
Es gibt Momente in der politischen Geschichte, da verschwimmen Konturen. Linien, die einst klar und unumstößlich schienen – die Trennung von Amt und Interesse, von öffentlicher Dienstpflicht und privatem Profit – werden porös, durchlässig, bis sie am Ende kaum mehr erkennbar sind. Wir erleben einen solchen Moment. Das, was sich derzeit in den Schnittmengen von Politik, Hochfinanz und Rüstungsindustrie abspielt, ist mehr als nur ein Déjà-vu alter Eliten-Netzwerke. Es ist die Perfektionierung eines Systems.
Im Zentrum dieses Systems steht ein Name, der zugleich Erbe und Akteur ist: Donald Trump Jr. Seine geschäftlichen Aktivitäten sind keine Randnotiz der Präsidentschaft seines Vaters; sie sind ein Fenster in die neue Architektur der Macht. Es ist ein Ökosystem entstanden, in dem politische Agenda, familiäre Loyalität und milliardenschwere Investitionsströme so reibungslos ineinandergreifen, dass die Unterscheidung zwischen nationalem Interesse und persönlicher Bereicherung zur intellektuellen Spitzfindigkeit verkommt.
Die Erzählung, die uns dazu angeboten wird, trägt einen schillernden Namen: „patriotischer Kapitalismus“. Doch bei genauerer Betrachtung entpuppt sich diese patriotische Hülle als ein hochprofitabler Kern, der durch eine beispiellose Nähe zur Regierungszentrale genährt wird.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Das neue Ökosystem: Ein Triumvirat des Einflusses
Um das System Trump Jr. zu verstehen, muss man die Akteure und ihre Verbindungen betrachten. Es ist kein simpler Interessenkonflikt, es ist ein fein justiertes Triumvirat aus Kapital, Technologie und politischem Zugang. An der Basis operiert die Investmentbank Dominari Securities. Mit Hauptsitz im Trump Tower dient sie als eine Art finanzielle Pforte. Sie war es, die den Börsegang des Drohnenherstellers Unusual Machines (UM) begleitete und Kapital beschaffte. Dominari ist die Schnittstelle, an der die Trump-Söhne, Donald Jr. und Eric, nicht nur als Berater fungieren, sondern auch substanzielle Aktienanteile halten.
Auf der nächsten Stufe steht Unusual Machines (UM) selbst, ein aufstrebender Drohnenhersteller aus Florida. Donald Trump Jr. ist hier als Berater tätig und wurde für seine Dienste mit einem Aktienpaket belohnt, dessen Wert sich zeitweise auf über 2,6 Millionen Dollar belief. UM ist das perfekte Vehikel: eine Technologiefirma in einem Sektor – Drohnen –, den die Trump-Administration als strategisch entscheidend definiert hat, insbesondere im Bestreben, sich von chinesischen Zulieferern zu lösen. Die Spitze dieser Pyramide bildet 1789 Capital, eine Investmentfirma, bei der Donald Trump Jr. eine führende Rolle spielt. Diese Firma ist der eigentliche Motor. Sie sammelt Hunderte Millionen Dollar ein – das verwaltete Vermögen wuchs binnen kürzester Zeit auf Schätzungen von bis zu zwei Milliarden Dollar an – und investiert sie gezielt. Die Investment-Ziele lesen sich wie eine Einkaufsliste des Pentagon: Rüstungsfirmen wie Anduril Industries, Raumfahrttechnologie von SpaceX und eben jene Firmen, die die „America First“-Lieferkette stärken sollen. Dieses Netzwerk wird durch ambitionierte, wenn auch teils noch unbewiesene Projekte wie die von Red Cat (einem Partner von UM) geplanten autonomen Mini-Drohnenträger ergänzt. Es ist ein geschlossener Kreislauf: Dominari beschafft das Geld, 1789 Capital lenkt die strategischen Investitionen, und Firmen wie UM und Anduril werden zu direkten Auftragnehmern des von Donald Trumps Vater kontrollierten Regierungsapparats.
„Patriotischer Kapitalismus“: Die Ideologie des Gewinns
Der vielleicht brillanteste Schachzug dieses Systems ist seine ideologische Rahmung. Die Sprecher und Partner von Donald Trump Jr., wie Omeed Malik von 1789 Capital oder Allan Evans von Unusual Machines, weisen jeden Vorwurf der Vetternwirtschaft von sich. Ihr Handeln, so die offizielle Lesart, sei nicht Eigennutz, sondern Patriotismus.
