Trumps gefährliches Spiel: Warum der Schattenkrieg vor Venezuela in einer Katastrophe enden könnte

Illustration: KI-generiert

Vor der Küste Venezuelas, im trägen, sonnenwarmen Wasser der Karibik, zieht sich ein stählerner Vorhang zusammen. Drei Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse, schwimmende Festungen mit mehr als 90 Raketen an Bord, haben Position bezogen. Begleitet werden sie von einer amphibischen Angriffsgruppe mit 4.500 Seeleuten, 2.200 Marines, Überwachungsflugzeugen und sogar einem U-Boot. Es ist eine Armada, die für einen ausgewachsenen Krieg konzipiert wurde, nicht für eine simple Polizeiaktion. Offiziell, so heißt es aus dem Weißen Haus unter Präsident Donald Trump, ist dies der Beginn einer neuen, harten Offensive gegen die lateinamerikanischen Drogenkartelle, die Amerikas Städte mit Fentanyl vergiften.

Doch blickt man hinter diese Kulisse aus offiziellen Verlautbarungen, entfaltet sich ein gänzlich anderes Bild – eine Erzählung, die von historischen Geistern, rechtlichen Grauzonen und geopolitischem Kalkül durchdrungen ist. Die Operation, die als gezielter Schlag gegen den Drogenhandel getarnt ist, trägt alle Züge einer hochriskanten Machtdemonstration, die auf einen Regimewechsel in Caracas abzielt. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, das auf einer Kette von Widersprüchen, fragwürdigen Beweisen und einer tiefen historischen Last aufgebaut ist. Die zentrale, beunruhigende Frage lautet daher nicht, ob die USA gegen Drogenkartelle vorgehen, sondern warum sie dafür eine Streitmacht aufbieten, die einen Staat vom Angesicht der Erde tilgen könnte. Die Antwort darauf ist ein komplexes Mosaik, dessen Teile ein Bild von imperialer Ambition, strategischer Unberechenbarkeit und der realen Gefahr einer unkontrollierbaren Eskalation zeichnen.

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Ein Krieg gegen Drogen, der keiner ist

Die offizielle Begründung der Trump-Administration für diesen massiven Militäraufbau wirkt bei näherer Betrachtung so dünn wie das Deckblatt eines geheimen Dossiers. Man wolle den Transport von Fentanyl in die USA unterbinden, heißt es. Doch Experten für globale Drogenpolitik sind sich einig: Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass in Venezuela oder der umliegenden Region Fentanyl in nennenswertem Umfang produziert wird. Das Land dient seit Langem als Transitland im Kokainhandel, aber die Verbindung zum Opioid, das die Krise in den USA befeuert, ist konstruiert. Diese offensichtliche Diskrepanz zwischen Rhetorik und Realität ist der erste Riss in der Fassade der US-Strategie.

Vielsagender ist die Art der militärischen Mittel. Lenkwaffenzerstörer wie die USS Gravely oder die USS Jason Dunham sind Hightech-Kriegsmaschinen, ausgestattet für den Kampf gegen feindliche Flugzeuge, U-Boote und ballistische Raketen. Sie an die Küste Venezuelas zu entsenden, um Schmugglerboote zu jagen, ist, wie ein Pentagon-Insider es treffend formulierte, als würde man „eine Haubitze zu einem Messerkampf mitbringen“. Diese unverhältnismäßige Machtdemonstration deutet darauf hin, dass die Drogenboote allenfalls ein Vorwand sind. Das eigentliche Ziel ist, so die Einschätzung von Militärexperten wie dem pensionierten Admiral James Stavridis, die Fähigkeit zum Landangriff mittels Tomahawk-Marschflugkörpern zu demonstrieren – eine direkte und unmissverständliche Drohung gegen die staatliche Infrastruktur Venezuelas und seinen Präsidenten Nicolás Maduro.

