Trumps Schattenkrieg: Die vertuschte Nordkorea-Mission und das Erbe des Risikos

Illustration: KI-generiert

Es gibt Momente in der Weltpolitik, die sich wie das Ticken einer unsichtbaren Uhr anfühlen, Momente, in denen der Atem der Geschichte für einen Augenblick anzuhalten scheint. Einer dieser Momente fand in einer eiskalten Winternacht Anfang 2019 statt, verborgen unter dem undurchdringlichen Mantel der militärischen Geheimhaltung. In der tintenschwarzen See vor der Küste Nordkoreas tauchten Gespenster auf – Männer des legendären SEAL Team 6, der Einheit, die einst Osama bin Laden zur Strecke brachte. Ihr Ziel: ein technologischer Coup, der die Spielregeln im hochriskanten Atom-Poker zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un für immer hätte verändern können.

Doch die Mission, die als Meisterstück der Spionage geplant war, endete in einem Fiasko: mit dem Tod unbewaffneter Zivilisten, einem überstürzten Rückzug und einem Mantel des Schweigens, der bis heute mehr Fragen aufwirft, als er Antworten gibt. Die nun bekannt gewordenen Details dieser Operation sind mehr als nur die Chronik eines gescheiterten Einsatzes. Sie sind ein Lehrstück über die Präsidentschaft Donald Trumps, ein Fenster in eine Außenpolitik, die auf Instinkt, Risiko und die Missachtung etablierter Kontrollmechanismen setzte. Und heute, da Trump in seiner zweiten Amtszeit das Oval Office erneut besetzt, gewinnt diese Episode aus der Vergangenheit eine beklemmende Aktualität. Sie ist eine Warnung davor, was geschieht, wenn der Mythos der unbesiegbaren Superkrieger auf die unberechenbare Realität trifft – und die demokratische Aufsicht versagt.

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Ein Spiel mit dem Feuer

Die Beziehung zwischen Donald Trump und Kim Jong-un war stets ein politisches Vexierspiel, ein bizarrer Tanz zwischen öffentlichen Drohgebärden und persönlichen Brieffreundschaften. Inmitten dieser diplomatischen Achterbahnfahrt standen die US-Geheimdienste vor einem fundamentalen Problem: einem riesigen blinden Flecken. Nordkorea, das wohl isolierteste Regime der Welt, war für Spione und Informanten praktisch undurchdringlich. Was dachte Kim wirklich? Bluffte er nur oder meinte er seine Drohungen ernst? Um dieses Rätsel zu lösen, präsentierten die Dienste dem Weißen Haus eine verlockende Lösung: ein neuartiges Abhörgerät, das, einmal an der richtigen Stelle platziert, einen direkten Draht in die Kommunikationszentrale des Regimes legen sollte.

Der Haken: Jemand musste es dorthin bringen. Die Wahl fiel auf SEAL Team 6, die Speerspitze der amerikanischen Spezialkräfte. Der Plan, der direkt vom Präsidenten genehmigt werden musste, war an Verwegenheit kaum zu überbieten. Ein Atom-U-Boot sollte sich unbemerkt in nordkoreanische Gewässer schleichen, von dort aus sollten die SEALs in kleinen Mini-U-Booten zur Küste vordringen, das Gerät installieren und spurlos wieder verschwinden. Es war ein Spiel mit dem Feuer, bei dem der Einsatz nicht höher hätte sein können. Ein Erfolg versprach einen unschätzbaren strategischen Vorteil bei den anstehenden Atom-Gipfeln. Ein Scheitern hingegen konnte alles bedeuten: eine Geiselnahme, einen unkontrollierbaren militärischen Konflikt mit einer Atommacht oder das abrupte Ende aller diplomatischen Bemühungen. Die Genehmigung dieser Mission war symptomatisch für Trumps Politikstil: ein Alles-oder-Nichts-Ansatz, bei dem die Chance auf einen spektakulären Durchbruch die Warnungen vor einer potenziellen Katastrophe überstimmte.

