Trumps Handelskrieg fordert seinen Tribut: Der amerikanische Job-Motor gerät ins Stottern

Illustration: KI-generiert

Es gibt Momente, in denen eine einzelne Zahl eine ganze Erzählung zum Einsturz bringen kann. Der US-Arbeitsmarktbericht für Juli war ein solcher Moment. Es war nicht nur die enttäuschend niedrige Zahl von 73.000 neu geschaffenen Stellen, die die Finanzmärkte weltweit erzittern ließ. Es war der Blick in den Rückspiegel, der den wahren Schock offenbarte: Eine massive Abwärtskorrektur strich über eine Viertelmillion zuvor gemeldeter Jobs aus den Monaten Mai und Juni aus den Büchern. Mit einem Mal löste sich die beruhigende Fassade einer robusten, allen Stürmen trotzenden US-Wirtschaft auf und legte eine beunruhigende Realität frei. Die Daten sind mehr als nur eine statistische Korrektur; sie sind das erste unübersehbare Symptom einer Krankheit, deren Ursache hausgemacht ist. Sie zeigen, dass der erratische Handels- und Zollkrieg, den Präsident Donald Trump gegen den Rest der Welt führt, kein abstraktes politisches Manöver mehr ist, sondern eine Kraft, die Amerikas wirtschaftliche Lebensader direkt angreift und die Entscheidungsfreude von Unternehmen lähmt.

Die Anatomie einer fragilen Wirtschaft

Schaut man hinter die Schlagzeilen, wird das Ausmaß der Schieflage erst richtig deutlich. Die amerikanische Wirtschaft steht nicht mehr auf zwei gesunden Beinen; sie balanciert gefährlich auf einem einzigen. Während der Gesundheits- und Sozialsektor im Juli beinahe den gesamten Nettozuwachs an Arbeitsplätzen für sich verbuchen konnte, brachen andere, für die Konjunktur entscheidende Bereiche, regelrecht ein. Allen voran die Industrie, das erklärte Lieblingskind der Trump’schen „America First“-Rhetorik, verliert seit Monaten kontinuierlich an Arbeitsplätzen. Die Zölle, die eigentlich als Schutzschild für die heimische Produktion gedacht waren, wirken nun wie ein Bumerang: Sie verteuern importierte Vorprodukte, belasten die Bilanzen und machen Neueinstellungen zu einem unkalkulierbaren Risiko. Auch der Dienstleistungssektor und sogar die Bundesregierung selbst bauen Stellen ab.

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Diese extreme Konzentration des Wachstums auf einen einzigen Sektor malt das Bild einer zutiefst anfälligen Ökonomie. Der Arbeitsmarkt ist nicht nur abgekühlt; seine Basis ist erodiert und macht ihn verletzlich für den nächsten wirtschaftlichen Schock. Die Verunsicherung, die durch die sprunghafte Handelspolitik gesät wird, hat die Chefetagen der Unternehmen erreicht und führt dort zu einer Art strategischer Paralyse. Verschärft wird dieser Druck durch eine restriktive Einwanderungspolitik, die das Angebot an Arbeitskräften zusätzlich verknappt und so das Wachstumspotenzial der Wirtschaft von einer weiteren Seite einschränkt.

Die Notenbank im Auge des Sturms

Nirgendwo schlugen die Wellen des Juli-Berichts höher als im Marmorpalast der US-Notenbank Federal Reserve. Monatelang hatte ihr Vorsitzender, Jerome Powell, dem immensen politischen Druck aus dem Weißen Haus standgehalten und eine Zinssenkung mit dem Verweis auf den vermeintlich „soliden“ Arbeitsmarkt aufgeschoben. Diese Argumentationslinie liegt nun in Trümmern. Der Bericht entzieht der abwartenden Haltung der Fed die Grundlage und rückt sie ins Zentrum eines politischen und ökonomischen Sturms.

Der Konflikt, der innerhalb der Notenbank schon länger schwelte, tritt nun offen zutage. Zwei Gouverneure, Christopher Waller und Michelle Bowman, hatten bereits bei der letzten Sitzung gegen die Entscheidung gestimmt, die Zinsen stabil zu halten. Sie warnten vor den „Abwärtsrisiken“ für den Arbeitsmarkt und plädierten für eine präventive Zinssenkung. Ihre damalige Minderheitenmeinung liest sich heute wie eine prophetische Analyse der Lage. Der Druck auf Powell, ihren Kurs nun einzuschlagen, ist enorm gestiegen, und die Märkte preisen eine Zinssenkung im September bereits fest ein. Gleichzeitig wird die Fed von Präsident Trump, der Powell als „Katastrophe“ beschimpft, öffentlich unter Feuer genommen. Es ist ein toxisches Gemisch, in dem die Unabhängigkeit der Geldpolitik auf eine harte Probe gestellt wird, während die wirtschaftlichen Risiken täglich wachsen.

Ein Flächenbrand mit globalen Folgen

Die Erschütterungen aus Washington haben längst die ganze Welt erfasst. Trumps Handelskrieg hat die globalen Lieferketten durcheinandergewirbelt und die Finanzmärkte in einen Zustand permanenter Nervosität versetzt. Die Kombination aus schwachen Job-Daten und der gleichzeitigen Verhängung neuer, weitreichender Zölle gegen Dutzende Handelspartner löste an den Börsen von New York über Frankfurt bis Tokio eine unmittelbare Flucht aus dem Risiko aus.

Die Auswirkungen sind für die betroffenen Länder dabei höchst unterschiedlich und oft paradox. Während Nationen wie Bangladesch oder Kambodscha aufatmen, weil die finalen Zölle niedriger ausfallen als befürchtet, fühlen sich traditionelle Verbündete wie Kanada vor den Kopf gestoßen. Indien, das von Trump lange als Freund umworben wurde, sieht sich mit hohen Zöllen konfrontiert und entwickelt ein tiefes Misstrauen gegenüber der amerikanischen Verlässlichkeit. Die Schweiz, eine Hochburg der Präzision und Stabilität, ist fassungslos über einen Strafzoll von 39 Prozent, der ihre Schlüsselindustrien bedroht. Besonders brisant ist die neue Strategie gegen China: Mit Zöllen auf sogenannte „Transshipments“ – also Waren, die über Drittländer in die USA gelangen – wird versucht, das Reich der Mitte systematisch aus den globalen Wertschöpfungsketten zu drängen. Dies ist ein langfristiges Manöver mit dem Potenzial, die Weltwirtschaft fundamental umzugestalten.

Was der Juli-Bericht somit in aller Deutlichkeit zeigt, ist die schmerzhafte Kollision einer ideologisch getriebenen Politik mit der ökonomischen Realität. Die Vorstellung, man könne einen Handelskrieg führen, ohne dass die eigene Wirtschaft Schaden nimmt, ist als Illusion entlarvt. Der amerikanische Job-Motor, lange die zuverlässige Kraftquelle der Weltwirtschaft, zeigt erste Anzeichen von Materialermüdung. Und die Welt blickt besorgt auf den Fahrer, der das Gaspedal mit dem der Bremse zu verwechseln scheint.

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