Selbstzerstörung einer Supermacht: Wie Trumps Administration Amerikas globale Stimme zum Schweigen bringt

Illustration: KI-generiert

Es war einmal eine Institution, die als Waffe der Wahrheit im Kampf gegen die Propaganda der Nationalsozialisten geschmiedet wurde. Voice of America (VOA), die Stimme Amerikas, trug über 80 Jahre lang die Ideale von Freiheit und Demokratie in die entlegensten und dunkelsten Winkel der Welt, sprach zu Menschen hinter dem Eisernen Vorhang und in den Zensurregimen der Gegenwart. Heute ist von diesem einst mächtigen Instrument amerikanischer Soft Power kaum mehr als ein Echo übrig. In einer beispiellosen Serie von politischen und administrativen Schlägen hat die Trump-Administration ebenjene Stimme, die einst Hoffnung spendete, systematisch demontiert und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Was als administrative Verschlankung verkauft wird, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein gezielter Akt der ideologischen Säuberung und als ein historischer Akt der Selbstsabotage, der nicht nur das Vermächtnis Amerikas verrät, sondern auch ein gefährliches Vakuum auf der globalen Bühne hinterlässt – ein Geschenk an die Autokraten dieser Welt, die sich über das plötzliche Verstummen Amerikas die Hände reiben.

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„Aufgebläht, voreingenommen, verschwenderisch“: Die Rhetorik der Zerstörung

Die offizielle Begründung für den Kahlschlag liest sich wie ein Feldzug gegen den eigenen Apparat. An vorderster Front steht Kari Lake, eine treue Verbündete Trumps und als Beraterin für die Dachorganisation U.S. Agency for Global Media (USAGM) eingesetzt. Ihre Rhetorik ist unmissverständlich und brutal. Sie bezeichnet die Agentur als „aufgeblähte, unverantwortliche Bürokratie“, die „dysfunktional und von Voreingenommenheit und Verschwendung durchsetzt“ sei. Die Entlassungen seien überfällig gewesen, um diesen „archaischen Dinosaurier“ zurechtzustutzen. Diese Argumentation spiegelt eine tiefere, von Präsident Trump selbst befeuerte Feindseligkeit wider. Trump hatte die Auslandssender wiederholt der Voreingenommenheit gegen Konservative bezichtigt und sie als Verbreiter von „anti-amerikanischer“ Propaganda gebrandmarkt. In seiner Diktion wurde aus „Voice of America“ kurzerhand die „Voice of Radical America“. Persönliche Animositäten, wie die Verärgerung über eine als unverschämt empfundene Frage eines VOA-Reporters zum Gaza-Konflikt, scheinen diese politische Agenda zusätzlich befeuert zu haben. Die Zerschlagung ist demnach nicht nur eine administrative Maßnahme, sondern die Konsequenz einer politischen Entscheidung, eine unliebsame, als zu kritisch empfundene Institution im Rahmen der Verkleinerung des Behördenapparats de facto abzuschaffen.

Ein Geschenk für Diktatoren: Das Schweigen Amerikas als Triumph für Moskau und Peking

Während in Washington die Abrissbirne schwang, herrschte andernorts unverhohlene Freude. Nirgendwo wurde die Entscheidung, die USAGM und ihre Sender stillzulegen, lauter bejubelt als in Moskau. Margarita Simonyan, Chefin des russischen Propagandanetzwerks RT, nannte Trumps Beschluss eine „großartige Entscheidung“ und erklärte den Tag zu einem „Feiertag“ für ihre Kollegen. Auch in Peking wurde das Ende von Amerikas „Lügenfabrik“ und ihren „dämonisierenden Narrativen“ über China gefeiert. Diese Reaktionen legen den Finger in die Wunde: Die Zerschlagung der US-Auslandssender ist, wie es der Analyst Tom Nichols im „The Atlantic“ formulierte, ein „Geschenk an Diktatoren“. Organisationen wie VOA und Radio Free Europe/Radio Liberty waren über Jahrzehnte Amerikas wirksamste Instrumente der „Soft Power“. Sie lieferten nicht primär die amerikanische Sichtweise, sondern vor allem das, was Menschen in repressiven Systemen am meisten entbehrten: vertrauenswürdige, faktenbasierte Nachrichten. Indem Trump diese Informationsquellen trockenlegt, erweist er den schlimmsten Regimen der Welt einen Gefallen und erfüllt einen Traum, den der Kreml und andere Autokratien selbst in ihren kühnsten Fantasien nicht zu träumen gewagt hätten: dass die Amerikaner ihre schlagkräftigste Waffe im Informationskrieg selbst demontieren würden.

