Trumps Parade: Eine Nation zwischen Militärkult und politischem Kalkül

Illustration: KI-generiert

Eine Machtdemonstration rollt auf Washington zu. Es ist eine Inszenierung, die seit Jahren in den Gedanken von Donald Trump reift, inspiriert von Europas Prunk und nun realisiert unter der Sonne der amerikanischen Hauptstadt. Am 14. Juni, dem 250. Geburtstag der U.S. Army, werden Panzerketten den Asphalt der Constitution Avenue umpflügen, tausende Soldaten marschieren und 50 Helikopter den Himmel über dem Regierungsviertel erzittern lassen. Offiziell ist es eine Ehrung für die Streitkräfte. Doch das Datum birgt eine Koinzidenz, die für Kritiker zur Symbolik gerinnt: Es ist auch der 79. Geburtstag des Präsidenten.

Was als bescheidene Jubiläumsfeier der Army begann, hat sich unter dem Einfluss des Weißen Hauses in ein Spektakel verwandelt, das in seiner Dimension und seiner politischen Aufladung beispiellos für die jüngere amerikanische Geschichte ist. Es ist mehr als nur eine Parade. Es ist ein Brennglas, das die tiefen Gräben der amerikanischen Gesellschaft sichtbar macht und eine fundamentale Frage aufwirft: Wem dient diese Zurschaustellung militärischer Macht wirklich? Dient sie der Nation und ihren Soldaten oder dem Geltungsdrang eines Präsidenten, der die Grenzen zwischen Staatsamt und persönlicher Inszenierung systematisch verwischt? Die Analyse der Fakten, Motive und Konsequenzen zeichnet das Bild eines Ereignisses, das weniger eine Hommage an das Militär als vielmehr die Kulmination einer politischen Ambition ist – mit weitreichenden Folgen für die zivil-militärischen Beziehungen und das Selbstverständnis der amerikanischen Demokratie.

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Vom Gedenktag zum Spektakel: Eine Parade im Wandel

Die Genese dieser Veranstaltung ist ein Lehrstück über den Wandel von Intentionen im politischen Machtgefüge Washingtons. Noch im Juni 2024, unter der Regierung von Joe Biden, reichte die Army einen Antrag für eine verhältnismäßig zurückhaltende Veranstaltung auf der National Mall ein. Die Pläne sahen rund 300 Soldaten und zivile Mitarbeiter vor, ein Konzert der U.S. Army Band, das Abfeuern von vier Kanonen und 120 aufgestellte Stühle. Ein Army-Sprecher beschrieb den ursprünglichen Antrag als reinen „Platzhalter“, der sicherstellen sollte, dass überhaupt etwas stattfinden kann. Es sollte eine von vielen Sommerveranstaltungen sein, ein würdevoller, aber unaufgeregter Akt des Gedenkens.

Mit der Wahl Donald Trumps änderte sich die Dynamik radikal. Die Vision wuchs exponentiell. Plötzlich war nicht mehr von einem bescheidenen Festakt die Rede, sondern von einer der größten Militärparaden, die die Hauptstadt je gesehen hat. Die Zahl der Soldaten stieg auf fast 7.000. Die Pläne umfassen nun 28 M1A1 Abrams-Kampfpanzer, die jeweils 70 Tonnen wiegen, 28 Stryker-Schützenpanzer, 28 Bradley-Kampffahrzeuge und über 100 weitere Fahrzeuge. Ergänzt wird das Bodengeschehen durch eine massive Luftkomponente aus 50 Helikoptern und einem historischen B-25-Bomber aus der Ära des Zweiten Weltkriegs.

Diese dramatische Eskalation war kein Zufall, sondern das Resultat eines direkten Interesses aus dem Weißen Haus. Nachdem die Army-Führung Mitte Februar ihre Pläne im Weißen Haus vorstellte und für eine Veranstaltung von „nationalem Rang“ warb, stieß sie auf offene Türen. Die Administration zeigte sich begeistert. Das Weiße Haus gab grünes Licht für fast alle Vorschläge – von der Parade über ein Feuerwerk bis hin zu einer Vorführung des Golden-Knights-Fallschirmteams – und Trump selbst fügte Wünsche für zusätzliches militärisches Gerät hinzu, um die „Macht des amerikanischen Militärs“ voll zur Geltung zu bringen. Ein anonymer Regierungsbeamter formulierte es so: Nachdem das Weiße Haus von der Feier erfahren hatte, wuchs das Interesse, daraus „die Parade zu machen, die Präsident Trump schon seit einer Weile haben wollte“.

