
Donald Trumps erneuter Zollschlag gegen nahezu alle Handelspartner Amerikas hat in Peking erwartungsgemäß umgehende und deutliche Reaktionen hervorgerufen. Die Ankündigung identischer Strafzölle von 34 Prozent auf US-amerikanische Importe war nur der erste Akt in einem erwarteten Gegenfeuerwerk. Darüber hinaus signalisiert China mit der Androhung und teilweisen Implementierung nicht-tarifärer Maßnahmen wie Exportkontrollen strategisch wichtiger Rohstoffe und der Einleitung von Untersuchungen gegen US-amerikanische Unternehmen eine neue Eskalationsstufe in diesem Wirtschaftskrieg. Während die unmittelbaren ökonomischen Auswirkungen dieser Zuspitzung auch die chinesische Wirtschaft treffen werden, deutet die Rhetorik und das Verhalten der Pekinger Führung darauf hin, dass man in dieser Zwangslage auch eine bemerkenswerte Chance zur globalen Machtneudefinition erkennt.
Trumps Isolationismus als Steilvorlage für Chinas Aufstieg zur Ordnungsmacht
Die strategische Weitsicht, mit der China auf Trumps protektionistische Eskapaden reagiert, ist bemerkenswert. Während der US-Präsident mit seiner rücksichtslosen Zollpolitik selbst langjährige Verbündete vor den Kopf stößt und das multilaterale Handelssystem in seinen Grundfesten erschüttert, inszeniert sich Peking zunehmend als Stabilitätsanker und Verfechter des regelbasierten Welthandels. Die demonstrative Einladung von Konzernchefs westlicher Industriegiganten nach Peking kurz vor Trumps Zollankündigung und Xi Jinpings dortige Beschwörung der Globalisierung waren mehr als nur symbolische Akte. Sie verdeutlichten Chinas Bereitschaft, die durch Amerikas Abkehr entstandene Lücke in der globalen Wirtschaftsordnung zu füllen. Die von China lancierte Erzählung, dass Trumps Politik Unternehmen zu Entscheidungen zwinge, die gegen ökonomische Grundsätze verstießen, findet bei den verunsicherten Handelspartnern der USA offene Ohren. Die Tatsache, dass selbst traditionelle Verbündete der USA wie Japan und Südkorea Annäherung an China suchen und gemeinsame Reaktionen auf die US-Zölle erörtern, unterstreicht die wachsende Entfremdung von Washington und die sich bietenden Chancen für Peking. Trumps Handelskrieg, so die zynische Schlussfolgerung, treibe Länder wie Korea, Taiwan und die EU geradezu in die Arme Chinas.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Korrektur interner Schwächen durch externen Druck – Chinas doppelte Dividende
Neben der geopolitischen Dimension birgt Trumps aggressiver Kurs für China auch die unerwartete Chance, interne wirtschaftliche Schwächen anzugehen. Die wiederholte Betonung der Notwendigkeit wirtschaftlicher und technologischer Eigenständigkeit durch Präsident Xi erhält durch die US-amerikanischen Sanktionen und Exportkontrollen eine neue Dringlichkeit. Die erzwungene Reduktion der Abhängigkeit von US-Technologie und -Märkten könnte langfristig die Innovationskraft Chinas stärken, wie das Beispiel des KI-Unternehmens DeepSeek zeigt. Zudem zwingt der von außen kommende Druck die chinesische Führung möglicherweise zu einer Korrektur ihrer Wirtschaftspolitik. Die Vernachlässigung des Binnenkonsums und die Fokussierung auf staatlich gelenkte Investitionen haben zu Überkapazitäten und Handelsüberschüssen geführt, die international zunehmend kritisch gesehen werden. Trumps Zölle könnten nun den Anstoß geben, die Binnennachfrage zu stärken und die Abhängigkeit vom Export zu verringern. Chinas Bereitschaft, in Produktionsstätten in Partnerländern zu investieren, anstatt diese ausschließlich mit Exporten zu überschwemmen, deutet auf ein verändertes strategisches Kalkül hin. Die „beautiful opportunity“, die China in Trumps Politik erkennt, ist somit eine zweifache: die Schwächung des globalen Einflusses der USA bei gleichzeitiger Stärkung der eigenen Position und die Notwendigkeit interner Reformen, die unter dem Deckmantel der Reaktion auf externe Bedrohungen leichter durchzusetzen sind.
Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit China diese sich bietenden Chancen tatsächlich nutzen kann. Die eigene Wirtschaft kämpft mit Deflation, einer Immobilienkrise und demografischen Herausforderungen. Zudem ist die Skepsis vieler Länder gegenüber Chinas wirtschaftlichen Praktiken und geopolitischen Ambitionen weiterhin groß. Trumps unberechenbares Verhalten birgt zudem das Risiko weiterer Eskalationen, die auch China schwer treffen könnten. Dennoch demonstriert die umgehende und vielschichtige Reaktion Pekings auf Trumps Zollhammer eine strategische Reife und ein globales Machtbewusstsein, das die tektonischen Verschiebungen in der Weltwirtschaft unübersehbar macht. Während Amerika unter der Last seiner protektionistischen Wahnvorstellungen zu wanken beginnt, positioniert sich China selbstbewusst als zentrale Kraft in einer sich neu formierenden globalen Ordnung. Die Rechnung Trumps, China in die Knie zu zwingen, könnte sich auf bittere Weise ins Gegenteil verkehren.