Urlaub in Trumps Amerika: Ein Sommer zwischen bedrohten Idyllen und Sparzwang

Illustration: KI-generiert

Der amerikanische Sommer. Er ist mehr als nur eine Jahreszeit. Er ist ein kulturelles Versprechen, ein tief in der nationalen Seele verankertes Ritual der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten. Es ist der Geruch von Sonnencreme auf erhitzter Haut, das Zirpen der Zikaden in der feuchten Abendluft und das endlose Band der Highways, das zu den Wundern des Landes führt – zu den majestätischen Nationalparks, den glitzernden Küsten, den pulsierenden Städten. Doch im Sommer 2025 legt sich ein feiner Riss über dieses Postkarten-Idyll. Es ist ein Riss, der nicht durch die Geologie, sondern durch die Politik und die Wirtschaft verursacht wird. Er zieht sich durch die Canyons von Zion, die Wälder von Acadia und die Budgets amerikanischer Durchschnittsfamilien. Dieser Sommer ist zu einem Brennglas geworden, das die tiefen Verwerfungen einer gespaltenen Nation sichtbar macht. Die Art und Weise, wie Amerika Urlaub macht – oder eben nicht mehr macht –, erzählt eine eindringliche Geschichte über die Folgen einer Politik, die auf Abschottung und Neuausrichtung abzielt, und über eine wirtschaftliche Unsicherheit, die den amerikanischen Traum von der unbeschwerten Auszeit erodieren lässt. Es ist die Geschichte eines Landes, dessen wertvollste Güter – seine Naturwunder und sein Optimismus – unter Druck geraten.

Die Kronjuwelen der Nation unter Druck

Nirgendwo wird dieser Druck so greifbar wie in den Nationalparks, den Kathedralen der amerikanischen Natur. Sie sind Sehnsuchtsorte, die Generationen von Amerikanern aller politischen Couleur in ihren Bann ziehen. Doch im Sommer 2025 empfängt diese heiligen Stätten ein rauer Wind, der aus Washington weht. Unter der Regierung von Präsident Donald Trump wurde der National Park Service (NPS), wie andere Bundesbehörden auch, von einer Welle der Reorganisation erfasst. Die Folgen sind dramatisch: Entlassungen, Frühverrentungen und Einstellungsstopps haben die Zahl der festangestellten Mitarbeiter um fast ein Viertel reduziert. Zur Hochsaison im Juli war nur knapp die Hälfte der benötigten Saisonkräfte eingestellt.

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Was in den Bilanzen als Bürokratieabbau deklariert wird, manifestiert sich vor Ort als spürbarer Mangel, der das Erlebnis der Besucher direkt beeinträchtigt. Im Mammoth Cave National Park, dem längsten Höhlensystem der Welt, führen die fehlenden Ranger dazu, dass Touren ausverkauft sind und die tägliche Besucherkapazität nicht ausgeschöpft werden kann. Familien, die eine geführte Tour erhofft hatten, müssen sich mit selbstgeführten Alternativen begnügen. Im Glacier National Park wurde die Anzahl der von Rangern geleiteten Programme im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel gekürzt. Besucher, die sich Antworten auf ihre Fragen erhoffen, finden oft keine Ansprechpartner mehr. Es sind subtile Veränderungen, aber sie zeugen von einem System, das an seine Grenzen stößt.

Hinter der Fassade von sauberen Toiletten und gepflegten Wegen, die mancherorts noch aufrechterhalten wird, verbirgt sich eine tiefgreifende Krise. Mitarbeiter berichten anonym von einer miserablen Moral und der Frustration, mit immer weniger Ressourcen auskommen zu müssen. Viel gravierender sind jedoch die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des langfristigen Erhalts der Parks. Ein ehemaliger Ranger im Glacier National Park warnt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis es bei Notfällen wie vermissten Wanderern oder Waldbränden zu verzögerten Reaktionen komme. Im Zion National Park bleibt der beliebte Weeping Rock Trail nach einem Felssturz gesperrt, weil die Mittel für die Reparatur fehlen. Ein Vorfall, bei dem eine Frau von einem Eichhörnchen gebissen wurde und auf einer Trage abtransportiert werden musste, unterstreicht die Notwendigkeit von geschultem Personal in dieser rauen Umgebung. Die Kürzungen bedrohen nicht nur das sichtbare Tagesgeschäft, sondern auch die unsichtbare wissenschaftliche Forschung und die langfristige Instandhaltung, deren Vernachlässigung erst in fünf bis zehn Jahren voll sichtbar werden könnte.