Ein Präsidententraum in Uniform: Zwischen Ehrung und Selbstinszenierung

Der Wunsch nach einer solchen Parade ist für Donald Trump keine neue Eingebung, sondern eine lang gehegte Obsession. Der entscheidende Impuls kam 2017, als er als Ehrengast von Emmanuel Macron der Parade zum französischen Nationalfeiertag in Paris beiwohnte. Tief beeindruckt von der Zurschaustellung von Panzern, Truppen und Kampfjets über den Champs-Élysées, erklärte er, dies sei eine der „großartigsten Paraden“ gewesen, die er je gesehen habe, und verkündete kurz darauf sein Ziel: „Wir werden versuchen müssen, das zu übertreffen“. Schon vor seiner ersten Amtszeit sprach er davon, die militärische Stärke Amerikas auf den Straßen zu präsentieren.

Diese persönliche Fixierung des Präsidenten nährt den Verdacht, dass die Parade weniger der Army als vielmehr ihm selbst dient. Die unübersehbare Koinzidenz des Datums mit seinem eigenen Geburtstag wird von Kritikern als Beleg für eine narzisstische Vereinnahmung staatlicher Symbole gesehen. Offizielle Stellen bemühen sich, diese Deutung zu entkräften. Man habe nicht vor, dem Präsidenten ein Ständchen zu singen, und Trump selbst beteuerte in einem Interview, die Veranstaltung sei „nicht für meinen Geburtstag“. Doch die geplante Choreografie spricht eine andere Sprache. Der Präsident wird die Parade von einer Tribüne auf der Constitution Avenue abnehmen. Ein geplanter Höhepunkt sieht vor, dass Fallschirmjäger der Golden Knights in seiner Nähe landen und ihm eine amerikanische Flagge überreichen. Zudem soll Trump persönlich 250 neue Rekruten vereidigen. Er ist nicht nur Zuschauer, sondern der inszenierte Mittelpunkt. Dies passt zu dem, was ein Kommentator als Trumps „Genie für Showmanship“ bezeichnete – eine Fähigkeit, patriotische Anlässe für die eigene Zelebrierung zu nutzen.

Panzer auf der Prachtmeile: Die Politisierung des Militärs

Im Kern der Kontroverse steht der Vorwurf der Politisierung einer Institution, die traditionell über dem parteipolitischen Streit stehen soll. Kritiker sehen in der Parade ein beunruhigendes Signal. Eine Politikwissenschaftlerin der Marquette University, Risa Brooks, warnte, dass Panzer in den Straßen der Hauptstadt nicht mit der Tradition eines professionellen, hochkompetenten Militärs vereinbar seien. Stattdessen erwecke es den Anschein eines „politisierten und nach innen gewandten Militärs, das sich auf innere statt auf äußere Gegner konzentriert“. Diese Deutung wird durch historische Vergleiche untermauert. Während Trumps erster Amtszeit warnte General Paul J. Selva, damals Vize-Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff, den Präsidenten direkt, dass Militärparaden etwas seien, „was Diktatoren tun“. Auch Trumps damaliger Verteidigungsminister, Jim Mattis, wehrte sich vehement. Eine solche Parade, so Mattis, würde an „sowjetähnliche Zurschaustellungen autoritärer Macht“ erinnern. Sein Widerstand war so unerbittlich, dass er intern gesagt haben soll, er würde „lieber Säure schlucken“.

Dieser Widerstand der „Trump 1.0“-Pentagonführung ist inzwischen gebrochen. Die Quellen beschreiben ein verändertes Klima, in dem „Loyalisten“ das Sagen haben und die militärische Führung „williger“ ist, den Wünschen des Präsidenten nachzukommen. Ein Kommentator der New York Times formulierte es drastisch: „Diese Leitplanke ist verschwunden“. Diese Entwicklung markiert eine signifikante Verschiebung in den amerikanischen zivil-militärischen Beziehungen. Die Parade wird so auch zu einem Symbol für den Erfolg des Präsidenten, die Hierarchien des Verteidigungsministeriums nach seinem Willen zu formen. Die Veranstaltung bricht zudem mit der amerikanischen Tradition. Große Siegesparaden fanden historisch nach dem Ende großer Konflikte statt, wie nach dem Bürgerkrieg, den beiden Weltkriegen oder dem ersten Golfkrieg 1991. Selbst der 200. Geburtstag der Army im Jahr 1975, überschattet vom Vietnamkrieg und den Kent-State-Schießereien, wurde bewusst dezentral und ohne große Parade in Washington begangen.

