
Elon Musks „Department of Government Efficiency“ (DOGE) unter Donald Trump versprach eine Revolution der Bundesverwaltung: schlanker, schneller, billiger. Doch statt einer wundersamen Transformation hinterließ das Projekt vor allem eines – ein Lehrstück darüber, wie man mit brachialer Gewalt und einem fundamentalen Missverständnis staatlicher Aufgaben die Axt an die Grundfesten des öffentlichen Dienstes legt und dabei mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Die Bilanz ist ernüchternd: ein Apparat, der nicht effizienter, sondern in Teilen dysfunktionaler wurde, Risiken, die fahrlässig potenziert, und eine Belegschaft, die tief demoralisiert zurückblieb.
Als Elon Musk, der schillernde Tech-Milliardär, von Präsident Donald Trump mit der Aufgabe betraut wurde, die vermeintlich verkrustete US-Bundesbürokratie zu entstauben und „Regierungsverschwendung“ im ganz großen Stil zu eliminieren, klang dies für manche wie Musik in den Ohren. Die Idee, ganze Behörden „durch den Holzhäcksler zu jagen“, wie Musk es martialisch formulierte, und mit der Präzision eines Ingenieurs Ineffizienzen auszumerzen, traf den Nerv einer populistischen Erzählung vom aufgeblähten Staat. Doch die Realität der „Operation DOGE“ zeichnet ein anderes Bild – das einer Initiative, die in ihrem Kern von einem gefährlichen Simplizismus geprägt war und deren Kollateralschäden die behaupteten Erfolge bei Weitem überschatten.
Vom Heilsversprechen zur Realitätsverweigerung: Musks Effizienzbegriff auf dem Prüfstand
Das fundamentale Problem von DOGE begann bereits bei der Diagnose: einer pauschalen Verurteilung des Regierungsapparats als Hort der Faulheit und Inkompetenz. Eine von Musks ersten Amtshandlungen, die Anweisung an alle Bundesangestellten, per E-Mail wöchentlich fünf Stichpunkte ihrer „Leistungen“ zu rapportieren, andernfalls dies als Kündigung gewertet würde, entlarvte diesen reduktionistischen Ansatz. Statt tatsächlicher Leistungssteigerung produzierte diese Maßnahme vor allem eines: Abertausende an Arbeitsstunden, die für das Verfassen und Lesen trivialer Berichte verschwendet wurden. Für unzählige Mitarbeiter, deren Aufgaben ohnehin klar definiert und öffentlich bekannt sind – von Fluglotsen bis zu Postzustellern – war dies eine Farce. Kritiker merkten schnell an, dass eine solche Methode eher die Kunst des überzeugenden Formulierens als tatsächlichen Mehrwert für den Steuerzahler belohnen würde und zudem leicht zu umgehen sei.

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Dieses Muster der Scheineffizienz zog sich durch das gesamte Wirken von DOGE. Anstatt Prozesse zu optimieren, wurden neue bürokratische Hürden geschaffen, die den Arbeitsalltag in den Behörden massiv erschwerten. So wurden Kreditkartenlimits für Bundesbedienstete auf einen symbolischen Dollar gesenkt, was selbst für banalste Anschaffungen wie Büromaterial oder die Bezahlung von Nebenkosten umständliche Genehmigungsprozesse mit mehreren Instanzen erforderte. Mitarbeiter des National Park Service oder des Forest Service sahen sich gezwungen, private Mittel für dienstliche Notwendigkeiten wie das Rasenmähen oder Schneeräumen vorzustrecken, weil die neuen, ständig wechselnden Vertragsformulare und Genehmigungsketten zeitnahe Zahlungen verunmöglichten. Ähnliche kafkaeske Zustände wurden aus der NASA berichtet, wo für die Beschaffung einfacher Schrauben detaillierte Begründungen über mehrere E-Mail-Runden erforderlich waren. Im State Department führte die neue Vorschrift, dass internationale Vertragspartner zertifizieren mussten, keine Diversitäts-, Gleichheits- und Inklusionsprogramme (DEI) zu fördern, zu wochenlangen Verzögerungen bei Routinevorgängen – bis diese Regelung für Auslandsvertretungen klammheimlich wieder einkassiert wurde. Bei der General Services Administration stauten sich über 1.500 Projektanträge, darunter bereits ausgeführte Mietverträge, monatelang in internen Trackern, weil sie auf die Freigabe politischer Beauftragter warteten. Die einst routinemäßige Überprüfung von Lebensmitteln durch die FDA auf Kennzeichnung, Farbgebung oder Schwermetallbelastung erlitt erhebliche Verzögerungen, da nun jeder einzelne Schritt – vom Probeneinkauf über den Versand bis zur Beschaffung von Laborbedarf – separate Genehmigungen auf Abteilungsebene erforderte. Die Qualität alltäglicher öffentlicher Dienstleistungen litt spürbar, von der Bearbeitung von Sozialversicherungsanträgen bis zur Instandhaltung von Flugsicherungstürmen, wo selbst die Fensterreinigung zum bürokratischen Spießrutenlauf wurde.
