Virginias Universitäten im Würgegriff: Wie ein politisches Manöver die akademische Freiheit aushöhlt

Illustration: KI-generiert

Es ist eine Belagerung, die nicht mit Kanonen, sondern mit Briefköpfen des Justizministeriums geführt wird. Ein politischer Würgegriff, der sich langsam, aber unerbittlich um den Hals der öffentlichen Hochschulbildung im US-Bundesstaat Virginia legt. Im Zentrum dieses Sturms steht die George Mason University und ihr Präsident Gregory Washington, dessen Vergehen in den Augen seiner Gegner darin zu bestehen scheint, die Universität zu dem gemacht zu haben, was sie heute ist: eine der vielfältigsten des Landes. Der Fall ist weit mehr als eine lokale Auseinandersetzung; er ist das Lehrstück einer orchestrierten Kampagne, bei der Regierungsgewalt und der ideologische Apparat konservativer Denkfabriken in einem strategischen Zusammenspiel die akademische Autonomie aushöhlen. Was in Virginia geschieht, ist die Erprobung eines Drehbuchs, das darauf abzielt, die Universität von einem Ort des freien Denkens in ein Instrument politischer Agenda umzuwandeln.

Der Masterplan: Ein politisches Zangenmanöver

Um die Vorgänge an der George Mason University zu verstehen, muss man das präzise Zusammenspiel der beteiligten Akteure betrachten. Es handelt sich nicht um zufällige Angriffe, sondern um eine konzertierte Aktion, die von langer Hand geplant scheint. An der Spitze steht Virginias republikanischer Gouverneur Glenn Youngkin. Obwohl seine Amtszeit begrenzt ist, nutzte er seine Befugnisse, um die Aufsichtsgremien der 14 staatlichen Universitäten gezielt mit loyalen Personen zu besetzen. Ein politischer Analyst beschrieb diese neuen Mitglieder als „aggressiver“ in der Durchsetzung der Prioritäten des Gouverneurs, insbesondere im Kampf gegen den „wahrgenommenen Linksruck“ der Universitäten.

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Diese politisch besetzten Hochschulräte agieren jedoch nicht im luftleeren Raum. Sie bilden eine Allianz mit externen, ideologisch gefestigten Organisationen. Die prominenteste unter ihnen ist die Heritage Foundation, eine einflussreiche konservative Denkfabrik und die Architektin des „Project 2025“, das als umfassendes Regierungsprogramm für eine zweite Amtszeit von Donald Trump gilt. Die Verbindungen zur George Mason University sind tief und historisch. Frühere Vorstandsmitglieder wie Edwin J. Feulner Jr., Mitbegründer der Stiftung, und der ehemalige Justizminister Edwin Meese III haben die Universität bereits geprägt. Gouverneur Youngkin setzte diese Tradition fort, indem er Lindsey Burke, eine Mitautorin von Project 2025, und Charles Stimson, einen weiteren Mitarbeiter der Heritage Foundation, in den Vorstand berief.

Dieses Zusammenspiel von politischer Macht und ideologischem Unterbau erzeugt einen enormen Druck. Zuerst liefert die Heritage Foundation die Munition, etwa in Form eines Berichts, der der George Mason University einen aufgeblähten DEI-Apparat vorwarf und sie der Verbreitung „radikal linker Ideologien“ bezichtigte. Auch wenn Präsident Washington die darin genannten Zahlen öffentlich korrigierte und von 69 auf 17 DEI-Mitarbeiter reduzierte, war der Schaden angerichtet. Kurz darauf eskalierte die Situation: Nachdem die von Youngkin ernannten Mitglieder die Mehrheit im Vorstand übernommen hatten, warf Lindsey Burke der Universität vor, die von der Trump-Regierung erlassenen Verbote von DEI-Programmen zu langsam umzusetzen.

Den letzten, entscheidenden Schritt in diesem Manöver unternimmt die Bundesregierung. Kurz nach Burkes Wechsel ins Bildungsministerium trafen bei der Universität die ersten Briefe des Justiz- und Bildungsministeriums ein. Es folgten vier Untersuchungen in ebenso vielen Wochen, die sich gegen die DEI-Initiativen, Einstellungspraktiken und sogar die Zulassungsrichtlinien der Universität richteten. Die Briefe, unterzeichnet von Harmeet K. Dhillon, einer hochrangigen Beamtin im Justizministerium, die bereits die University of Virginia mit ähnlichen Anfragen überzogen und deren Präsidenten zum Rücktritt gezwungen hatte, bilden die schwere Artillerie in diesem Kampf. Der Angriff ist somit dreistufig: politische Besetzung der Gremien, ideologische Vorbereitung durch Denkfabriken und schließlich die Exekution durch staatliche Untersuchungen.

DEI als ideologisches Schlachtfeld

Doch warum diese konzentrierte Kraftanstrengung? Der offizielle Kriegsschauplatz sind die Programme zu Diversität, Gleichheit und Inklusion (DEI). Für die Universitätsleitung unter Gregory Washington, dem ersten schwarzen Präsidenten der Hochschule, waren diese Initiativen ein zentraler Bestandteil seiner Vision. Er rief eine „Antirassismus“-Agenda ins Leben, setzte eine Taskforce ein und bemühte sich aktiv um die Einstellung von mehr diversen Fakultätsmitgliedern. Konkret wurden auch Maßnahmen ergriffen wie die Errichtung eines Denkmals für die vom Namensgeber George Mason versklavten Menschen. Diese Schritte waren für die Universität ein Weg, sich ihrer Geschichte zu stellen und, wie Washington es formulierte, „besser zu werden“ und „Barrieren für gleiche Beschäftigungschancen“ abzubauen.

