
Stellen Sie sich eine gewaltige, präzise laufende Maschine vor, die über Jahrzehnte von den besten Ingenieuren der Welt gebaut und justiert wurde. Sie ist nicht perfekt, aber sie funktioniert, treibt den Wohlstand an, verbindet Kontinente. Nun aber hat ein neuer Chefingenieur das Kommando übernommen, der die Baupläne zerreißt und mit einem schweren Hammer auf die filigranen Zahnräder einschlägt. Er nennt es „Optimierung“. Funken sprühen, das Getriebe knirscht, und während einige Teile stillstehen, überhitzen andere. An den Kontrollmonitoren flackern Warnleuchten auf, doch der Ingenieur deutet auf ein einziges, noch grün leuchtendes Lämpchen und ruft: „Seht ihr? Ein voller Erfolg!“
Dieses Bild ist keine Übertreibung. Es ist die Realität der amerikanischen Wirtschaft unter der Handelspolitik von Donald Trump. Seine zweite Amtszeit ist geprägt von einem radikalen Experiment: einem frontalen Angriff auf das globale Handelssystem durch ein Labyrinth aus Zöllen, das die USA von ihren Partnern und von den ökonomischen Realitäten gleichermaßen isoliert. Die offizielle Erzählung aus dem Weißen Haus ist die einer befreienden Rosskur, die amerikanische Jobs schützt und ausländische Mächte zur Raison bringt. Doch die Daten, die von unzähligen Ökonomen und Analysten zusammengetragen werden, zeichnen das Bild einer selbst zugefügten Wunde. Einer Politik, die nicht nur ihre erklärten Ziele verfehlt, sondern das Fundament des amerikanischen Wohlstands untergräbt und eine zutiefst gespaltene Nation hinterlässt, in der wenige feiern, während viele die Last tragen.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Trumps Zölle: Anatomie einer selbst zugefügten Wunde
Um das Ausmaß des Experiments zu verstehen, muss man den simplen Mechanismus eines Zolls entzaubern. Ein Zoll ist keine magische Gebühr, die wie von Geisterhand im Ausland bezahlt wird. Es ist, in seiner reinsten Form, eine Steuer. Eine Steuer, die amerikanische Unternehmen und letztlich amerikanische Verbraucher entrichten, wenn sie Waren aus dem Ausland importieren. Die Trump-Administration hat diese Steuer nicht nur leicht angepasst; sie hat sie auf ein Niveau gehoben, das seit den dunkelsten Tagen der Wirtschaftsgeschichte nicht mehr gesehen wurde.
Die Wirkungskette ist so unbarmherzig wie logisch. Jeder Zoll auf ein Vorprodukt – sei es Stahl, Aluminium oder ein elektronischer Chip – wirkt wie Sand im Getriebe der heimischen Produktion. Die Idee, die amerikanische Schiffbauindustrie zu beleben, während man den Preis für Stahl künstlich in die Höhe treibt, ist ein ökonomisches Paradoxon. Automobilhersteller wie Ford und General Motors sehen sich mit explodierenden Kosten für Bauteile konfrontiert, was ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt erodiert. Selbst der patriotische Messerhersteller aus Montana, ein glühender Trump-Wähler, musste ernüchtert feststellen, dass der für seine Klingen benötigte Spezialstahl nur aus Schweden zu importieren ist – und die für seine neue Fabrik unerlässlichen Schleifmaschinen nur aus Deutschland. Beides wird durch die Zölle dramatisch verteuert.
Dieses Phänomen pflanzt sich durch die gesamte Wertschöpfungskette fort. Ein höherer Preis für ein Bauteil führt zu einem teureren Endprodukt. Das wiederum macht es für amerikanische Exporteure schwerer, ihre Waren im Ausland zu verkaufen. Gleichzeitig provozieren die Zölle unweigerlich Vergeltungsmaßnahmen. China zum Beispiel reagierte auf die US-Zölle, indem es seine Sojabohnenkäufe nach Brasilien und Argentinien verlagerte und damit den amerikanischen Farmern einen ihrer wichtigsten Exportmärkte raubte. Das Ergebnis ist nicht, wie versprochen, ein sinkendes Handelsdefizit, sondern eine Entkopplung der US-Wirtschaft von den globalen Märkten, die sie einst dominierte.
