
Die Nachricht schlug ein wie ein längst befürchteter Paukenschlag: Die Trump-Administration hat die Einreisebestimmungen in die Vereinigten Staaten erneut drastisch verschärft. Bürger aus zwölf Ländern sehen sich mit einem vollständigen Einreiseverbot konfrontiert, sieben weitere Nationen sind von teils massiven Beschränkungen betroffen. Gleichzeitig gerät die renommierte Harvard Universität ins Visier: Internationalen Studierenden soll die Einreise verwehrt oder zumindest erschwert werden. Die offiziellen Begründungen klingen vertraut: Nationale Sicherheit, mangelnde Kooperation der Herkunftsländer bei der Überprüfung von Staatsbürgern und die Notwendigkeit, auf angebliche antisemitische Tendenzen und Sicherheitsrisiken – speziell in Harvard – zu reagieren. Doch die Kritik an diesen Maßnahmen ist laut und fundamental, spricht von „politischem Theater“, einer Neuauflage des berüchtigten „Muslim Ban“ und fadenscheinigen Argumenten. Eine Analyse der neuen, alten Abschottungspolitik.
Nationale Sicherheit als Allzweckwaffe: Die fadenscheinigen Gründe für eine erweiterte Verbotsliste
Die Liste der betroffenen Länder ist lang und heterogen: Afghanistan, Myanmar, Tschad, die Republik Kongo, Äquatorialguinea, Eritrea, Haiti, Iran, Libyen, Somalia, Sudan und Jemen unterliegen einem vollständigen Einreiseverbot. Teilweise Restriktionen gelten für Burundi, Kuba, Laos, Sierra Leone, Togo, Turkmenistan und Venezuela. Als Hauptgründe für diese Auswahl nennt die Trump-Regierung eine unzureichende Sicherheitsüberprüfung bei der Ausstellung von Reisedokumenten in den Herkunftsländern und eine hohe Rate von Bürgern, die ihre Visa in den USA überziehen. Einige Länder, wie Afghanistan, Libyen, Sudan, Somalia und Jemen, werden als Staaten ohne „kompetente“ zentrale Behörden für Passwesen und Überprüfungen eingestuft. Der Iran wird explizit als „staatlicher Finanzier des Terrorismus“ und als „Quelle bedeutender terroristischer Aktivitäten auf der ganzen Welt“ bezeichnet, der zudem die Zusammenarbeit mit den USA bei der Identifizierung von Sicherheitsrisiken verweigere. Für Haiti wird angeführt, dass unter der Vorgängerregierung Biden Hunderttausende „illegale Migranten“ die USA „geflutet“ hätten.

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Diese Begründungen wirken jedoch im Licht der Kritik wenig überzeugend. Menschenrechtsorganisationen und politische Gegner sehen darin weniger eine kohärente Sicherheitsstrategie als vielmehr „politisches Theater“ und eine diskriminierende Maßnahme, die an den früheren „Muslim Ban“ erinnert. Die Argumentation erscheint besonders dann fadenscheinig, wenn man die Diskrepanz im Fall Ägyptens betrachtet: Der mutmaßliche Attentäter von Boulder, dessen Tat medial als Auslöser für die Verschärfungen präsentiert wird, war ägyptischer Staatsbürger. Ägypten selbst findet sich jedoch nicht auf der Verbotsliste. Diese Inkonsistenz nährt den Verdacht, dass die Auswahl der Länder weniger auf objektiven Sicherheitskriterien als auf politischen Erwägungen oder gar Vorurteilen beruht. Kritiker werfen der Administration vor, die Einreiseverbote seien „nicht auf die nationale Sicherheit ausgerichtet – es geht um politisches Theater“ und würden „Rassen, Religionen und Ideen bestrafen, die [dem Präsidenten] nicht gefallen“.
Der Boulder-Vorfall: Tragödie als politisches Kapital?
Auffällig ist die prominente Verknüpfung der neuen Einreiseverbote mit einem gewalttätigen Angriff auf jüdische Demonstranten in Boulder, Colorado, bei dem ein Dutzend Menschen verletzt wurden. Präsident Trump selbst erklärte in einer Videobotschaft, dieser Vorfall unterstreiche die „extremen Gefahren“, die von nicht ordnungsgemäß überprüften Ausländern und solchen, die ihre Visa überziehen, ausgingen. „Wir wollen sie nicht“, so die unmissverständliche Botschaft.