Für die Kritiker hingegen ist genau das der Kern des Problems. Gouverneur Youngkin erklärte, DEI-Initiativen seien „von den Schienen abgekommen“. Lindsey Burke von der Heritage Foundation ging weiter und behauptete, DEI habe „den höchsten Zweck der Universität pervertiert“. Die Untersuchungen des Justizministeriums zielten explizit auf Washingtons Bemühungen zur Einstellung von „faculty of color“ und seine Antirassismus-Taskforce, die als potenzielle rechtliche Verstöße gewertet wurden. Der Vorwurf lautet, dass Programme, die darauf abzielen, historische Benachteiligungen auszugleichen, selbst eine Form der illegalen Diskriminierung darstellen.

In diesem ideologischen Kampf wird auch der Vorwurf des Antisemitismus zu einer Waffe. Nachdem die Universität pro-palästinensische Proteste zugelassen hatte, wurde sie zum Ziel von Untersuchungen. Doch viele Beobachter sehen darin ein Ablenkungsmanöver. Eine Gruppe von über 80 jüdischen Professoren der Universität wies die Behauptung zurück, an der George Mason herrsche ein feindseliges Klima für Juden. Eine Professorin nannte die Antisemitismus-Untersuchung einen „Rauchvorhang“, dessen eigentliches Ziel Macht, Kontrolle und ideologische Einschränkung seien. Diese Einschätzung wird durch die Tatsache gestärkt, dass auch demokratische jüdische Abgeordnete Präsident Washington verteidigten und den Angriff auf die Universität als „fehlgeleitet und ungerecht“ bezeichneten. Der Antisemitismus-Vorwurf erscheint so weniger als genuine Sorge und mehr als ein strategisch günstiges Werkzeug, um den Druck auf die Universitätsleitung zu erhöhen und ihre DEI-Politik in Verruf zu bringen.

Eine Universität, die zum Schweigen gebracht wird

Die Reaktionen innerhalb der akademischen Gemeinschaft zeigen ein tiefes Gefühl der Solidarität und des Widerstands. Das Lehrpersonal der George Mason University stellte sich hinter Präsident Washington. In einer geplanten Sondersitzung des Fakultätssenats sollte eine Resolution verabschiedet werden, die fordert, Washingtons Leistung nach professionellen, nicht nach politischen Kriterien zu bewerten. Diese Unterstützung von innen steht im scharfen Kontrast zum Vorgehen des Hochschulrats, der eine Entscheidung mit verheerenden Folgen traf.

Anstatt die Universität ihre eigene rechtliche Verteidigung gegen die Untersuchungen des Bundes organisieren zu lassen, beauftragte der Rat die Anwaltskanzlei Torridon Law. Diese Kanzlei ist keine neutrale Wahl; sie wurde von William Barr, Trumps ehemaligem Justizminister, mitgegründet und zählt weitere hochrangige Persönlichkeiten aus dessen Umfeld zu ihren Partnern. Mit diesem Schritt wurde die Verteidigung der Universität praktisch in die Hände von Personen gelegt, die dem politischen Lager ihrer Angreifer nahestehen. Präsident Washington selbst beklagte in Briefen, dass seine Mitarbeiter durch diese Entscheidung daran gehindert würden, direkt mit dem Justizministerium in Kontakt zu treten, um mehr über die Vorwürfe zu erfahren. Die Universität wurde dadurch effektiv zum Schweigen gebracht, ihre Fähigkeit zur Selbstverteidigung von ihrem eigenen Aufsichtsgremium untergraben – ein beispielloser Akt, der die institutionelle Autonomie ad absurdum führt.

Diese Vorgänge werfen ein Schlaglicht auf einen größeren, nationalen Trend. Die Angriffe auf die Hochschulbildung sind kein isoliertes Phänomen. Parallel dazu setzte das Bildungsministerium der Trump-Regierung den Schuldenerlass für Studienkredite im Rahmen eines wichtigen einkommensabhängigen Rückzahlungsplans aus. Auch wenn die juristischen Begründungen komplex sind, ist die politische Botschaft klar: Der Zugang zu und die Gestaltung von Bildung werden zu zentralen Feldern politischer Auseinandersetzungen. Die Aussetzung des Schuldenerlasses, die Millionen von Kreditnehmern betrifft, und der Angriff auf DEI-Programme an Universitäten sind zwei Seiten derselben Medaille. Es ist der Versuch, die fortschrittlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte im Bildungssektor zurückzudrehen.

Was an der George Mason University geschieht, ist daher mehr als nur das Schicksal eines Präsidenten oder einer Institution. Es ist ein Präzedenzfall für die Zukunft der öffentlichen Bildung in Amerika. Wenn eine Regierung ihre Macht nutzen kann, um Aufsichtsräte zu instrumentalisieren, Denkfabriken als ideologische Speerspitze einzusetzen und Bundesbehörden als Vollstrecker zu missbrauchen, dann steht die grundlegende Freiheit der Wissenschaft auf dem Spiel. Es ist der Kampf um die Frage, ob Universitäten Orte der kritischen Untersuchung und der vielfältigen Perspektiven bleiben oder ob sie zu Echokammern einer einzigen, von oben verordneten Ideologie werden. Der Ausgang in Virginia wird weit über die Grenzen des Bundesstaates hinaus zu spüren sein.

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