Sparen um jeden Preis: Wie DOGE die öffentliche Sicherheit und Vorsorge demontiert
Die „Effizienz“-Rhetorik diente als Deckmantel für massive Kürzungen, die insbesondere in sicherheitsrelevanten und präventiven Bereichen verheerende Folgen zeitigten oder zumindest androhten. DOGE agierte nach der Devise, dass alles, dessen unmittelbarer Nutzen für Musk und sein Team nicht ersichtlich war, als „Verschwendung“ galt – eine brandgefährliche Philosophie, wenn es um die unsichtbare, aber lebenswichtige Arbeit der staatlichen Vorsorge geht. So wurden Mitarbeiter entlassen oder Budgets gekürzt in Agenturen, die für die Sicherheit im Flugverkehr (FAA), die Fahrzeugsicherheit (NHTSA), die Wettervorhersage und insbesondere die Hurrikanwarnung (NOAA, National Weather Service), die Eindämmung von Seuchen wie Vogelgrippe (Landwirtschaftsministerium) oder Ebola und sogar die Überwachung des nationalen Atomwaffenarsenals (National Nuclear Security Administration) zuständig sind.
Die Parallelen zu früheren Fehlentscheidungen sind frappierend: Die Trump-Administration hatte bereits in ihrer ersten Amtszeit ein 200-Millionen-Dollar-Programm zur weltweiten Verfolgung neuartiger Coronaviren als Verschwendung eingestuft und gestrichen – nur drei Monate, bevor COVID-19 die Welt lahmlegte. Die Kosten für die Pandemiebekämpfung beliefen sich später auf geschätzte 4,6 Billionen Dollar, ein Vielfaches der eingesparten Summe. Ähnlich kurzsichtig agierte DOGE, als es beispielsweise Wissenschaftler feuerte, die für Tsunami-Frühwarnsysteme an der Pazifikküste zuständig waren, oder als das Budget der NOAA derart zusammengestrichen wurde, dass die für Hurrikanvorhersagen unerlässlichen Erkundungsflüge und Wetterballonstarts reduziert werden mussten. Ein Hurrikan-Spezialist warnte eindringlich, dass ohne die Instrumente der NOAA und deren milliardenfach gesammelte Daten die heute routinemäßig erkannten Hurrikane zu den tödlichen Überraschungsstürmen von morgen werden könnten. Diese Demontage der präventiven Infrastruktur ist umso alarmierender in einer globalisierten Welt, in der die Risiken für katastrophale Ereignisse – von Pandemien bis zu Naturkatastrophen und Systemkollapsen – Experten zufolge so hoch sind wie nie zuvor.
Der Mensch als Kostenfaktor: Die Zerstörung von Moral und Expertise im öffentlichen Dienst
Die menschlichen und sozialen Kosten dieser „Kettensägen“-Politik sind immens. Bundesangestellte wurden nicht nur mit pauschalen Verunglimpfungen als faul und überflüssig überzogen, sondern sahen sich auch einer Atmosphäre der Angst, Unsicherheit und Willkür ausgesetzt. Die Folge war ein massiver „Brain Drain“: Erfahrene Fachkräfte verließen frustriert den Dienst, wurden entlassen oder nahmen Abfindungsangebote an. Zurück blieben oft überlastete und demoralisierte Teams, die versuchten, die Lücken zu füllen, während gleichzeitig neue, unerfahrene Mitarbeiter in Positionen versetzt wurden, für die sie nicht ausreichend geschult waren – wie im Fall der Social Security Administration, wo Tausende Büroangestellte unter Androhung der Kündigung in den Telefondienst versetzt wurden, was zu Chaos und längeren Bearbeitungszeiten führte.
