowie ein Zurückdrehen von EU-Digitalregulierungen. Die EU bietet einen „Null-Prozent-Zoll“ für Industriegüter an und zeigt sich bereit, mehr amerikanisches LNG und Agrarprodukte zu importieren, zieht aber klare rote Linien bei Lebensmittelstandards und Digitalgesetzgebung. Selbst US-Unterhändler lassen oft unklar, welche spezifischen Ergebnisse die USA anstreben. Die wiederholte Androhung drakonischer Zölle, gefolgt von kurzfristigen Verschiebungen, nährt den Verdacht einer bewussten Verhandlungstaktik, die innenpolitisch Stärke demonstrieren und außenpolitisch die EU spalten soll. Ökonomen warnen vor höheren Inflationsraten, gedämpftem Wachstum und Jobverlusten in den USA sowie einer möglichen Rezession in der EU, sollte es zu den 50-Prozent-Zöllen kommen. Martin Lück von Macro Monkey bezeichnete Trumps Politik als „Bastelanleitung für den Totalcrash“. Die EU setzt auf Geschlossenheit und bereitet Gegenmaßnahmen vor, darunter Listen mit US-Produkten und möglicherweise Sanktionen gegen den amerikanischen Dienstleistungssektor.

Parallel dazu erlitt Trumps umfassende Zollstrategie, die auf dem International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) von 1977 fußt, eine juristische Niederlage. Ein Bundesgericht (U.S. Court of International Trade, CIT) stufte die Verhängung von Zöllen unter Verweis auf angebliche nationale Notlagen wie den Fentanyl-Schmuggel und persistierende Handelsdefizite als rechtswidrig ein. Das Gericht urteilte einstimmig, dass der Präsident seine gesetzlichen Kompetenzen überschritten habe, da der IEEPA keine „ungebundene Autorität“ zur Verhängung von Zöllen verleihe und primär für Embargos und Sanktionen gedacht sei. Trumps Maßnahmen seien nicht geeignet gewesen, die deklarierten Notstände tatsächlich zu adressieren. Kläger, darunter Bundesstaaten und Kleinunternehmen, hatten argumentiert, ein seit fast einem halben Jahrhundert bestehendes Handelsdefizit stelle keinen plötzlichen Notstand dar. Die Trump-Administration kündigte Berufung an. Sollte das Urteil Bestand haben, müsste die Administration nach alternativen Wegen suchen, etwa Section 232 des Trade Expansion Act oder Section 122 des Trade Act von 1974, die jedoch an engere Voraussetzungen geknüpft sind. Das Urteil wirft auch die Frage der Gewaltenteilung auf, da die Verfassung dem Kongress die primäre Zuständigkeit für die Handelspolitik zuweist.

Zum Ende der Woche kündigte Trump eine drastische Verdoppelung der Importzölle auf Stahl (von 25 auf 50 Prozent) und Aluminium (auf 50 Prozent) an, die bereits ab dem 4. Juni gelten sollen. Begründet wird dies erneut mit dem Schutz der nationalen Sicherheit (Section 232) und der Stärkung der heimischen Stahlindustrie. Während US-Produzenten profitieren könnten, drohen höhere Kosten für andere Wirtschaftszweige und Belastungen für Handelspartner wie Deutschland. Kritiker sehen darin eher innenpolitische Manöver und Verhandlungstaktik. Exemplarisch für Trumps sprunghafte Politik steht seine Kehrtwende beim geplanten Zusammenschluss von U.S. Steel und Nippon Steel, den er nun als „blockbuster agreement“ preist, nachdem er ihn zuvor vehement abgelehnt hatte. Die Details des Deals bleiben nebulös und stoßen bei der Gewerkschaft United Steelworkers auf Skepsis. Trumps Angriffe auf Richter, die ihm unliebsame Urteile bescheren, und die Instrumentalisierung von Richterernennungen stellen eine bedenkliche Entwicklung für die Gewaltenteilung dar.