„Patriotischer Kapitalismus“ lautet das Schlagwort. Es ist eine verführerische Neudefinition von „America First“ für die Finanzmärkte. Die These: Investitionen in die heimische Industrie, in Rüstung, in Technologie und in die Unabhängigkeit von ausländischen Lieferketten (insbesondere China) sind nicht nur profitabel, sondern ein Dienst an der Nation. Die Kriege der Gegenwart und Zukunft, wie der Konflikt in der Ukraine zeigt, werden von Drohnen dominiert. In diesen Sektor zu investieren, während die Regierung gleichzeitig massiv auf die Anschaffung ebenjener Technologie drängt, ist in dieser Logik nur folgerichtig. 1789 Capital ist die Speerspitze dieser Bewegung. Die Firma investiert in Unternehmen, die exakt die politischen Prioritäten der Administration abbilden. Dass diese Firmen – Anduril, SpaceX, Firehawk Aerospace – dann auch lukrative Pentagon-Verträge erhalten, ist aus Sicht der Investoren die Bestätigung ihrer Strategie. Für kritische Beobachter ist es der Beweis für einen Interessenkonflikt von alarmierendem Ausmaß.
Wenn Politik zur Marktanalyse wird
Wie tief die Verschränkung von politischer Macht und privatem Investment geht, enthüllte Donald Trump Jr. selbst – und zwar auf internationaler Bühne. Bei der „Future Investment Initiative“ in Saudi-Arabien, einem Treffpunkt der globalen Finanzelite in einer absoluten Monarchie, warb er für 1789 Capital. Auf die Frage, warum man in seine Firma investieren solle, lieferte er eine Antwort von entwaffnender Ehrlichkeit: Man verstehe, was die Administration tun wolle, „weil wir geholfen haben, einiges von diesem Messaging zu entwerfen“. Man sei zwar „außen“, habe aber dennoch dieses „Verständnis“ für die Pläne der Regierung.
Diese Aussage ist das Kernstück des Systems. Es geht nicht um plumpes Lobbying, nicht um Anrufe beim Verteidigungsministerium – Sprecher betonen unermüdlich, Trump Jr. habe keine Regierungsvertreter kontaktiert. Es ist viel subtiler. Es geht um einen Informationsvorsprung, der direkt aus der Nähe zur Machtzentrale resultiert. Die politische Agenda ist kein externer Faktor mehr, sie ist die Grundlage der Marktanalyse. Man investiert nicht in das, was der Markt vielleicht will, sondern in das, was die eigene Administration mit Sicherheit durchsetzen wird. Es ist dieselbe globale Bühne, auf der Trump Jr. die „No Kings“-Proteste in den USA verspottete, während er die Gastfreundschaft des saudischen Kronprinzen genoss – eine Ironie, die die Flexibilität moralischer und demokratischer Standards in diesem neuen Ökosystem unterstreicht. Seine Präsenz in Riad steht zudem in einer Reihe mit anderen Trump-Verbündeten wie Jared Kushner und Steven Mnuchin, deren private Fonds ebenfalls von massiven Zuflüssen aus saudischen Staatsfonds profitieren.
Ein Sumpf mit neuen Regeln? Ethik im Zeitalter der Trumps
Ethikexperten ringen angesichts dieser Verflechtungen um Worte. Natürlich, so räumen sie ein, gab es auch bei früheren Präsidentenfamilien geschäftliche Komplikationen. Die Söhne von George H.W. Bush waren im Ölgeschäft, Hunter Biden saß in Aufsichtsräten, während sein Vater Vizepräsident war, und selbst ein Sohn von Franklin D. Roosevelt hatte finanzielle Interessen in Firmen mit Regierungsbezug.
Doch die Expertin Megan Gorman, eine Steueranwältin, die sich mit dem Reichtum von Präsidentenfamilien beschäftigt, stellt fest: Donald Trump Jr. hat „die Grenzen dessen, wie sich Kinder von Präsidenten verhalten können, verschoben“. Das Agieren als bezahlter Berater für einen direkten Militär-Auftragnehmer und das gleichzeitige Betreiben eines Investmentfonds, der gezielt auf Sektoren der Regierungspolitik wettet, sei eine „neue, alarmierende Dimension“. Das Problem ist, dass es offenbar keine expliziten Regeln gibt, die dies verbieten. Die Lücke im Regelwerk ist so groß wie die Ambitionen derer, die sie nutzen. Es wirft die fundamentale Frage auf: Wo genau liegen die Grenzen, wenn die Familie des Präsidenten nicht nur symbolisch, sondern als aktiver, profitierender Geschäftspartner der von ihr kontrollierten Regierung auftritt?
