
Es gibt Allianzen, die so fest und von beiderseitigem Nutzen geprägt scheinen, dass ihr Bruch die politische Landschaft wie ein Erdbeben erschüttert. Die jahrzehntelange, von Pragmatismus und Machtkalkül getragene Verbindung zwischen Donald Trump und Rupert Murdoch war eine solche Allianz. Sie war das Fundament, auf dem ein Immobilienentwickler zur globalen Marke und schließlich zum Präsidenten der Vereinigten Staaten aufstieg. Murdoch war dabei mehr als nur ein medialer Wegbegleiter; er war der Architekt im Hintergrund, dessen Sender und Zeitungen den Mörtel für Trumps politisches Bauwerk lieferten. Doch nun bebt der Boden. Mit einer aufsehenerregenden Klage über zehn Milliarden US-Dollar gegen Murdochs Flaggschiff, das Wall Street Journal, und gegen den Patriarchen persönlich hat Donald Trump nicht nur eine rote Linie überschritten, sondern einen tiefen Riss in ebenjenem Fundament verursacht.
Dieser juristische Paukenschlag, ausgelöst durch eine für Trump unangenehme Enthüllung über seine Verbindung zum Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, ist weit mehr als der Zornesausbruch eines in die Enge getriebenen Präsidenten. Er ist der Höhepunkt einer On-off-Beziehung, die von einer unheimlichen Symbiose und tiefem gegenseitigen Misstrauen geprägt war. Die Eskalation legt die inneren Widersprüche des Murdoch-Imperiums schonungslos offen und wirft eine fundamentale Frage auf: Was geschieht, wenn zwei der mächtigsten Akteure der konservativen Welt, die durch eine gemeinsame Zielgruppe aneinandergekettet sind, frontal kollidieren? Die Antwort darauf ist keine einfache Geschichte über Verrat, sondern eine komplexe Erzählung über die Grenzen von Macht, die Mechanismen der Pressefreiheit im 21. Jahrhundert und den möglichen Anfang vom Ende einer Ära.

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Vom Zögling zum Zerstörer: Die lange, widersprüchliche Geschichte von Trump und Murdoch
Um die Wucht der aktuellen Konfrontation zu verstehen, muss man zurückblicken in die 1970er-Jahre nach New York, wo beide Männer, getrieben von unbedingtem Aufstiegswillen, ihre Karrieren schmiedeten. Ihr gemeinsamer Nenner war der rücksichtslose Anwalt Roy Cohn, der als Mentor und Türöffner für beide fungierte. Cohn fütterte Murdochs frisch erworbene New York Post mit Geschichten über seinen aufstrebenden Mandanten Trump und half so, aus einem Bauunternehmer die schillernde Marke „Donald Trump“ zu formen. Es war der Beginn einer transaktionalen Beziehung, eines Zweckbündnisses, das auf dem einfachen Prinzip des gegenseitigen Nutzens beruhte. Murdoch gab Trump die mediale Bühne; Trump lieferte im Gegenzug die Quoten und den Gesprächsstoff.
Als Trump politische Ambitionen entwickelte, war es Murdochs Sender Fox News, der ihm die entscheidende Plattform bot und seine Kandidatur erst möglich machte. Doch hinter den Kulissen war die Beziehung nie von herzlicher Freundschaft, sondern von kühler Berechnung und gelegentlicher Verachtung geprägt. Murdoch soll Trump nach einem Telefonat kurz nach dessen erstem Wahlsieg als „verdammten Idioten“ bezeichnet haben, nur um ihm im nächsten Moment als fast täglicher Ratgeber am Telefon zu dienen. Diese Ambivalenz durchzieht ihre gesamte gemeinsame Geschichte: Nach dem Sturm auf das Kapitol wies Murdoch sein Management an, Trump zu einer „Nicht-Person“ zu machen, eine Anweisung, die jedoch im Angesicht von Trumps ungebrochener Popularität beim Fox News-Publikum nicht lange hielt. Die Beziehung war ein ständiges Oszillieren zwischen Distanzierung und Wiederannäherung – ein Tanz zweier Titanen, die einander brauchten, aber nie vollständig vertrauten.
Ein Reich, zwei Seelen: Wie Fox News und das Wall Street Journal Murdochs Dilemma offenlegen
Der aktuelle Konflikt explodiert entlang einer bereits existierenden Bruchlinie innerhalb des Murdoch-Imperiums. Während die Klage gegen das Wall Street Journal läuft, läuft auf Fox News das gewohnte Programm zur Lobpreisung des Präsidenten. Es ist, als würde man auf zwei Bildschirmen gleichzeitig zwei völlig unterschiedliche Realitäten beobachten. Auf dem einen preisen Moderatoren wie bei „The Five“ die „goldene Ära“ von Trumps zweiter Amtszeit, und Trump selbst ruft seine Anhänger auf, loyale Moderatoren wie Sean Hannity einzuschalten. Auf dem anderen Bildschirm sehen wir, wie Reporter des Wall Street Journal aus dem Pressepool für eine Präsidentenreise ausgeschlossen werden, als direkte Vergeltung für ihre Berichterstattung.