Ukraine-Krieg: Trumps erratische Diplomatie zwischen Nobelpreis-Ambitionen und Destabilisierung

Im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit stand auch diese Woche der Ukraine-Krieg und Donald Trumps widersprüchliche Rolle. Während Ende Mai ein umfangreicher Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine einen seltenen Moment der Menschlichkeit bot, zeichneten massive russische Luftangriffe ein düsteres Bild. Die Ukraine kämpft nicht nur gegen den Aggressor, sondern auch gegen die drohende Erosion internationaler Unterstützung unter einer Trump-Administration, die widersprüchliche Signale sendet.

Die jüngsten russischen Angriffe auf zivile Infrastruktur und Wohngebiete markieren eine neue Dimension der Brutalität, möglicherweise um die Moral zu brechen und eine Sommeroffensive vorzubereiten. Beobachter vermuten, Moskau nutze die wahrgenommene Zögerlichkeit des Westens und Trumps unberechenbare Haltung als strategisches Fenster. Trumps Rolle ist ambivalent: Einerseits verurteilt er die Angriffe und nennt Putin „völlig durchgedreht“, andererseits äußert er sich kritisch über Präsident Selenskyj. Die USA zeigen sich zurückhaltend bei neuen Waffenlieferungen, insbesondere bei dringend benötigten Patriot-Luftabwehrsystemen. Die Trump-Regierung scheint eine „geschäftsmännische“ Haltung einzunehmen: keine Geschenke, sondern Gegenleistungen. Dies untergräbt das Vertrauen in die US-Bündnistreue.

Die humanitäre Lage in der Ukraine spitzt sich dramatisch zu; rund 40 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, die jedoch stark zurückgegangen ist. Die Unberechenbarkeit der Trump-Administration stellt auch die NATO vor eine Zerreißprobe. Die USA signalisieren Bereitschaft zu „bedeutenden Veränderungen“ bei Truppenrotationen und drängen auf mehr Verantwortung der europäischen Partner. Diese entwickeln verstärkt eigene Verteidigungsfähigkeiten.

Trumps oft widersprüchliche Äußerungen zu Putin werden vom Kreml gerne als „emotionale Überlastung“ abgetan, während gleichzeitig jede Gesprächsbereitschaft, die nicht von entschlossenen westlichen Maßnahmen begleitet wird, als Schwäche interpretiert zu werden scheint. Die Debatte um westliche Militärhilfe, insbesondere die Aufhebung von Einsatzbeschränkungen für gelieferte Waffen auf russischem Territorium, spiegelt die Zerrissenheit im transatlantischen Bündnis wider. Russlands Reaktion ist oft propagandistisch. Parallel eskaliert der Krieg mit massiven Drohnen- und Raketenangriffen auf beiden Seiten. Trumps Sanktionspolitik gegenüber Russland bleibt unklar und ambivalent. Friedensbemühungen, etwa mit Genf als möglichem Verhandlungsort, werden durch fundamentale Differenzen erschwert.

Trumps Ambitionen, den Krieg zu beenden, sind untrennbar mit seinem Wunsch nach dem Friedensnobelpreis verwoben. Seine erratische Strategie, geprägt von persönlichen Animositäten und einer auffälligen Nähe zu Putin, nährt jedoch Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen. Er brüskierte Selenskyj und drohte mit dem Ende der US-Unterstützung, sollte Kiew nicht zu einem Deal bereit sein, der territoriale Zugeständnisse und einen NATO-Verzicht beinhalten könnte. Selbst frühere Nominatoren für den Nobelpreis zeigen sich skeptisch angesichts seines diktatorischen Vorgehens. Seine langjährige, oft als unterwürfig beschriebene Haltung gegenüber Putin steht im Kontrast zu seiner Behandlung Selenskyjs. Ein von Trump erzwungenes Abkommen zu Putins Bedingungen hätte gravierende Konsequenzen für die europäische Sicherheitsordnung. Interne Unstimmigkeiten in seiner Administration bezüglich der Russland-Politik potenzieren die Komplexität.

Trumps Feldzug gegen Wissen, Wissenschaft und kritische Institutionen

Ein weiteres zentrales Thema der Woche war der von der Trump-Administration orchestrierte systematische Angriff auf Bildungseinrichtungen, wissenschaftliche Forschung und etablierte Institutionen.

