
Die Wahl ist geschlagen, die Realität hat sich manifestiert: Donald Trump regiert erneut die Vereinigten Staaten. Während sich das Land an die Rückkehr einer polarisierenden Figur ins Oval Office gewöhnt, liegt ein bedrohlicher Schatten über der amerikanischen Demokratie – ein umfassender Plan namens „Project 2025“. Geschmiedet in den Denkfabriken konservativer Organisationen unter der Ägide der einflussreichen Heritage Foundation, entpuppt sich dieses über 900 Seiten starke Dokument als Blaupause für einen radikalen Umbau des US-Staatsapparats. Was als ideologische Übung abgetan werden konnte, droht nun, unter der Ägide eines Präsidenten Trump, zur unheilvollen Realität zu werden. Die Pläne, die unabhängige Behörden schwächen, loyale Gefolgsleute an Schlüsselpositionen hieven und die Macht des Präsidenten ins Unermessliche steigern sollen, nähren die bange Frage: Steuern die USA auf eine autoritäre Zeitenwende zu?
Die Demontage des Staates nach konservativer Lesart
Project 2025 ist mehr als nur eine Sammlung konservativer Wunschvorstellungen; es ist ein detaillierter Fahrplan für die Machtübernahme und -konsolidierung. Die Architekten dieses Projekts, darunter zahlreiche ehemalige Mitarbeiter der ersten Trump-Administration, sehen im bestehenden Staatsapparat einen tief verwurzelten Feind, den es zu bekämpfen und in seinen Grundfesten zu erschüttern gilt. Mit martialischen Worten wird der Kampf gegen den vermeintlichen „Deep State“ ausgerufen, eine Verschwörungstheorie, die im politischen Diskurs der Rechten grassiert. Hinter dieser nebulösen Bedrohung verbirgt sich die Absicht, unabhängige Beamte, die Verfassung und Gesetzen verpflichtet sind und nicht der bedingungslosen Loyalität zum Präsidenten, ihrer eigentlichen Funktion zu entkleiden.

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Konkret sieht Project 2025 die massive Umstrukturierung und in Teilen sogar die Auflösung von Bundesbehörden vor. Institutionen, die sich dem konservativen Weltbild widersetzen oder als Hindernis für wirtschaftliches Wachstum und traditionelle Werte angesehen werden, stehen auf der Abschussliste. So soll beispielsweise die nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA), zuständig für wichtige Wetterwarnungen, als „Hauptantreiber der Klimawandel-Alarmindustrie“ diffamiert und geschwächt werden. Auch das Bildungsministerium wird als „anti-amerikanisches, wokes Bildungskartell“ abgestempelt und seine Auflösung gefordert. Hinter dem vordergründigen Ruf nach Bürokratieabbau und Steuerersparnissen verbirgt sich die gezielte Schwächung von Programmen und Behörden, die sich dem Schutz sozial Benachteiligter, dem Umweltschutz, der Klimapolitik und der Bildung widmen.
Ein zentrales Element der Machtkonsolidierung ist die geplante Umwandlung von Zehntausenden geschützter Beamtenstellen in sogenannte „Schedule F“-Positionen. Diese Maßnahme, die Trump bereits kurz vor dem Ende seiner ersten Amtszeit initiierte und die von seinem Nachfolger umgehend rückgängig gemacht wurde, würde es ermöglichen, bis zu 50.000 unabhängige Beamte durch loyale Trump-Unterstützer zu ersetzen. Die Rekrutierung dieser „Armee“, die den Verwaltungsstaat von innen heraus zerlegen soll, läuft bereits über eine eigens eingerichtete „Presidential Administration Academy“. Die Gefahr, dass politische Loyalität über Fachkompetenz gestellt wird, ist dabei eklatant. Forschung, beispielsweise zum Klimawandel oder zur Migration, soll explizit politischen Zielen untergeordnet werden. Diese ideologische Gleichschaltung des Staatsapparats birgt die ernste Gefahr, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und evidenzbasierte Politik Entscheidungen politischen Kalkül und dem Wunsch nach Machterhalt untergeordnet werden.
Trumps ambivalentes Spiel mit der Machtagenda
Donald Trump selbst hat sich im Wahlkampf öffentlich von Project 2025 distanziert und behauptet, nichts über dieses Projekt oder die dahinterstehenden Personen zu wissen. Diese Beteuerungen wirken angesichts der zahlreichen Verbindungen zwischen seinem inneren Zirkel und den Autoren des Plans jedoch wenig glaubwürdig. Mehr als 140 Personen, die zuvor in seiner Regierung tätig waren, darunter sechs ehemalige Kabinettsmitglieder, haben an der Erstellung des Masterplans mitgewirkt. Auch Trumps derzeitige Pressesprecherin und enge Berater sind in die Rekrutierungsbemühungen für Project 2025 involviert.