Vom Kampf gegen Goebbels zur Selbstverstümmelung: Ein historischer Absturz

Der Kontrast zur Gründungsgeschichte von Voice of America könnte größer nicht sein. Ins Leben gerufen 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, war der Sender eine direkte Antwort auf die Lügenpropaganda der Nationalsozialisten. Seine Mission war es, als eine verlässliche und autoritative Nachrichtenquelle zu dienen und die Werte von Demokratie und Freiheit zu verbreiten. Während des Kalten Krieges wurde VOA zu einer Lebensader für Millionen Menschen hinter dem Eisernen Vorhang, die heimlich den Radioprogrammen lauschten, um ein unverzerrtes Bild der Welt zu erhalten. Diese historische Rolle als „Leuchtfeuer der Freiheit“ wird nun durch die eigene Regierung in einer Weise demontiert, die Beobachter als „atemberaubende und selbstzerstörerische Verleugnung“ des amerikanischen Erbes bezeichnen. Die einst als diplomatische Speerspitze angesehene Institution wird von ihrer eigenen Führung als „Waffe“ in einem „Informationskrieg“ bezeichnet, jedoch nicht gegen äußere Feinde, sondern scheinbar gegen interne Abweichler. Dieser historische Absturz stellt einen radikalen Bruch mit einer jahrzehntelangen, von beiden Parteien getragenen Außenpolitik dar.

Der Kampf vor Gericht: Ein juristisches Labyrinth mit widersprüchlichen Signalen

Die Zerschlagung von VOA verlief nicht ohne juristischen Widerstand. Mitarbeiter und Pressefreiheitsorganisationen zogen vor Gericht, um die Stilllegung zu stoppen. Die daraus resultierenden Urteile zeichnen das Bild eines chaotischen und rechtlich umstrittenen Prozesses. Zunächst ordnete ein Bundesrichter im April an, den Sendebetrieb wieder aufzunehmen, da der Kongress VOA zu einer kontinuierlichen Berichterstattung verpflichtet habe. Doch dieser Erfolg war nur von kurzer Dauer. Ein Berufungsgericht, besetzt mit zwei von Trump ernannten Richtern, setzte die Anordnung kurz darauf wieder aus. Dieses Muster der Konfrontation mit der Justiz zieht sich durch die Medienpolitik der Administration. In einem parallelen Fall urteilte dasselbe Berufungsgericht, dass das Weiße Haus das Recht habe, Journalisten der Associated Press von bestimmten Terminen auszuschließen, nachdem sich die Nachrichtenagentur geweigert hatte, eine von Trump bevorzugte Sprachregelung zu übernehmen. Diese juristischen Auseinandersetzungen mündeten in teils bizarren Wendungen, etwa als das gesamte Berufungsgericht eine Entscheidung seiner eigenen Richter teilweise aufhob und die Regierung anwies, blockierte Gelder in Höhe von rund 25 Millionen Dollar für Schwesterorganisationen wie Radio Free Europe/Radio Liberty freizugeben. Das juristische Tauziehen zeigt vor allem eines: Die Administration agiert am Rande der Legalität und erzeugt ein Klima der Unsicherheit und des Chaos.