Jüngste Maßnahmen umfassen die abrupte Aussetzung neuer Visa-Interviews für ausländische Studierende zur Vorbereitung einer verschärften Social-Media-Durchleuchtung und die finanzielle sowie administrative Drangsalierung von Spitzenuniversitäten wie Harvard. Offizielle Begründungen wie nationale Sicherheit oder Bekämpfung von Antisemitismus wirken oft vorgeschoben, um ideologische Konformität zu erzwingen. Harvard wurde die Befugnis zur Aufnahme internationaler Studierender entzogen (gerichtlich gestoppt), Forschungsgelder gestrichen und Bundesverträge überprüft. Trump selbst will sicherstellen, dass ausländische Studierende „unser Land lieben können“. Bildungsorganisationen warnen vor nachhaltigem Schaden für die Reputation der USA als Wissenschaftsstandort. Die Maßnahmen werfen gravierende rechtliche und ethische Fragen auf, insbesondere bezüglich Meinungsfreiheit und Datenschutz. Trumps Vorschlag, Harvard entzogene Forschungsgelder an „Handelsschulen“ umzuleiten, offenbart eine Geringschätzung für Grundlagenforschung.

Besonders im Fokus steht die Verschärfung der Visapolitik für chinesische Studierende und Forschende unter Außenminister Marco Rubio, mit dem Ziel, mutmaßliche Spionage und den Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) einzudämmen. Vage Kriterien wie „Verbindungen zur KPCh“ oder Forschung in „kritischen Feldern“ führen zu Unsicherheit und dem Verdacht einer pauschalen Verdächtigung. Chinesische Studierende reagieren mit Panik und suchen Alternativen in anderen Ländern. Langfristig droht eine Untergrabung der wissenschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der USA. Peking kritisiert die Maßnahmen scharf und nutzt die Situation für eigene Narrative. Die Visapolitik fügt sich in das größere Bild des „strategischen Decoupling“ im Wettlauf um technologische Vormachtstellung ein.

Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgt Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. mit seinem Kreuzzug gegen etablierte Wissenschaft. Ein von seinem Ministerium herausgegebener Bericht zur Kindergesundheit („Make America Healthy Again“ – MAHA) entpuppte sich als Dokument voller Fehler, nicht existierender Studien und falscher Autorenzuweisungen, was den Verdacht auf den Einsatz von KI bei der Erstellung nährte. Kennedy, bekannt für die Verbreitung von Verschwörungserzählungen insbesondere zu Impfungen, plant zudem, staatlich finanzierte Forschung künftig in regierungseigenen Publikationen zu veröffentlichen und diffamiert renommierte Fachjournale als „korrupt“. Dies wird als Frontalangriff auf Wissenschaftsfreiheit und Peer-Review verstanden. Die Regierung reagierte auf die Kritik mit Verharmlosung. Experten warnen vor einer „großen Verdummung“ und einer Gefährdung von Menschenleben.

Der breit angelegte Angriff auf das Wissen umfasst den Entzug finanzieller Mittel für Universitäten, ideologische Einflussnahme auf Lehrinhalte, die Schwächung von Regierungsbehörden wie CDC, FDA, NIH, NSF und EPA durch Entlassungen und Budgetkürzungen sowie die Löschung und Manipulation von Daten. Der angebliche Kampf gegen „Wokeness“ dient oft als Vorwand. Dahinter stehen politische Ziele wie Machtkonsolidierung, Unterdrückung von Kritik und die Begünstigung von Interessengruppen. Die Konsequenzen sind eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheitsversorgung, Umweltpolitik und die Fähigkeit, komplexe soziale Probleme zu bewältigen. Die Schwächung von Kontrollinstanzen und der Informationszugang gefährden die demokratische Rechenschaftspflicht.

Trumps verschärfte Einwanderungspolitik: Zwischen juristischen Winkelzügen und menschlichen Tragödien

Die Einwanderungspolitik unter Präsident Trump erlebte eine weitere Verschärfung, geprägt von der systematischen Demontage von Schutzprogrammen und neuen aggressiven Vollzugstaktiken. Programme wie „humanitarian parole“ und der temporäre Schutzstatus (TPS) für Hunderttausende Migranten aus Kuba, Haiti, Nicaragua, Venezuela und Afghanistan wurden mit Rigorosität beendet, was als „größtes Massen-Illegalisierungsereignis der modernen amerikanischen Geschichte“ bezeichnet wird. Die Regierung begründet dies mit nationaler Sicherheit und der Entlastung staatlicher Ressourcen. Kritiker sprechen von einer „De-Dokumentierungs“-Kampagne, die rechtmäßig Anwesende über Nacht in Illegale verwandelt und sie der Gefahr der Abschiebung in unsichere Heimatländer aussetzt.