Die Trump-Administration untermauert diese Drohkulisse mit einer aggressiven Rhetorik, die Maduro nicht mehr als Staatschef, sondern als Anführer eines „Narko-Terror-Kartells“ bezeichnet. Gekrönt wird dies durch die Verdopplung des Kopfgeldes für seine Ergreifung auf die schwindelerregende Summe von 50 Millionen Dollar. Damit wird Maduro symbolisch aus der Sphäre der internationalen Diplomatie in die der organisierten Kriminalität verschoben – ein rhetorischer Schachzug, der eine militärische Lösung als quasi-polizeiliche Maßnahme legitimieren soll. Die Geheimhaltung der genauen Operationspläne, selbst innerhalb der US-Regierung, verstärkt den Eindruck, dass hier eine kleine Gruppe von Entscheidungsträgern einen Kurs verfolgt, dessen Endziel bewusst im Dunkeln gelassen wird.

Die Geister der Monroe-Doktrin

Die Entsendung von Kriegsschiffen in die Karibik weckt in ganz Lateinamerika unweigerlich die Geister der Vergangenheit. Es ist, als würde der Schatten der Monroe-Doktrin aus dem 19. Jahrhundert, jener außenpolitischen Leitlinie, die den USA quasi ein Interventionsrecht in ihrer Hemisphäre zusprach, erneut über den Kontinent fallen. Diese Politik, die lange als Relikt des Kalten Krieges galt, erlebt unter Trump eine unheimliche Wiedergeburt. Die Erinnerungen an unzählige US-Interventionen – ob direkte militärische Invasionen oder verdeckte Operationen zur Unterstützung von Putschen – sind tief im kollektiven Gedächtnis der Region verankert.

Die Liste ist lang und schmerzhaft: der von der CIA unterstützte Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten in Guatemala 1954 zum Schutz der Interessen der United Fruit Company; die wiederholten Besetzungen Haitis, Nicaraguas und der Dominikanischen Republik im frühen 20. Jahrhundert; die Unterstützung der Militärdiktaturen in Chile und Brasilien. Jede dieser Interventionen hinterließ Traumata und ein tiefes Misstrauen gegenüber den Motiven Washingtons.

Besonders präsent ist das Beispiel der Invasion in Panama 1989. Damals schickte die Regierung von George H. W. Bush über 20.000 Soldaten, um den Machthaber Manuel Noriega festzunehmen, der ebenfalls in den USA wegen Drogenhandels angeklagt war. Diese Operation, zynisch „Just Cause“ (Gerechte Sache) genannt, dient heute vielen als Blaupause für ein mögliches Vorgehen gegen Maduro. Die Parallelen sind frappierend: ein unliebsamer Staatschef, der zum Drogenhändler deklariert wird, um eine militärische Intervention zu rechtfertigen.

Diese historische Last erklärt die scharfe und unmittelbare Reaktion anderer regionaler Akteure. Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum hat unmissverständlich klargestellt, dass sie keinerlei „Invasion“ oder Präsenz von US-Truppen auf ihrem Territorium dulden wird. Selbst in Ländern wie Ecuador, die selbst unter brutalen Drogenkriegen leiden, ist die Ablehnung einer ausländischen Militärpräsenz groß. Man fürchtet, dass die USA, wie schon so oft, eine korrupte, aber pro-amerikanische Elite an die Macht bringen und das Land im Chaos zurücklassen. Maduros Verbündete, insbesondere Russland und China, nutzen diese Stimmung geschickt, um die USA als imperialistischen Aggressor darzustellen und ihre eigene Unterstützung für Caracas zu legitimieren.

Das Recht als Waffe: Eine gefährliche Neudefinition

Um die militärische Option zu ermöglichen, greift die Trump-Administration zu einer Reihe von juristischen Manövern, die die Grenzen zwischen Strafverfolgung und Kriegsführung systematisch verschwimmen lassen. Der entscheidende Schritt ist die offizielle Einstufung lateinamerikanischer Kartelle, darunter die venezolanische Bande Tren de Aragua, als „ausländische Terrororganisationen“. Diese Klassifizierung ist normalerweise Gruppen wie Al-Qaida oder dem Islamischen Staat vorbehalten, die politische Ziele mit Gewalt verfolgen. Ihre Anwendung auf profitorientierte kriminelle Organisationen ist eine radikale Neuerung mit weitreichenden Konsequenzen.