Kritiker sehen in dieser Argumentation jedoch eine zynische Instrumentalisierung einer Tragödie. Shawn VanDiver von #AfghanEvac, einer Organisation, die sich für afghanische Flüchtlinge einsetzt, bezeichnete das Vorgehen als „Opportunismus“ und deutete an, die Administration habe die Politik bereits seit Wochen vorbereitet und auf einen Moment öffentlicher Trauer und Angst gewartet, um sie mit maximaler politischer Deckung zu veröffentlichen. „Nennen wir es, was es ist: ein zweiter Muslim-Bann, verkleidet in Bürokratie und übereilt nach einer Tragödie herausgebracht, um seine Absicht zu verschleiern“, so VanDiver. Dass der Attentäter von Boulder Ägypter war und Ägypten nicht auf der Liste steht, verstärkt den Eindruck, dass der Anschlag eher als willkommener Anlass denn als tatsächlicher Auslöser für die bereits geplante Verschärfung der Einwanderungspolitik dient.
Im Schatten des Supreme Court: Das juristische Tauziehen hat begonnen
Die aktuellen Einreiseverbote sind nicht der erste Versuch der Trump-Administration, die Einwanderung in die USA drastisch zu beschränken. Bereits während seiner ersten Amtszeit (2017-2021) hatte Trump einen ähnlichen Erlass, den sogenannten „Muslim Ban“, verfügt, der sich primär gegen Bürger aus mehrheitlich muslimischen Ländern richtete. Dieser führte damals zu Chaos an Flughäfen, massiven Protesten und zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen. Nach mehreren Niederlagen vor Gericht wurde eine überarbeitete dritte Version des Verbots im Juni 2018 schließlich vom Obersten Gerichtshof der USA bestätigt. Diese Version umfasste auch nicht-muslimische Länder wie Nordkorea und Venezuela, was als Versuch gewertet wurde, den Vorwurf der religiösen Diskriminierung zu entkräften. Präsident Joe Biden hob das Dekret dann an seinem ersten Amtstag im Januar 2021 auf.
Das neue Verbot weist deutliche Parallelen zu den früheren auf: Wieder sind mehrheitlich muslimische Länder betroffen, wieder wird mit nationaler Sicherheit argumentiert, und wieder ist mit rechtlichem Widerstand zu rechnen. Ein signifikanter Unterschied könnte jedoch in der juristischen Vorbereitung liegen. Die Administration scheint aus den früheren juristischen Schlachten gelernt zu haben. Die jetzige Verordnung wurde nicht überstürzt erlassen, sondern durch ein Gutachten des Außenministeriums vorbereitet und die Gründe für die Aufnahme jedes einzelnen Landes detaillierter dargelegt. Rechtsexperten gehen davon aus, dass die Administration aufgrund der Supreme Court-Entscheidung von 2018 juristisch auf stärkerem Fundament steht als zuvor. Stephen Vladeck, Rechtsprofessor an der Georgetown University, merkte an, dass die monatelange Vorbereitung und die Bandbreite der einbezogenen Länder das Verbot weniger angreifbar machten als die früheren Versionen. Dennoch erwarten Anwälte für Einwanderungsrecht Klagen, da unklar sei, ob die Administration eine ausreichende Rechtfertigung für die Ausweitung eines bereits umfassenden Einreiseverbots dargelegt habe. Die International Refugee Assistance Project, die bereits 2017 gegen das erste Einreiseverbot geklagt hatte, bezeichnete die neue Proklamation als ein weiteres Beispiel dafür, dass der Präsident Einwanderungs- und nationale Sicherheitsgesetze verspotte, um unliebsame Ethnien, Religionen und Ideen zu bestrafen.
Die konkreten Auswirkungen für die Bürger der betroffenen Länder dürften erheblich sein. Bereits das erste Einreiseverbot führte zu einem durchschnittlichen Rückgang der Visaerteilungen um 72 Prozent für Staatsangehörige der betroffenen Länder zwischen den Fiskaljahren 2017 und 2018. Familien wurden getrennt, Menschen in Unsicherheit gestürzt. Die neuen, erweiterten Verbote werden diese Probleme potenziell verschärfen. Betroffen sind nicht nur potenzielle Einwanderer, sondern auch Personen, die als Touristen oder Studenten in die USA reisen wollten, da etwa für die sieben nur teilweise beschränkten Länder die Vergabe von Touristen- und Studentenvisa ausgesetzt wird und kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erworben werden kann. Ausnahmen sind zwar vorgesehen, beispielsweise für Inhaber einer Green Card, bestehende Visainhaber, bestimmte Athleten für Großveranstaltungen wie die Fußball-WM 2026, anerkannte Flüchtlinge sowie Afghanen, die für die US-Regierung gearbeitet haben und unter ein spezielles Visaprogramm fallen. Auch Iraner, die aufgrund religiöser Verfolgung fliehen, sind ausgenommen. Dennoch bleibt für viele die Tür in die USA verschlossen. Mark Hetfield von der Flüchtlingshilfsorganisation HIAS äußerte die Sorge, dass gerade die Länder auf der Liste solche seien, die Flüchtlinge produzieren, an deren Aufnahme die USA ein Interesse haben könnten, da es sich oft um Staaten handelt, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit missachten.