Ein Riss, der durch die Gesellschaft geht

Die Reaktionen der Besucher auf diese Entwicklung zeichnen ein scharfes Bild der politischen Zerrissenheit Amerikas. Für die einen sind die Kürzungen der direkte Anlass ihrer Reise. Sie wollen die Parks sehen, „bevor ein Verrückter sie zerstört“, wie eine Lehrerin aus Florida es formuliert. Für sie ist der Zustand der Parks ein Symbol für den verantwortungslosen Umgang der Regierung mit dem nationalen Erbe. Auf der anderen Seite stehen Besucher, die sich selbst als „Trumpers“ bezeichnen. Sie unterstützen die Kürzungen im Prinzip, da sie glauben, der Staat gebe zu viel Geld für „dummes Zeug“ aus. Auch sie lieben die Parks, zeigen sich aber hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach deren Erhalt und der Überzeugung, dass der Regierungsapparat verkleinert werden muss. Diese diametralen Sichtweisen treffen in der majestätischen Kulisse der Natur aufeinander und zeigen, dass selbst an den Orten, die die Nation einen sollen, die Gräben der Gesellschaft unüberbrückbar scheinen.

Gleichzeitig offenbart die Krise aber auch eine andere, widerstandsfähigere Seite Amerikas. Die tiefe emotionale Verbindung der Menschen zu ihren Parks, die sie als ihren „happy place“ oder die „Lungen des Landes“ bezeichnen, mobilisiert zivilgesellschaftliches Engagement. Im Acadia National Park, der wirtschaftlich das Rückgrat der gesamten Region Downeast Maine bildet und jährlich Hunderte Millionen Dollar in die lokale Ökonomie spült, springt die gemeinnützige Organisation „Friends of Acadia“ in die Bresche. Sie erinnert daran, dass die berühmten Kutschwege des Parks schon einmal durch Vernachlässigung fast verfallen wären und nur durch jahrzehntelanges Engagement gerettet werden konnten. Diese Initiativen sind ein Rettungsanker, aber sie werfen eine fundamentale Frage auf: Kann und soll privates Engagement die staatliche Verantwortung für das nationale Erbe dauerhaft ersetzen?

Wenn der eigene Geldbeutel zur neuen Landkarte wird

Während der Kampf um die Zukunft der Nationalparks ideologisch und emotional aufgeladen ist, wird die zweite große Veränderung des Sommers 2025 von einer kühleren, aber nicht minder mächtigen Kraft angetrieben: der wirtschaftlichen Unsicherheit. Eine Welle von Sorgen rollt über das Land, genährt von monatelangen Warnsignalen. Die Furcht vor steigenden Preisen durch neue Zölle, die Sorge um den Arbeitsplatz in einem sich verlangsamenden Markt und die Belastung durch bereits hohe Lebenshaltungskosten veranlassen die Amerikaner, ihre Ausgaben drastisch zu überdenken.

Das Resultat ist eine Neukalibrierung des amerikanischen Urlaubs. Die große, sorglose Reise rückt für viele in weite Ferne. Stattdessen dominieren kürzere Trips, Autofahrten anstelle von Flügen und eine generelle Tendenz, näher am eigenen Zuhause zu bleiben. „It’s definitely staycation season“, bringt es ein Hotelmanager auf den Punkt. Die Zahlen bestätigen diesen Trend: Die Buchungen für Inlandsflüge und Hotels sind im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Fluggesellschaften wie Delta, Southwest und American Airlines warnen, dass die nachlassende Inlandsnachfrage ihre Gewinne belasten könnte. Im Juni fielen die Hotelbelegungsraten den vierten Monat in Folge.

Dieser Wandel wird von persönlichen Geschichten untermauert. Da ist die Lehrerin aus Texas, die aufgrund gestiegener Hypothekenkosten statt mit der ganzen Familie nur mit ihrer Tochter verreist, Flugtickets mit Kreditkartenpunkten bezahlt und im Urlaub Mahlzeiten teilt, um Geld zu sparen. Oder der Unternehmer aus Milwaukee, der wegen einer schlechten Auftragslage seine drei Urlaube aus dem Vorjahr auf ein einziges langes Wochenende in einem nahegelegenen Wasserpark reduziert und stattdessen spart. Diese neue Genügsamkeit ist jedoch nicht universell. Sie offenbart eine weitere Kluft in der amerikanischen Gesellschaft: Während die breite Masse den Gürtel enger schnallt, boomt der Luxustourismus ungebremst. Die Buchungen für Premium-Sitze im Flugzeug steigen, während die für die Hauptkabine fallen. Es scheint, als gäbe es zwei parallele Reise-Realitäten, die sich immer weiter voneinander entfernen.