Die Distanzierung Trumps von dem Projekt mag taktischen Gründen geschuldet sein. Angesichts der radikalen Natur einiger Vorschläge und der Kritik von Demokraten und Experten, die in Project 2025 eine Gefahr für die Demokratie sehen, könnte Trump versucht haben, Wähler nicht unnötig zu verschrecken. Dennoch deuten zahlreiche Handlungen und Personalentscheidungen in seiner bisherigen Amtszeit und nun nach seinem Wahlsieg darauf hin, dass die Ziele von Project 2025 durchaus mit seiner eigenen Agenda übereinstimmen. Die Ernennung von Schlüsselfiguren aus dem Project 2025-Umfeld in wichtige Regierungspositionen, allen voran Russell Vought als Leiter des Office of Management and Budget (OMB), spricht eine deutliche Sprache.
Die Sorge vor autoritären Tendenzen und den potenziellen negativen Folgen für die Demokratie und grundlegende Rechte in den USA ist bei Demokraten und Experten groß. Die Pläne zur Schwächung der Unabhängigkeit des Justizministeriums und des FBI, die dem Präsidenten die Möglichkeit geben würden, politische Gegner zu verfolgen, erinnern auf beunruhigende Weise an autokratische Regime. Auch die Überlegungen zur Aktivierung des sogenannten Insurrection Act, der den Einsatz des Militärs im Inland zur Strafverfolgung erlauben würde, nähren die Befürchtung, dass Trump bereit sein könnte, extreme Maßnahmen zur Durchsetzung seiner politischen Ziele zu ergreifen.
Russell Vought: Der Architekt der präsidialen Macht
Eine Schlüsselfigur bei der potenziellen Umsetzung der Agenda von Project 2025 ist Russell Vought, der nun das Office of Management and Budget leitet. Vought, ein erklärter christlicher Nationalist, sieht die moderne Struktur des Staates als eine widerrechtliche Beschneidung der präsidialen Macht. Sein Ziel ist die umfassende „Dekonstruktion des Verwaltungsstaates“, die er als notwendig für das Überleben der Selbstverwaltung in Amerika ansieht. Für Vought ist das OMB das „Luftverkehrskontrollsystem“ der Exekutive, das sicherstellen soll, dass alle Politikinitiativen im Einklang mit der Agenda des Präsidenten stehen.
Seine Vorstellungen von einer radikalen Verschlankung des Staates gehen mit tiefgreifenden Einschnitten in soziale Sicherungssysteme und Umweltauflagen einher. Programme, die als „woke“ oder säkular gelten, sollen massiv gekürzt oder ganz gestrichen werden. Voughts aggressive Haltung gegenüber dem öffentlichen Dienst, den er als von einer „eigenen Agenda“ getrieben sieht, deutet auf einen unerbittlichen Kampf gegen vermeintlich illoyale Beamte hin.
Die Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit und der potenziellen Bestrafung politischer Gegner unter einer von Vought maßgeblich beeinflussten Regierung sind gravierend. Seine Unterstützung für die Idee, die Watergate-Ära-Norm der Unabhängigkeit des Justizministeriums vom Weißen Haus aufzugeben, und seine Äußerungen, die die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Trump und seine Verbündeten als Vergeltung des „Deep State“ darstellen, lassen befürchten, dass das Justizsystem instrumentalisiert werden könnte, um politische Gegner einzuschüchtern und zu verfolgen.
Ein gefährlicher Weg in die Ungewissheit
Im April 2025 steht Amerika an einem Scheideweg. Die Macht ist neu verteilt, doch die alten Gräben sind tiefer denn je. Project 2025, einst ein theoretisches Konstrukt, gewinnt nun unter Präsident Trump bedrohliche Konturen. Die systematische Demontage unabhängiger Institutionen, die ideologische Gleichschaltung des Staatsapparats und die Stärkung der präsidialen Macht bedrohen die Fundamente der amerikanischen Demokratie. Die öffentliche Distanzierung Trumps von diesem Plan mag Wähler getäuscht haben, doch seine Personalentscheidungen und die Kontinuität seiner politischen Agenda lassen kaum Zweifel daran, dass die Ziele von Project 2025 in seiner zweiten Amtszeit eine zentrale Rolle spielen werden.
Die Befürchtungen vor autoritären Tendenzen und der Erosion grundlegender Rechte sind keineswegs unbegründet. Die Geschichte lehrt, dass die Schwächung von Kontrollmechanismen und die Konzentration von Macht in den Händen Einzelner gefährliche Folgen haben kann. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die amerikanische Demokratie den Angriffen von innen standhalten und ihre grundlegenden Prinzipien bewahren kann. Der Schatten von Project 2025 liegt schwer über dem Land und mahnt zur Wachsamkeit – denn die Demokratie stirbt nicht mit einem Knall, sondern oft schleichend, durch die gezielte Aushöhlung ihrer Institutionen und Normen.