Die Anatomie des Scheiterns

Monatelang hatten die SEALs für diesen Moment trainiert, jede Bewegung einstudiert, jeden Handgriff perfektioniert. Doch in der rauen Wirklichkeit des Einsatzes ist Perfektion eine Illusion. Das Scheitern begann nicht mit einem lauten Knall, sondern mit einer Kette kleiner, fast unbedeutender Pannen, die sich in der Dunkelheit zu einer tödlichen Lawine auftürmten.

Es war, als würde ein feines Uhrwerk durch ein einziges Sandkorn zum Stillstand gebracht. Das erste Problem: Bei der Positionierung der beiden Mini-U-Boote am Meeresgrund musste eines eine ungeplante Wende vollziehen, sodass sie in entgegengesetzte Richtungen zeigten. Ein Schönheitsfehler, den man später korrigieren wollte, doch die Zeit drängte. Die Männer verließen die Boote und schwammen mit dem wertvollen Gerät zur Küste. Der zweite, vielleicht entscheidende Fehler: Während die Piloten eines der Mini-U-Boote neu ausrichteten, erzeugte der Elektromotor unter Wasser eine kaum wahrnehmbare Bewegung. In der absoluten Stille der Nacht könnte dieses Geräusch, vielleicht auch das schwache Leuchten aus den offenen Cockpits, die Aufmerksamkeit eines kleinen Fischerbootes erregt haben, das laut Geheimdienst-Prognosen gar nicht dort hätte sein dürfen.

Plötzlich waren die SEALs nicht mehr allein. Scheinwerferkegel tanzten über das schwarze Wasser. Abgeschnitten von jeder Kommunikation, ohne die gewohnte Drohnenüberwachung, die ihnen in Afghanistan oder im Irak ein gottgleiches Auge am Himmel geboten hätte, waren die Soldaten auf sich allein gestellt. Waren es harmlose Fischer, die nach Muscheln tauchten, oder eine nordkoreanische Patrouille? In der Dunkelheit gab es keine Antworten, nur die wachsende Furcht, entdeckt zu werden. Als ein Mann von dem Boot ins Wasser sprang, fiel die Entscheidung. Der ranghöchste SEAL am Ufer hob sein Gewehr und schoss. In Sekundenschnelle war das Feuer erwidert. Die Mission war kompromittiert und gescheitert. Die Männer auf dem Boot, so stellte sich später heraus, waren Zivilisten. Unbewaffnet. Ihre Leichen wurden von den SEALs beschwert und im Meer versenkt, um alle Spuren zu verwischen.

Der Mythos der Unbesiegbaren

Der Vorfall wirft ein grelles Licht auf eine unbequeme Wahrheit, die hinter der Fassade aus Hollywood-Filmen und heroischen Erfolgsgeschichten verborgen liegt: Die Bilanz des SEAL Team 6 ist weitaus wechselhafter, als es der Mythos der Unbesiegbarkeit suggeriert. Die Öffentlichkeit kennt die Triumphe, wie die Tötung Bin Ladens, die das Bild einer fehlerlosen, fast übermenschlichen Kampftruppe zementiert haben. Doch intern, so legen es die Quellen nahe, gibt es auch eine lange Geschichte von kühnen, aber schlecht durchdachten Missionen, die in einer Katastrophe endeten.

Schon der erste Einsatz der Einheit 1983 bei der Invasion in Grenada geriet zum Desaster. Vier Soldaten ertranken bei einem missglückten Fallschirmsprung ins stürmische Meer. Weitere Fehlschläge in Panama, Afghanistan oder Somalia folgten, oft vertuscht durch den dichten Schleier der Geheimhaltung. Die Tötung unbewaffneter Fischer in Nordkorea reiht sich in dieses Muster ein. Es zeigt, was passiert, wenn man Elite-Soldaten in eine Lage bringt, in der ihre technologische Überlegenheit neutralisiert wird und sie unter extremem Druck, isoliert und quasi blind, Entscheidungen über Leben und Tod treffen müssen. Die internen Militäruntersuchungen kamen später zu dem Schluss, die Tötungen seien nach den Einsatzregeln gerechtfertigt gewesen – eine bürokratische Absolution, die die fundamentalen ethischen Fragen kaum zu beantworten vermag.