Der Supreme Court spielte dabei eine Schlüsselrolle, indem er der Regierung oft im Rahmen von Eilentscheidungen ohne ausführliche Begründung grünes Licht für die Beendigung der Schutzprogramme gab. Liberale Richterinnen wie Ketanji Brown Jackson und Sonia Sotomayor meldeten scharfen Widerspruch an und warnten vor „verheerenden Konsequenzen“ und „sozialem und wirtschaftlichem Chaos“. Untergeordnete Gerichte hatten zuvor versucht, die pauschale Aufhebung zu blockieren und eine Einzelfallprüfung gefordert. Die Entscheidungen des Supreme Court signalisieren jedoch, dass eine Mehrheit der Richter die Erfolgsaussichten der Regierung positiv einschätzt.

Parallel dazu verschärft die Administration den Druck auf Immigration and Customs Enforcement (ICE) mit dem Ziel, die Abschiebezahlen massiv zu steigern, möglicherweise auf „mindestens 3.000 Festnahmen pro Tag“. Eine umstrittene Methode sind Festnahmen direkt in oder an Einwanderungsgerichten, oft in Koordination mit Regierungsanwälten, um eine beschleunigte Abschiebung zu ermöglichen. Kritiker sehen darin eine Untergrabung des Rechtsprozesses, die Migranten davon abhalten könnte, zu Gerichtsterminen zu erscheinen. Die Diskrepanz zwischen der öffentlichen Rhetorik (Abzuschiebende als Kriminelle) und den Aussagen vor Gericht (wo Fehler eingeräumt werden) ist auffällig und zielt darauf ab, den politischen Kampf über den juristischen zu stellen. Die unmittelbaren Folgen für die Betroffenen sind existenziell bedrohlich und traumatisch.

Ethische Verfehlungen und ein erratischer Regierungsstil

Die Präsidentschaft Trumps bleibt von Vorwürfen der Selbstbereicherung und ethischer Grenzüberschreitungen überschattet. Berichte deuten auf eine systematische Nutzung des Amtes zur Vermehrung des eigenen und familiären Vermögens hin, von undurchsichtigen Immobiliendeals mit ausländischen Staatsakteuren bis zum Geschäft mit Kryptowährungen. Dies ruft die „Emoluments Clause“ der Verfassung auf den Plan, die Amtsträgern die Annahme von Geschenken oder Einkünften von ausländischen Staaten ohne Zustimmung des Kongresses verbietet. Trumps Verteidigungsstrategie besteht darin, das gesamte politische System als korrupt darzustellen. Die zögerliche Reaktion von Kontrollinstanzen wie dem Kongress wird als eine Ursache für die ungehinderte Entfaltung dieser Praktiken gesehen.

Auch Trumps Begnadigungspraxis nährt den Verdacht der Günstlingswirtschaft. Fälle wie der des Steuerbetrügers Paul Walczak und der Reality-TV-Stars Todd und Julie Chrisley deuten darauf hin, dass Loyalität, Spendengelder und familiäre Bande die Entscheidungen beeinflussen könnten. Walczaks Mutter sammelte Millionen für Trumps Kampagnen und war in den Versuch verwickelt, Joe Bidens Wahlkampf 2020 zu diskreditieren; kurz vor der Begnadigung ihres Sohnes nahm sie an einem Fundraising-Dinner mit Trump teil. Die Tochter der Chrisleys trat bei der Republican National Convention auf. Die Behauptung, die Verurteilten seien Opfer politisch motivierter Justiz, steht oft im Kontrast zur Schwere der Delikte. Die Verstrickung von Walczaks Mutter in die Affäre um Ashley Bidens Tagebuch und die spätere Einstellung der Ermittlungen durch Trumps Justizministerium fügen der Begnadigung ihres Sohnes eine pikante Note hinzu. Die Begnadigungen führen auch zur Annullierung erheblicher finanzieller Restitutionszahlungen.