Harvard im Visier: Ein Exempel an der Elite?
Parallel zu den breit angelegten Einreiseverboten hat die Trump-Administration eine spezifische Proklamation erlassen, die sich gezielt gegen internationale Studierende und Forschende der Harvard Universität richtet. Diesen soll die Einreise zur Aufnahme eines Studiums oder zur Teilnahme an Austauschprogrammen verwehrt werden; zudem wird das Außenministerium angewiesen, die Aufhebung bestehender Visa für Harvard-Angehörige zu prüfen. Die offizielle Begründung lautet, Harvards Verhalten habe die Universität zu einem „ungeeigneten Zielort für ausländische Studenten und Forscher“ gemacht und die Einreise dieser Personen sei „schädlich für die Interessen der Vereinigten Staaten“. Konkret wird Harvard vorgeworfen, „anti-amerikanische, pro-terroristische“ Ausländer zugelassen zu haben, die andere belästigt und das Lernumfeld gestört hätten. Zudem habe die Universität nur unzureichend Daten zu Disziplinarmaßnahmen gegen ausländische Studierende geliefert. Die Maßnahme soll zunächst für sechs Monate gelten.
Harvard weist diese Vorwürfe scharf zurück und bezeichnet die Proklamation als „weiteren illegalen Vergeltungsschritt“ und eine Verletzung der Rechte aus dem Ersten Verfassungszusatz. Die Universität kündigte an, ihre internationalen Studierenden weiterhin schützen zu wollen. Der Konflikt zwischen der Trump-Regierung und Harvard schwelt bereits seit Längerem. Die Administration wirft der Eliteuniversität vor, eine „antisemitische, linksextreme Institution“ zu sein, und begründet dies unter anderem mit propalästinensischen Demonstrationen auf dem Campus. Harvard hingegen sieht sich als Opfer einer Kampagne, weil es sich weigert, seine akademische Unabhängigkeit aufzugeben und Diversitätsprogramme abzuschaffen. Bereits vor der aktuellen Proklamation hatte die Regierung Harvard Bundeszuschüsse in Milliardenhöhe gestrichen oder deren Überprüfung angekündigt, Forschungsveträge gekündigt und mit der Aberkennung der Steuerbefreiung gedroht. Die spezifischen Einreisebeschränkungen für Harvard-Studierende erscheinen somit weniger als isolierte Sicherheitsmaßnahme, sondern vielmehr als Eskalation in einer umfassenderen Auseinandersetzung, in der die Universität zur Hauptzielscheibe des Präsidenten geworden ist. Experten wie David Super von der Georgetown University vermuten eine persönliche „Vendetta“ des Präsidenten gegen Harvard, die wenig mit nationaler Sicherheit zu tun habe.
Die langfristigen Konsequenzen dieser Politik könnten gravierend sein. Eine erneute Verschärfung der Einwanderungsbestimmungen und gezielte Maßnahmen gegen eine der weltweit führenden Universitäten dürften das internationale Ansehen der USA weiter beschädigen. Es stellt sich die Frage, ob die USA unter diesen Umständen ihre Attraktivität für internationale Talente, Wissenschaftler und Schutzsuchende aufrechterhalten können. Die Verunsicherung unter internationalen Studierenden ist bereits jetzt groß.
Hinsichtlich der Dynamik der Verbotsliste erklärte Präsident Trump, dass Länder von der Liste gestrichen werden könnten, wenn sie „wesentliche Verbesserungen“ bei ihren eigenen Überprüfungsverfahren nachweisen. Umgekehrt könnten aber auch „neue Länder hinzugefügt werden, wenn Bedrohungen auf der ganzen Welt entstehen“. Wie transparent und nachvollziehbar dieser Prozess in der Praxis sein wird, bleibt abzuwarten. Die Erfahrungen mit den früheren Einreiseverboten, bei denen Länder hinzugefügt oder entfernt wurden, lassen jedoch eine gewisse Willkürlichkeit und politische Motivation vermuten, die über rein sicherheitstechnische Kriterien hinausgeht.
Letztlich zeichnet sich das Bild einer Politik, die auf altbekannte Muster zurückgreift: Eine Rhetorik der nationalen Bedrohung, die selektive Auswahl von Sündenböcken und die Instrumentalisierung von Einzelschicksalen für eine breitere politische Agenda. Ob diese Strategie den USA tatsächlich mehr Sicherheit bringt oder primär innenpolitischen Zielen dient und dabei erheblichen Kollateralschaden im In- und Ausland verursacht, wird die Zukunft zeigen müssen. Die juristischen und politischen Auseinandersetzungen haben gerade erst begonnen.