Eine Frage der Kontrolle

Vielleicht ist der beunruhigendste Aspekt dieser ganzen Affäre jedoch nicht das operative Scheitern, sondern das politische Versäumnis, das darauf folgte. Die Trump-Administration informierte die zuständigen Aufsichtsgremien im Kongress weder vor noch nach der Mission. Dies ist nicht nur ein Bruch mit der politischen Gepflogenheit, sondern, wie Rechtsexperten betonen, ein potenzieller Verstoß gegen geltendes Bundesgesetz.

Das System der gegenseitigen Kontrolle, das Fundament der amerikanischen Demokratie, beruht darauf, dass der Kongress die Exekutive überwacht – gerade bei so heiklen Themen wie verdeckten Militäroperation. Diese Informationspflicht soll verhindern, dass ein Präsident im Alleingang Kriege anzettelt oder das Land in unkalkulierbare Risiken stürzt. Die Präsidentschaft von Barack Obama hatte nach einer Reihe problematischer Einsätze die Zügel für solche Operationen angezogen und die Hürden für ihre Genehmigung erhöht. Die Trump-Administration kehrte diesen Kurs radikal um, lockerte die Beschränkungen und verkürzte die deliberativen Prozesse. Die Nordkorea-Mission ist das Paradebeispiel für diese neue Risikobereitschaft.

Als die Biden-Administration später von der Operation erfuhr, ordnete sie eine neue, unabhängige Untersuchung an und informierte den Kongress schließlich im Jahr 2021. Doch der ursprüngliche Akt der Geheimhaltung durch die Trump-Regierung hatte einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen: die Vorstellung, dass das Weiße Haus das Recht hat, den gewählten Vertretern des Volkes Informationen von höchster nationaler Bedeutung vorzuenthalten.

Das Erbe der Stille

Heute, Jahre später, hallt das Echo dieser stillen Nacht an der Küste Nordkoreas nach. Die Atomgespräche scheiterten kurz nach der Mission, und Pjöngjang baute sein Arsenal an Atomwaffen und Raketen massiv aus. Ob die gescheiterte Operation dazu beitrug, ist Spekulation. Doch sie steht sinnbildlich für ein größeres Scheitern: den Glauben, dass man komplexe geopolitische Konflikte mit verdeckten Kommandoaktionen lösen kann, während man die diplomatischen und demokratischen Spielregeln ignoriert.

Die Enthüllung dieser Mission zwingt uns, die Kosten solcher Schattenkriege neu zu bewerten. Sie dekonstruiert den Mythos der sauberen, chirurgischen Spezialoperation und zeigt die schmutzige, unvorhersehbare Realität. Sie erinnert uns daran, dass die Männer, die wir in diese Einsätze schicken, keine unfehlbaren Maschinen sind, sondern Menschen, die unter unvorstellbarem Druck agieren.

Für eine Nation, die erneut von Donald Trump regiert wird, ist diese Geschichte eine Mahnung. Sie zeigt ein Muster von Entscheidungen, die auf persönliche Intuition statt auf institutionelle Beratung setzen, die das hohe Risiko lieben und die parlamentarische Kontrolle als lästiges Hindernis betrachten. Die Frage, die bleibt, ist so einfach wie beunruhigend: Wie viele solcher Missionen gab es, von denen wir nichts wissen? Und welche Risiken ist eine Regierung bereit einzugehen, wenn die Wächter der Demokratie bewusst im Dunkeln gelassen werden? Die Stille, die über der gescheiterten Operation in Nordkorea liegt, ist am Ende lauter als jeder Schuss, der in jener Nacht fiel.

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