Donald Trumps tief verwurzelte Rastlosigkeit und kurze Aufmerksamkeitsspanne entwickeln sich zudem zu einer fundamentalen Bedrohung für seine Agenda und die verfassungsmäßige Ordnung. Seine chronische Getriebenheit untergräbt systematisch eigene politische Ziele, besonders in der Handelspolitik, wo erratische Ad-hoc-Entscheidungen einen durchdachten Plan ersetzen. Diese präsidiale Hast erodiert auch die Rechtsstaatlichkeit, indem etablierte Prozesse und das Recht auf ein faires Verfahren als lästige Verzögerungen empfunden und umgangen werden sollen, etwa im Einwanderungsrecht oder bei Stellenkürzungen. Verschärft wird dies durch ein Umfeld mit immer weniger mäßigenden Einflüssen. Trumps Drang nach unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung scheint weniger eine Strategie als ein Charakterzug zu sein.

Die Demokraten: Zwischen Orientierungslosigkeit und internem Richtungsstreit

Während die Republikaner unter Trump eine klare, wenn auch umstrittene Richtung verfolgen, gleicht die Demokratische Partei derzeit einem angeschlagenen Boxer auf der Suche nach Orientierung. Die Wahlniederlage von 2024 hat tiefe Wunden hinterlassen und eine Partei offengelegt, deren Wählerkoalitionen bröckeln und deren Image als elitär gilt. Alarmierend ist der Erosionsprozess bei jungen Menschen, schwarzen Wählern und Latinos. Die Partei wird zunehmend als Vertretung hochgebildeter Eliten wahrgenommen, die ein System verteidigen, das in den Augen vieler versagt.

Vor diesem Hintergrund wirkt das frühe Positionieren potenzieller Präsidentschaftskandidaten für 2028 wie ein Ablenkungsmanöver, da substanzielle neue Politikentwürfe rar bleiben. Ein zentrales Spannungsfeld ist der „Age Factor“ und die wahrgenommene „Gerontokratie“. Die Partei ringt um eine Balance zwischen Erfahrung und neuer Energie und erprobt Strategien zur Rückgewinnung abgewanderter „Working-Class Voters“. Tiefe interne ideologische Debatten um den Umgang mit progressiven Errungenschaften, moderatere Positionen bei heiklen Themen oder einen stärkeren Wirtschaftspopulismus prägen das Bild.

Inmitten dieser Sinnsuche erschüttert ein neuer ideologischer Grabenkrieg die Partei: die „Abundance Agenda“. Diese Bewegung, genährt von der Ernüchterung über die mangelnde Handlungsfähigkeit des Staates bei der Umsetzung großer Projekte wie des Billionen-Dollar-Infrastrukturpakets, fordert etablierte progressive Aktivistengruppen und deren Einfluss heraus. Die Agenda stützt sich auf drei Säulen: massive Ausweitung des Wohnungsangebots durch Beseitigung restriktiver Bebauungsvorschriften, radikaler Rückbau von Regulierungen, die Infrastrukturprojekte verteuern und verlangsamen, und die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Staates selbst („state capacity“). Viele der kritisierten Beschränkungen wurden jedoch einst von der Linken selbst initiiert und sind tief in der Interessengruppenpolitik verankert, die oft auf Klagen und Prozeduren setzt (z.B. NEPA) und heute paradoxerweise oft Fortschritt, etwa im Klimaschutz, behindert. Der Konflikt darüber, ob lokale Gruppen gestärkt oder deren Blockademacht beschnitten werden muss, spaltet das progressive Lager tief. Die „Abundance Agenda“ könnte zur zentralen Programmatik des moderaten Flügels werden und eine positive Identität jenseits von „Progressiv light“ bieten.

Die vergangene Woche hat die Konturen eines Amerikas gezeichnet, das von tiefen Verwerfungen und einem Ringen um seine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft geprägt ist. Die aggressive Agenda der Trump-Administration trifft auf eine verunsicherte und in sich gespaltene demokratische Opposition, während die Grundfesten rechtsstaatlicher und wissenschaftlicher Institutionen zunehmend unter Druck geraten. Die kommenden Monate werden zeigen, welche Kräfte sich in diesem Ringen durchsetzen und welchen Kurs die Vereinigten Staaten einschlagen werden.

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