Dieser Spagat ist kein Zufall, sondern System. Er offenbart die zwei Seelen, die in Murdochs Brust schlagen. Das Wall Street Journal bedient mit seiner Leserschaft aus der Wirtschafts- und Finanzwelt ein Publikum, das traditionell für freien Handel und stabile Märkte eintritt – und Trumps protektionistische Zollpolitik als „dümmsten Handelskrieg aller Zeiten“ scharf kritisiert hat. Die Zeitung bewahrte sich stets eine gewisse journalistische Distanz zum Präsidenten und profilierte sich mit investigativen Recherchen, die auch Trump-nahen Personen wie Elon Musk schadeten. Fox News hingegen ist das ideologische Herz und die wichtigste Einnahmequelle des Imperiums. Seine Existenz und sein Erfolg sind untrennbar mit der MAGA-Bewegung und der Loyalität zu Donald Trump verbunden. Murdoch und Trump sind hier durch eine gemeinsame Abhängigkeit aneinander gefesselt: die Gunst des konservativen Publikums. Trump braucht die Reichweite von Fox News, und Fox News braucht die Zuschauer, die Trump verehren. Dieser Widerspruch macht den Konflikt so brisant: Trump attackiert den Kopf des Imperiums, während er gleichzeitig dessen wichtigsten Arm füttert.
Die 10-Milliarden-Dollar-Warnung: Trumps Feldzug gegen die Presse erreicht eine neue Dimension
Die Klage gegen das Wall Street Journal ist juristisch gesehen ein Manöver, das Experten als „völlig unbegründet“ und „voller Lärm und Wut, aber ohne rechtliche Substanz“ bezeichnen. Um in einem Verleumdungsprozess erfolgreich zu sein, müsste Trump nachweisen, dass die Journalisten mit „tatsächlicher Böswilligkeit“ gehandelt haben – also wissentlich Falsches berichteten oder ernsthafte Zweifel an der Wahrheit hatten und trotzdem publizierten. Dafür gibt es keinerlei Anzeichen; die Zeitung stand zu ihrer sorgfältig formulierten Berichterstattung und legte sogar nach.
Doch der wahre Zweck der Klage ist nicht juristischer, sondern politischer Natur. Es ist eine strategische Einschüchterung, ein Schuss vor den Bug der gesamten amerikanischen Medienlandschaft. Die Botschaft ist unmissverständlich: Wenn selbst Rupert Murdoch, einer der mächtigsten und konservativsten Medienmogule der Welt, nicht vor einer existenzbedrohenden Klage sicher ist, wer ist es dann? Dieses Vorgehen folgt einem erprobten Muster, stellt aber eine deutliche Eskalation dar. Trump hat bereits andere Medien wie ABC und CBS mit Klagen überzogen und Vergleiche in Millionenhöhe erzwungen. Diese Sender knickten ein, was bei einigen ihrer prominentesten Journalisten für Unmut sorgte. Der Angriff auf einen Verbündeten wie Murdoch aber hebt die Strategie auf eine neue Ebene. Es ist ein Akt der Machtdemonstration, der darauf abzielt, jede Form von aggressiver Berichterstattung im Keim zu ersticken, indem er die wirtschaftlichen Risiken untragbar macht.
Die Frage, die im Raum steht, ist, warum Murdoch dieses Mal standhaft blieb. Warum hat der Mann, der sein Leben lang dafür bekannt war, Skandale und politische Stürme pragmatisch zu umschiffen, die Bitte des Präsidenten, den Artikel zu stoppen, ignoriert? Seine kolportierte Antwort an Vertraute – „Ich bin 94 Jahre alt und lasse mich nicht einschüchtern“ – klingt wie die Haltung eines Mannes, der sein Vermächtnis im Blick hat. Doch ihn nun zum reinen Helden der Pressefreiheit zu stilisieren, wäre naiv. Sein Imperium hat eine lange Geschichte von ethischen Verfehlungen, vom Abhörskandal seiner britischen Boulevardzeitung News of the World bis zur Verbreitung von Wahlmanipulationslügen durch Fox News, die zu einer Vergleichszahlung von 788 Millionen Dollar führten. Wahrscheinlicher ist eine Mischung aus Motiven: der Instinkt des alten Zeitungsmachers für eine gute Geschichte, die Klicks und Aufmerksamkeit bringt, gepaart mit einer strategischen Voraussicht. Vielleicht denkt Murdoch, der dafür bekannt ist, „heute schon an übermorgen zu denken“, bereits an die Zeit nach Donald Trump und positioniert sein seriöses Aushängeschild, das Wall Street Journal, für eine Zukunft jenseits der MAGA-Bewegung.
Am Ende offenbart dieser Kampf der Titanen eine fundamentale Schwäche in ihrem Pakt. Ihre Macht beruht auf demselben Fundament – der Loyalität eines bestimmten Publikums –, was sie zu Gefangenen ihrer eigenen Strategie macht. Weder Trump noch Murdoch können es sich leisten, den anderen vollständig zu zerstören, da die Trümmer auch ihr eigenes Haus beschädigen würden. Die Klage ist somit weniger der Beginn eines totalen Krieges als vielmehr ein spektakulärer Riss in einer Beziehung, die ihre innere Stabilität verloren hat. Es ist das Geräusch zweier gewaltiger tektonischer Platten, die aneinander reiben – angetrieben von den gleichen unterirdischen Kräften, die sie einst zusammenfügten. Der Ausgang dieses Bebens wird nicht nur über das Schicksal zweier alter Männer entscheiden, sondern auch über die zukünftige Statik der amerikanischen Medien- und Politiklandschaft.