Verrat an den Schutzsuchenden: Das menschliche Drama hinter den Kündigungen

Hinter den abstrakten Zahlen der Massenentlassungen – über 1400 Stellen wurden gestrichen, was 85 % der Belegschaft entspricht – verbergen sich tiefgreifende menschliche Tragödien. Besonders erschütternd ist das Schicksal jener Journalisten, die einst vor Verfolgung in ihren Heimatländern flohen und in den USA politisches Asyl erhielten. Für sie war die Arbeit bei Voice of America mehr als nur ein Job; sie war die Erfüllung des Versprechens von Freiheit und Sicherheit. Nun werden sie von ebenjener Regierung, die ihnen Schutz gewährte, auf die Straße gesetzt. Die Washington Post dokumentierte die Geschichten von Journalisten wie Leonid Martynyuk und Nik Yarst aus Russland, die wegen ihrer kritischen Berichterstattung über Putin und Korruption in ihrer Heimat verfolgt, inhaftiert und mit dem Tod bedroht wurden. In Amerika fanden sie eine neue Heimat und bei VOA die Möglichkeit, ihren Beruf ohne Angst auszuüben. Ihre Entlassung ist für sie nicht nur ein beruflicher, sondern ein existenzieller Schlag. Für viele, die mit einem speziellen J-1-Visum im Land sind, bedeutet die Kündigung die drohende Abschiebung innerhalb von 30 Tagen – möglicherweise zurück in die Länder, aus denen sie geflohen sind und wo ihnen Verhaftung oder Schlimmeres droht. Dieser Umgang mit Schutzsuchenden entlarvt eine tiefe moralische Inkonsistenz und einen Verrat an den Werten, für die VOA einst stand.

Chaos als Strategie: Die bizarre Posse um den Persien-Dienst

Wie widersprüchlich und kurzsichtig die Strategie der Administration ist, zeigte sich exemplarisch im Juni 2025. Als die militärischen Spannungen zwischen Israel und dem Iran eskalierten, wurde der fast stillgelegte persischsprachige Dienst von VOA plötzlich und ohne Vorwarnung reaktiviert. Dutzende Mitarbeiter, die zuvor in den Zwangsurlaub geschickt worden waren, erhielten die Anweisung, „unverzüglich“ an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Dieser Schritt war ein unfreiwilliges Eingeständnis der unverzichtbaren Rolle des Senders in Krisenzeiten. Kritiker und betroffene Journalisten sahen darin die Bestätigung ihrer Argumentation: Man zerstört nicht erst eine wichtige Infrastruktur, um sie dann panisch wiederzubeleben, wenn man sie braucht. Die absurde Posse erreichte ihren Höhepunkt, als einige der gerade erst zurückgerufenen Journalisten des persischen Dienstes nur wenige Tage später ihre endgültigen Kündigungsschreiben erhielten. Dieses erratische Vorgehen entlarvt das Fehlen jeglicher strategischen Planung und unterstreicht den Eindruck, dass die Zerstörung von VOA primär von ideologischen Motiven und nicht von sachlichen Erwägungen geleitet ist.

Die langfristigen Prognosen für Voice of America sind düster. Selbst wenn eine zukünftige, wohlgesonnenere Regierung den Sender wieder aufbauen wollte, könnte der Schaden bereits irreparabel sein. Der Journalist Steve Herman, eine VOA-Legende, äußerte die Befürchtung, die Zerstörung sei „permanent“. Jeden Tag, den VOA schweigt, gewöhnen sich die Hörer und Leser weltweit an andere Nachrichtenquellen. Das Vertrauen und die Reichweite, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden, lassen sich nicht per Dekret wiederherstellen. Die Trump-Administration hat nicht nur Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet und das Leben vieler Journalisten zerstört. Sie hat ein wesentliches Instrument amerikanischer Außenpolitik zerschlagen und die globale Informationslandschaft den Propagandisten überlassen. Am Ende bleibt das Bild einer Supermacht, die sich freiwillig selbst zum Schweigen gebracht hat und damit das Feld denjenigen überlässt, deren Lügen sie einst bekämpfen wollte.

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