Die Tourismusbranche passt sich dieser neuen Realität an, so gut es geht. Hotels werben mit „Daycation“-Angeboten, kostenlosem Parken und Rabatten für Gäste aus Nachbarstaaten, um die ausbleibenden Fernreisenden durch Tagesausflügler und Autotouristen zu ersetzen. Als Alternative zu den großen, teuren Reisezielen rücken erschwinglichere Orte in den Fokus. Artikel preisen budgetfreundliche Strandorte wie Hollywood Beach in Florida oder Ventura in Kalifornien an, die mit kostenlosen Aktivitäten, günstigeren Hotels abseits der direkten Strandlage und einer entspannten Atmosphäre locken. Diese Orte profitieren vom neuen Preisbewusstsein und bieten eine Blaupause für einen Urlaub, der Erholung verspricht, ohne das Konto zu sprengen.

Eine Festung, die weniger Besucher anzieht

Die innenpolitischen und wirtschaftlichen Verwerfungen werfen auch einen langen Schatten auf Amerikas Ansehen in der Welt. Der Trend zur Abschottung, der sich in der Handelspolitik und der Rhetorik der Trump-Regierung manifestiert, führt zu einem spürbaren Rückgang des internationalen Tourismus. Die Ankünfte ausländischer Flugreisender sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken. Insbesondere Besucher aus traditionell starken Partnermärkten wie Kanada und mehreren europäischen Ländern meiden die USA.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Es ist die feindselige Rhetorik, die strengeren und teureren Visa-Bestimmungen und die Verunsicherung durch Handelskonflikte. Kanadier, die normalerweise ein Viertel aller ausländischen Besucher ausmachen, bleiben weg, nachdem ihre Regierung eine Reisewarnung herausgegeben hat und die Handelsbeziehungen angespannt sind. In Tourismushochburgen wie Cape Cod oder Bar Harbor berichten Hoteliers und Gastronomen von einem spürbaren Rückgang kanadischer und anderer internationaler Gäste. Das Bild eines weltoffenen, einladenden Amerikas hat Risse bekommen.

Gleichzeitig schlägt die Einwanderungspolitik der Regierung direkt auf die Tourismusindustrie durch. In einer Branche, in der jeder dritte Arbeitnehmer im Ausland geboren wurde, führt die massive Reduzierung des zugewanderten Arbeitskräftepotenzials zu großer Sorge bei den Wirtschaftsverbänden. ICE-Razzien in Tourismushochburgen wie Martha’s Vineyard haben bereits zu Geschäftsschließungen geführt und verunsichern die Gemeinden. Doch hier zeigt sich ein weiteres Paradoxon des Sommers 2025: Der befürchtete flächendeckende Arbeitskollaps in der Branche bleibt bisher aus. Der Grund dafür ist zynisch einfach: Weil die Inlands- und Auslandsnachfrage nachlässt, sinkt auch der Bedarf an Arbeitskräften. Wie der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome H. Powell, anmerkte, befindet sich die Verlangsamung der Nachfrage nach Arbeitskräften im Gleichgewicht mit dem verringerten Angebot durch weniger Einwanderung. Es ist ein fragiles Gleichgewicht, das nicht auf Stärke, sondern auf einer doppelten Schwäche beruht.

Ein Sommer als Spiegelbild der Nation

Der amerikanische Sommer 2025 ist somit weit mehr als eine Aneinanderreihung von Reisetrends und Wirtschaftsdaten. Er ist eine Fieberkurve, die den Zustand des Landes misst. Die bedrohten Nationalparks spiegeln den Konflikt um den Wert des Gemeinwohls und die Rolle des Staates wider. Das veränderte Urlaubsverhalten der Bürger offenbart eine tiefe ökonomische Verunsicherung und eine wachsende soziale Ungleichheit. Und der schwindende Zustrom internationaler Besucher zeugt von einem Land, dessen Anziehungskraft durch eine Politik der Konfrontation und Abschottung leidet.

Der Riss, der durch die Sommeridylle verläuft, ist ein Riss, der durch Familien, Gemeinschaften und das Selbstverständnis einer ganzen Nation geht. Er trennt jene, die sich Sorgen um den Erhalt der Natur machen, von denen, die sich Sorgen um die Staatsausgaben machen. Er trennt die, die sich noch einen Luxusurlaub leisten können, von denen, die zu Hause bleiben müssen. Die Frage, die dieser Sommer aufwirft, ist daher nicht nur, wohin die Reise als Nächstes geht. Sondern in was für einem Land die Amerikaner ankommen werden, wenn sie ihr Ziel erreichen.

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