Rechtlich erlaubt die Terror-Einstufung den USA, ganz andere Instrumente einzusetzen. An die Stelle von Polizei und Justiz treten Geheimdienste und das Militär. Die Regeln des Engagements ändern sich dramatisch: Auf einem Schlachtfeld dürfen feindliche Kombattanten getötet werden, auch wenn sie im Moment keine direkte Bedrohung darstellen – ein Vorgehen, das im Rahmen der Strafverfolgung als Mord gelten würde. Dieser juristische Kniff schafft die Grundlage, um militärische Schläge gegen vermeintliche Kartellmitglieder ohne rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen. Es ist eine Entwicklung, die von Rechtsexperten scharf kritisiert wird, da der Kongress kein Mandat für einen Krieg gegen diese Gruppen erteilt hat.

Flankiert wird diese Strategie durch die Reaktivierung obskurer Gesetze und die Ausweitung der Überwachung. So wurde der „Alien Enemies Act“ von 1798, ein Gesetz aus Kriegszeiten, das seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr angewendet wurde, bemüht, um mutmaßliche Mitglieder von Tren de Aragua ohne ordentliches Verfahren in ein berüchtigtes Gefängnis in El Salvador zu deportieren. Ein Bundesrichter bemerkte, dass die Betroffenen weniger rechtsstaatlichen Schutz erhielten als mutmaßliche Nazi-Kriegsverbrecher. Gleichzeitig wurde das Überwachungsprogramm der NSA ohne richterliche Anordnung (Section 702) auf die internationale Drogenbekämpfung ausgeweitet, was eine massive Ausweitung der staatlichen Schnüffelbefugnisse bedeutet. All dies deutet auf den Aufbau eines rechtlichen Arsenals hin, das für einen unkonventionellen, nicht erklärten Krieg konzipiert ist.

Washingtons doppeltes Spiel: Zwischen humanitärer Rhetorik und harter Realität

Die vielleicht größte und tragischste Ironie der US-Politik gegenüber Venezuela liegt in ihrem fundamentalen Widerspruch. Einerseits positioniert sich die Trump-Administration als standhafter Verbündeter des venezolanischen Volkes und als scharfer Kritiker des autoritären Maduro-Regimes. Außenminister Marco Rubio preist die Oppositionsführerin María Corina Machado für ihren „unglaublichen Mut“ und feiert die Extraktion ihrer Berater aus Caracas als heldenhafte Rettungsaktion.

Andererseits führt dieselbe Regierung eine Politik, die genau jene Menschen bestraft, die sie zu verteidigen vorgibt. Ein im Juni erlassenes Dekret weitete die Reisebeschränkungen für Venezolaner drastisch aus und schloss quasi alle Visa-Kategorien ein, von Touristen bis zu Studenten. Diese Politik macht es für Menschen, die vor Maduros Repression fliehen, praktisch unmöglich, in den USA Zuflucht zu finden. Gleichzeitig haben Kürzungen bei der US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID) dazu geführt, dass etwa 60 Prozent der NGOs in Venezuela ihre Arbeit einstellen mussten – darunter Suppenküchen, Notunterkünfte und humanitäre Organisationen, die für das Überleben vieler Menschen entscheidend sind.

Die USA schneiden also den Menschen, die im Land gefangen sind, die Hilfe ab und verwehren denen, die es herausschaffen, den Schutz. Dieser widersprüchliche Ansatz, als „humanitärer Anführer“ aufzutreten, während man faktisch zum „Komplizen der Krise“ wird, ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch strategisch kontraproduktiv. Er liefert Maduro die perfekte Propagandawaffe. Er kann die USA als heuchlerisch darstellen und gleichzeitig die Notlage seines Volkes, die durch die US-Sanktionen und Hilfskürzungen verschärft wird, als Beweis für die Aggression des „Gringo-Imperiums“ anführen. Das Ergebnis ist eine verheerende Doppelbindung für die Venezolaner: Sie werden von ihrer eigenen Regierung terrorisiert und von der internationalen Gemeinschaft, die ihnen Schutz verspricht, im Stich gelassen.

