
Ein Milliardär, eine glamouröse Verlobte und eine Gästeliste, die vor Stars nur so strotzt – die geplante Hochzeit von Amazon-Gründer Jeff Bezos und Lauren Sánchez Ende Juni verspricht, eines der schillerndsten Society-Events des Jahres zu werden. Doch während sich die Welt auf ein Spektakel in der malerischen Kulisse Venedigs vorbereitet, formiert sich in den Gassen der Lagunenstadt erbitterter Widerstand. Die opulente Feier wird zum Brennglas für einen tief sitzenden Konflikt um die Seele der Stadt. Es ist ein Kampf zweier unversöhnlicher Visionen: Ist Venedig noch eine lebendige Stadt für ihre Bürger oder nur noch eine luxuriöse, käufliche Kulisse für die globale Elite?

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Kampf der Narrative: Zwischen Blockade-Angst und offizieller Gelassenheit
Schon im Vorfeld prallen die Erzählungen hart aufeinander. Berichte der Klatschpresse malten das Schreckgespenst einer Stadt im Ausnahmezustand, die für die Dauer der Feierlichkeiten praktisch „blockiert“ werde. Von der Reservierung der fünf führenden Luxushotels und sämtlicher Wassertaxis war die Rede, was Ängste vor einer regelrechten Invasion schürte. Diesem apokalyptischen Bild tritt der Magistrat von Venedig mit demonstrativer Ruhe entgegen. Man weist die „vielen Spekulationen und Fake News“ entschieden zurück. Es kämen „nur“ 200 Gäste, betont die Stadtverwaltung. Diese Zahl stelle für eine an Besuchermassen gewöhnte Metropole kein Problem dar. Die Buchung von lediglich 30 der 280 Wassertaxis wird als Beleg dafür angeführt, dass keine nennenswerten Beeinträchtigungen zu erwarten seien. So entsteht ein Informationskrieg, bei dem völlig unklar bleibt, welche Realität die Oberhand gewinnen wird – die der gefühlten Belagerung oder die der kontrollierten Normalität.
Die Kontroverse speist sich aus fundamental gegensätzlichen Vorstellungen über die ökonomische Zukunft der Stadt. Für die Protestbewegung mit dem plakativen Namen „No Space for Bezos“ ist die Hochzeit ein weiterer Nagel im Sarg der lokalen Gemeinschaft. Sie sehen darin die ultimative Verwandlung ihrer Heimat in einen „Spielplatz für Superreiche“, eine Entwicklung, die das Leben für Einheimische durch explodierende Kosten unerschwinglich mache. Ihre Botschaft „Venedig ist nicht zu verkaufen“ ist ein Aufschrei gegen die Kommerzialisierung und den Ausverkauf der städtischen Identität. Sie weigern sich, sich mit den symbolischen Resten zufriedenzugeben, die vom Tisch der Superreichen fallen.
Demgegenüber steht die Perspektive lokaler Unternehmer, für die ein solches Ereignis eine Auszeichnung ist. Antonio Rosa Salva, dessen Traditionsbäckerei seit 150 Jahren existiert und Spezialitäten für die Gastgeschenke der Hochzeit liefert, bezeichnet solche Events als „Qualitätstourismus“. Er sieht es als prestigeträchtig an, dass ein Paar von Weltrang, das überall hätte heiraten können, sich für Venedig entscheidet. Diese Sichtweise wird von der politischen Führung geteilt. Bürgermeister Luigi Brugnaro und Regionalpräsident Luca Zaia werten die Hochzeit als „Ehre für die Stadt“ und fordern, Bezos mit „offenen Armen“ zu empfangen. Die Demonstranten werden vom Bürgermeister schlicht als „Minderheit“ abgetan.
Dieser tiefen Kluft versucht das Paar Bezos/Sánchez offenbar mit einer gezielten PR-Strategie zu begegnen. Berichten zufolge sollen rund 80 Prozent der für die Hochzeit benötigten Leistungen und Produkte von venezianischen Anbietern bezogen werden. Die bewusste Einbindung von traditionsreichen Handwerksbetrieben – von der Glaskunstmanufaktur bis zur Traditionsbäckerei – soll das Bild einer wertschätzenden, die lokale Kultur unterstützenden Feier zeichnen. Damit wird dem Vorwurf reiner Zurschaustellung von Reichtum die Erzählung einer nachhaltigen und respektvollen Geste entgegengesetzt.
Die Aktivisten lassen sich davon jedoch nicht beeindrucken. Mit Transparenten am Glockenturm von San Giorgio und Postern in der ganzen Stadt machen sie ihren Unmut sichtbar. Sie haben eine Reihe von Protesten für die Hochzeitstage angekündigt und drohen damit, die Kanäle mit Booten und die Gassen mit Menschen zu blockieren, um die Feierlichkeiten aktiv zu stören.
Letztlich legt die Kontroverse die existenziellen Probleme Venedigs schonungslos offen, die seit Jahren unter der Oberfläche des Massentourismus brodeln. Die Hochzeit von Jeff Bezos ist nicht die Ursache dieser Krise, aber sie ist ihr bisher wirkmächtigstes Symbol. Der Showdown in der Lagune ist somit mehr als ein Streit um eine Party. Es ist ein Kampf darum, ob Venedig als Postkartenmotiv für Oligarchen in Erinnerung bleiben wird oder als eine Stadt, die sich ihre Seele nicht abkaufen ließ.