Fallstudie: Der Blitz-Auftrag für „Unusual Machines“
Wie dieses System in der Praxis funktioniert, zeigt der Fall von Unusual Machines (UM) exemplarisch. Die US-Armee, unter der Leitung von Army Secretary Daniel Driscoll, hat eine Initiative gestartet, um die Beschaffung von High-Tech-Material, insbesondere Drohnen, drastisch zu beschleunigen. Driscoll, ein ehemaliger Risikokapitalgeber, passt perfekt in die neue Philosophie: schnell, wendig, unternehmerisch.
Genau in diesem Klima erhält Unusual Machines – ein Unternehmen, das erst seit wenigen Wochen Drohnenmotoren in den USA fertigt und dessen Produkte auf Händler-Websites teils wegen Qualitätsproblemen kritisiert wurden – einen ersten Direktauftrag des Pentagon. Die 101. Luftlandedivision bestellte 3.500 Motoren, mit der Aussicht auf 20.000 weitere. Für sich genommen ist der Auftragswert von rund 225.000 Dollar für das Pentagon eine Petitesse. Doch die Symbolik ist gewaltig. Ein Start-up mit minimaler US-Produktionshistorie, aber mit Donald Trump Jr. als Berater, erhält einen außerordentlich schnellen Zugang zum Beschaffungswesen der Armee. Während ein Sprecher von Driscoll angibt, es habe keine Treffen gegeben, und die Firma selbst betont, die Motoren seien einfach ausgewählt worden, weil sie die Anforderungen erfüllten, bleibt ein Beigeschmack.
Vom Marketing-Coup zur Staatsräson: Die Rolle der Personalien
Die Verteidiger des Systems versuchen, die Rolle von Trump Jr. herunterzuspielen. Allan Evans, der CEO von Unusual Machines, bemühte einen bizarren, aber entlarvenden Vergleich: Die Aufnahme von Trump Jr. ins Beratergremium sei gewesen, „als würde Oprah bei Weight Watchers einsteigen“. Es sei ein reiner Marketing-Coup gewesen, der die Aufmerksamkeit von Investoren auf die Firma lenkte.
Doch diese Verniedlichung ignoriert die andere Hälfte von Trump Jr.s Wirken. Er ist nicht nur ein „Influencer“ für Start-ups. Er ist ein politischer Akteur. Er war daran beteiligt, Kandidaten für Spitzenposten im Pentagon zu überprüfen. Er war ein lauter und wichtiger Unterstützer für die Nominierung von Verteidigungsminister Pete Hegseth, als dessen Bestätigung wegen persönlicher Skandale auf der Kippe stand. Trump Jr. agiert auf beiden Spielfeldern gleichzeitig. Er nutzt seinen politischen Einfluss, um ihm genehme Personen wie Hegseth in Positionen zu bringen, die über Milliarden-Budgets für jene Sektoren entscheiden, in denen seine Investmentfirma 1789 Capital und seine Beratungsfirma UM tätig sind. Und er nutzt seinen Namen, um als „Oprah“ des Rüstungssektors das Kapital für ebenjene Firmen anzuziehen. Es ist eine perfekte, sich selbst verstärkende Schleife.
Die Aktivitäten von Donald Trump Jr. und seinem Netzwerk sind kein Zufall und keine einfache Gier. Sie sind der Ausdruck einer neuen Form der Machtausübung. Es ist die Schaffung eines Parallel-Establishments, das den „Beltway“ – den traditionellen Sumpf aus Lobbyisten und Beratern in Washington – nicht trockenlegt, sondern durch ein effizienteres, direkteres Modell ersetzt.
In diesem Modell sind die Architekten der Politik gleichzeitig die Hauptinvestoren in ihre Ergebnisse. Der „patriotische Kapitalismus“ ist eine Ideologie, die es erlaubt, Staatsaufträge als Bestätigung der eigenen Weitsicht zu feiern, während Ethik-Bedenken als unpatriotisches Störfeuer abgetan werden. Die Frage, die unbeantwortet im Raum steht, ist nicht, ob dies legal ist – die Lücken im Regelwerk sind offensichtlich. Die Frage ist, was es für das Vertrauen in staatliche Institutionen bedeutet, wenn der Beschaffungsprozess des Pentagon und das Portfolio der Präsidentenfamilie beginnen, zur Deckung zu kommen. Wenn das „Messaging“ der Regierung und der Investitions-Pitch einer Privatfirma dasselbe sind, wer profitiert dann am Ende wirklich: die Nation oder das Netzwerk?