Im Wartesaal der Geschichte: Venezuelas zerrissene Seele

Während vor der Küste die Kriegsschiffe kreuzen, herrscht in Venezuela selbst eine toxische Mischung aus Zynismus und verzweifelter Sehnsucht. Jahrelang haben Gerüchte über eine bevorstehende US-Invasion die Runde gemacht, angefacht durch gescheiterte, von Washington unterstützte Versuche, Maduro zu stürzen. Der Aufstandsversuch des Oppositionsführers Juan Guaidó im Jahr 2019, der im Nichts verpuffte, oder der dilettantische Putschversuch eines ehemaligen US-Green-Berets 2020 haben tiefe Spuren hinterlassen.

Die Folge ist eine weitverbreitete Skepsis. „Wir glauben niemandem mehr, weder hier noch dort“, fasst ein Fahrer aus der Stadt Valencia die Stimmung zusammen. Die Menschen haben zu oft gehört, dass die „Marines kommen“, nur um dann zu sehen, dass nichts passiert. Diese Apathie ist eine der stärksten Waffen Maduros.

Gleichzeitig gibt es jedoch eine andere, leisere Strömung: die stille Hoffnung, dass der äußere Druck endlich das Ende des Regimes herbeiführen könnte. Unter dem Schutz der Anonymität äußern einige Venezolaner den Wunsch, Trump möge Maduro endlich absetzen, so wie es in Panama mit Noriega geschah. Es ist die Verzweiflung von Menschen, die in einem kollabierten Staat leben, der von politischer Repression, Hyperinflation und einer humanitären Katastrophe gezeichnet ist, die seit Maduros Machtübernahme fast acht Millionen Menschen ins Exil getrieben hat.

Maduro selbst nutzt die amerikanische Drohkulisse meisterhaft für seine eigenen Zwecke. Jede aggressive Äußerung aus Washington wird von den staatlichen Medien aufgegriffen und als Beweis für einen imperialistischen Angriff inszeniert. Als Reaktion auf den US-Aufmarsch kündigte er die Mobilisierung von 4,5 Millionen Milizionären an – eine Zahl, die zwar als absurd hoch und reine Propaganda gilt, aber dennoch ein klares Signal der nationalen Verteidigungsbereitschaft senden soll. Indem er sich als Verteidiger der Nation gegen einen übermächtigen äußeren Feind inszeniert, kann er von den inneren Problemen ablenken und die Reihen hinter sich schließen. So führt der amerikanische Druck paradoxerweise nicht zur Schwächung, sondern potenziell zur Verfestigung seiner Macht.

Ein ungeschriebenes letztes Kapitel

Die Situation vor der Küste Venezuelas ist mehr als nur eine geopolitische Machtprobe; sie ist ein Pulverfass mit einer brennenden Lunte. Die Trump-Administration hat einen Pfad der Eskalation beschritten, dessen Ende völlig ungewiss ist. Ist die Armada nur ein aufwendiger Bluff, um Maduro an den Verhandlungstisch zu zwingen? Oder ist sie die Vorbereitung für einen Präventivschlag, der durch einen inszenierten Zwischenfall – ein „zweiter Golf von Tonkin“ – ausgelöst werden könnte?

Der Weg zurück zur Diplomatie scheint versperrt. Jede aggressive Aktion der USA bestätigt Maduros Propaganda und stärkt seine Position im Inland. Jede defensive Reaktion Maduros kann in Washington als Provokation interpretiert werden, die eine militärische Antwort rechtfertigt. Gefangen in dieser Eskalationsspirale sind die 28 Millionen Menschen in Venezuela, deren Schicksal zum Spielball in einem Konflikt geworden ist, der von unklaren Motiven, historischen Ressentiments und einer gefährlichen Missachtung der Konsequenzen angetrieben wird. Das letzte Kapitel dieser Geschichte ist noch nicht geschrieben. Aber die stählernen Silhouetten der Zerstörer am Horizont sind eine düstere Mahnung, dass es in Blut und Tränen enden könnte.

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