Die K-förmige Spaltung: Wer im Zollkrieg gewinnt und wer verliert
Die Last dieser Politik wird nicht gleichmäßig verteilt. Stattdessen zementiert sie eine K-förmige Wirtschaft – ein Phänomen, bei dem die Entwicklung für die oberen und unteren Gesellschaftsschichten in entgegengesetzte Richtungen verläuft.
Die Verlierer sind unübersehbar. Es sind die Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die den größten Teil ihres Budgets für Konsumgüter ausgeben müssen – für Kleidung, Haushaltsgeräte, Lebensmittel. Für sie bedeutet jeder Zoll eine direkte Kürzung ihres verfügbaren Einkommens. Es sind die Arbeiter in jenen Industrien, die auf importierte Teile angewiesen sind und nun um ihre Jobs fürchten müssen. Und es sind die Farmer, die ihre über Jahrzehnte aufgebauten Exportmärkte über Nacht verlieren.
Die Gewinner sind eine kleine, aber einflussreiche Gruppe. Dazu gehören wenige, politisch gut vernetzte Industrien, die durch die Zölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden – etwa Tomatenzüchter in Florida oder die Besitzer einer Kupfermine, deren Lobbyarbeit sich nun auszahlt. Vor allem aber profitieren die Reichsten des Landes. Die Zölle, diese regressive Steuer auf den Konsum der breiten Masse, helfen, die massiven Steuersenkungen für die Oberschicht zu finanzieren. Diese Gruppe ist von steigenden Preisen für Alltagsgüter kaum betroffen; ihr Vermögen wächst durch einen boomenden Aktienmarkt, der von wenigen Technologiegiganten getragen wird, und ihr Konsum von Luxusgütern und teuren Dienstleistungen bleibt ungebrochen. Es ist eine Wirtschaft, die zunehmend auf den Schultern der Reichsten balanciert, eine gefährlich instabile Konstruktion.
Echos der Vergangenheit: Warum der Vergleich mit Smoot-Hawley hinkt und doch alarmiert
Immer wieder werden in der Debatte historische Vergleiche bemüht, um die drohende Gefahr zu illustrieren. Der Smoot-Hawley-Zoll von 1930, oft als Brandbeschleuniger der Großen Depression gebrandmarkt, dient als Schreckgespenst. Die Analyse der Quellen zeigt jedoch, dass dieser Vergleich zwar populär, aber analytisch unzureichend ist. Ökonomen sind sich weitgehend einig, dass Smoot-Hawley die Depression nicht verursachte, sondern eine bereits existierende Krise dramatisch verschlimmerte, indem er den Welthandel zum Erliegen brachte.
Einige Historiker weisen auf eine tiefere, beunruhigendere Parallele hin: die Zölle der 1920er Jahre, wie den Fordney-McCumber-Tarif. Diese verhinderten, dass das kriegszerstörte Europa seine Schulden bei den USA durch Exporte abbezahlen konnte. Stattdessen musste es sich Geld leihen, was zu einer gigantischen, instabilen Schuldenblase führte – dem eigentlichen Zunder für den Flächenbrand der Dreißigerjahre.
Auch der Vergleich mit der Stagflation der 1970er Jahre – jener toxischen Mischung aus wirtschaftlicher Stagnation und galoppierender Inflation – greift zu kurz, offenbart aber den wahren Kern des Problems. Damals waren externe Schocks wie die Ölkrise die Auslöser. Heute, so der Konsens der Experten, ist die Gefahr der Stagflation hausgemacht. Sie ist die direkte, vorhersehbare Konsequenz einer Politik, die bewusst die Kosten erhöht und gleichzeitig das Wachstum abwürgt.
Das entfesselte Präsidialamt: Wie ein Mann die Handelspolitik an sich riss
Wie aber konnte es so weit kommen? Wie konnte ein einzelner Präsident eine Politik durchsetzen, die verfassungsrechtlich eigentlich in der Hand des Kongresses liegt? Die Antwort liegt in einer jahrzehntelangen, schleichenden Machtverschiebung. Seit den 1930er Jahren hat der Kongress dem Präsidenten immer mehr Befugnisse in der Handelspolitik übertragen, allerdings unter der unausgesprochenen Annahme, dass diese Macht zur Öffnung von Märkten und zur Liberalisierung des Handels genutzt würde. Der Kongress, so eine treffende Metapher aus den Quellen, gab dem Präsidenten die Schlüssel zum Spirituosenschrank, im Vertrauen darauf, dass er ein verantwortungsvoller Erwachsener sei. Donald Trump nutzt diese Schlüssel nun, um eine explosive Mischung für die ganze Welt anzurühren.