Millionen für den Marsch: Kosten, Kollateralschäden und eine umstrittene Rechtfertigung

Die Symbolik der Parade wird von einer handfesten Debatte über ihre Kosten und Konsequenzen begleitet. Die Schätzungen allein für den Beitrag der Army belaufen sich auf 25 bis 45 Millionen US-Dollar. Diese Summe könnte weiter steigen, da die Army versprochen hat, für alle Schäden an den Straßen aufzukommen – eine große Sorge für die Stadtverwaltung. Kritiker stellen diese Ausgaben in den Kontext eines Haushalts, in dem die Trump-Regierung gleichzeitig Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und öffentlicher Daseinsvorsorge anstrebt. Eine regierungskritische republikanische Gruppe fragte auf X (ehemals Twitter) anklagend: „Krebsforschung kürzen, während man Geld hierfür verschwendet? Schändlich“. Die Befürworter wischen solche Bedenken beiseite. Trump selbst nannte die Kosten „Peanuts im Vergleich zum Wert der Sache“. Ein Army-Sprecher argumentierte, die Summe werde „von 250 Jahren des Dienstes und Opfers der amerikanischen Army in den Schatten gestellt“.

Über die Kosten hinaus verursacht die Parade massive logistische Störungen in der Hauptstadtregion. Der Flugverkehr am Ronald Reagan National Airport (DCA) wird für mehrere Stunden komplett eingestellt, um die Flyover und ein Feuerwerk zu ermöglichen. Luftfahrtexperten bezeichnen diese Unterbrechung als „ungewöhnlich störend“ und weitaus signifikanter als bei anderen Großereignissen wie Amtseinführungen. Über 600 Flüge sind betroffen, was zu stundenlangen Verspätungen und Umbuchungen für zehntausende Passagiere führt. Auch Wasserwege wie der Potomac River werden aus Sicherheitsgründen gesperrt. Um die rund 5.000 teilnehmenden Soldaten unterzubringen, die auf Feldbetten in Bürogebäuden der Regierung schlafen werden, wurden Bundesangestellte ins Homeoffice geschickt.

Trotz dieser massiven Kritik gibt es eine gewichtige Gegenstimme, die für die Parade argumentiert. Die Analystin Kori Schake vom American Enterprise Institute vertritt die These, dass eine solche Zurschaustellung in der heutigen Zeit nützlich sein könnte. Angesichts der dramatischen Rekrutierungsprobleme – 2023 verfehlten Army und Navy ihre Ziele um 41.000 Rekruten, und 77 % der amerikanischen Jugend sind für den Dienst untauglich – könnte eine Parade das Militär wieder sichtbarer machen. Sie biete die Chance, Vorurteile abzubauen und den Bürgern eine Verbindung zu jenen weniger als 0,5 % der Bevölkerung herzustellen, die in den Streitkräften dienen. In einer Zeit, in der Patriotismus laut Umfragen an Bedeutung verliert, könne eine patriotische Feier positive Impulse setzen und die Entfremdung zwischen Volk und Armee überwinden.

Am Ende bleibt jedoch eine unauflösbare Spannung. Die Parade am 14. Juni wird stattfinden, und sie wird zweifellos beeindruckende Bilder produzieren. Doch die Debatte hat gezeigt, dass die marschierenden Soldaten und die rollenden Panzer eine tiefere Geschichte erzählen. Es ist die Geschichte eines Präsidenten, der es versteht, die Symbole der Nation für seine Zwecke zu nutzen, und die Geschichte eines Militärs, das sich in seiner Rolle neu definieren muss. Wenn die Panzer über die Constitution Avenue rollen, bewegen sie mehr als nur ihr eigenes Gewicht. Sie bewegen die traditionellen Grenzen der amerikanischen Politik und hinterlassen Spuren, die weit über den beschädigten Asphalt hinausreichen werden.

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