Diese Machtkonzentration wird zwar von Gerichten infrage gestellt – das US-Gericht für internationalen Handel hat bereits entschieden, dass Trump seine Befugnisse überschritten hat –, doch der Ausgang dieser juristischen Kämpfe ist ungewiss. Bis dahin bleibt die amerikanische und globale Wirtschaft dem unberechenbaren Willen eines Mannes ausgeliefert.
Fragiler Boom auf Pump: Wie der Tech-Rausch die wahre Krise verdeckt
Trotz all dieser Warnzeichen ist der große Zusammenbruch bisher ausgeblieben. Die Wirtschaft taumelt, aber sie fällt nicht. Dieser scheinbaren Widerstandsfähigkeit liegt ein gefährlicher Widerspruch zugrunde. Während traditionelle Sektoren schwächeln und das Jobwachstum außerhalb des Gesundheitswesens praktisch zum Erliegen gekommen ist, erlebt das Land einen massiven Investitionsboom im Bereich der künstlichen Intelligenz. Der Bau von Rechenzentren wirkt wie ein riesiges, privat finanziertes Konjunkturprogramm, das die tiefen Risse in der restlichen Wirtschaft überdeckt.
Gleichzeitig sorgt der ungebrochene Konsum der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung, die mittlerweile für die Hälfte aller Ausgaben verantwortlich sind, für eine trügerische Stabilität. Diese schmale Basis macht die gesamte Volkswirtschaft extrem anfällig. Sie ist abhängig von einer einzigen boomenden Branche und der Laune einer kleinen, wohlhabenden Elite. Bricht einer dieser beiden Pfeiler weg, droht das gesamte Kartenhaus einzustürzen. Die stark nach unten korrigierten Job-Zahlen der letzten Monate sind ein alarmierendes Signal, das typischerweise kurz vor oder während einer Rezession auftritt.
Angriff auf die Wahrheit: Wenn Wirtschaftsdaten zur Waffe werden
Die vielleicht größte Gefahr dieser Politik liegt jedoch nicht nur in ihren ökonomischen Folgen, sondern in ihrem Angriff auf die Institutionen, die eine rationale Politik erst ermöglichen. Als das Bureau of Labor Statistics (BLS) die geschönten Job-Zahlen nach unten korrigieren musste und damit das wahre Ausmaß der wirtschaftlichen Abkühlung offenbarte, feuerte Präsident Trump umgehend dessen Leiterin.
Dieser Akt ist mehr als nur ein politisches Manöver. Es ist der Versuch, das Thermometer zu zerschlagen, weil einem die Temperatur nicht gefällt. Wenn offizielle Statistiken politisiert und ihre Überbringer bestraft werden, erodiert das Vertrauen – das Vertrauen der Märkte, der Unternehmen und der Bürger in die Realität selbst. Es ist ein Muster, das sich in der Schwächung von Allianzen, dem Bruch von Verträgen und der Missachtung internationaler Regeln wiederholt. Die durch die Zölle geschaffene ökonomische Unsicherheit wird durch eine tiefgreifende institutionelle und politische Unsicherheit potenziert.
Was bleibt, ist eine Nation am Scheideweg. Die Würfel in Trumps amerikanischem Roulette sind noch nicht gefallen. Möglicherweise kann eine mutige US-Notenbank eine Katastrophe abwenden, oder Gerichte setzen der exekutiven Willkür Grenzen. Vielleicht aber erleben wir gerade den Kipppunkt, an dem die selbst zugefügten Wunden zu tief werden und die fragile Fassade aus Tech-Boom und Luxuskonsum endgültig zusammenbricht. Die Alternative, die in der harschen Kritik der Experten mitschwingt, wäre eine Rückkehr zur Vernunft: eine Politik, die auf Kooperation mit Verbündeten setzt, auf Innovation statt Isolation, auf einen fairen, regelbasierten Handel statt auf die rohe Macht des Hammers. Doch dieser Weg scheint in der aktuellen politischen Landschaft der USA weiter entfernt denn je. Das Knirschen im globalen Uhrwerk wird lauter. Und niemand weiß, wann es aufhört.