Die psychologische Wirkung dieser Politik war verheerend. Eine Kommentatorin beschrieb, wie ihre Washingtoner Nachbarschaft, bevölkert von engagierten Staatsdienern, die sich bewusst für eine Karriere im öffentlichen Dienst entschieden hatten, um Gutes zu tun, durch DOGE „in Trümmern“ lag. Die explizite Ansage aus dem Umfeld der Trump-Administration, man wolle die Bürokraten „traumatisch beeinflussen“, zeigte Wirkung. Die Langzeitfolgen sind noch nicht absehbar, doch es steht zu befürchten, dass das Vertrauen in den Staat als Arbeitgeber nachhaltig beschädigt ist und es künftig noch schwieriger wird, qualifizierte und motivierte Menschen für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. Leidtragende sind auch vulnerable Bevölkerungsgruppen, deren Unterstützungsprogramme Opfer der Kürzungen wurden. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist die Streichung von fast 400 Millionen Dollar an Zuschüssen für AmeriCorps, was zur Folge hatte, dass landesweit über 1.000 Organisationen, darunter kostenlose Nachmittagsprogramme für Kinder aus einkommensschwachen Familien, ihre Arbeit einstellen oder drastisch reduzieren mussten. Der Verlust dieser Angebote bedeutet für viele Kinder weniger Betreuung und Förderung und für ihre Eltern eine zusätzliche Belastung.
Die Chimäre der Ersparnis: DOGEs Zahlenspiele und die Realität der Kosten
Ein zentrales Versprechen von DOGE war die massive Einsparung von Steuergeldern. Musk selbst sprach anfangs von möglichen Kürzungen in Höhe von zwei Billionen Dollar, später revidiert auf eine Billion. Die offizielle DOGE-Webseite vermeldete schließlich Einsparungen von rund 175 Milliarden Dollar. Doch selbst diese Zahl ist mit äußerster Vorsicht zu genießen. Journalistische Recherchen und Expertenanalysen zeigten immer wieder, dass die behaupteten Einsparungen oft auf fehlerhaften Annahmen, veralteten Daten, Doppelzählungen oder schlicht falschen Angaben beruhten. Verträge wurden als eingespart deklariert, die längst gekündigt waren oder später wieder in Kraft gesetzt wurden.
Noch problematischer ist DOGEs Behauptung, durch Deregulierungen Milliarden für die amerikanischen Bürger eingespart zu haben. Eine Untersuchung der „Agency Deregulation Leaderboard“ von DOGE durch die New York Times ergab, dass viele der angeblichen Einsparungen – beispielsweise durch die Rücknahme von Regeln zu Kreditkartengebühren oder Effizienzstandards für Haushaltsgeräte – für die Verbraucher in Wahrheit höhere Kosten bedeuten dürften. So ignorierten DOGEs Berechnungen, dass strengere Effizienzstandards für Geräte zwar möglicherweise geringfügig höhere Anschaffungskosten verursachen, den Verbrauchern aber über die Lebensdauer der Geräte durch niedrigere Strom- und Wasserrechnungen Hunderte von Dollar ersparen. Die Aufhebung solcher Standards komme daher vor allem den Herstellern oder Energieversorgern zugute, während die Haushalte die Zeche zahlten. Experten kritisierten, dass DOGEs Zahlen oft jeder Grundlage entbehrten, intransparent seien und die gesetzlich vorgeschriebenen umfassenden Kosten-Nutzen-Analysen vermissen ließen. Die behauptete „maximale Transparenz“ von DOGE erwies sich somit als leere Phrase.
Mehr als nur Sparen: DOGE als Speerspitze eines politischen Kulturkampfes gegen den Staat
Die Operation DOGE war weit mehr als ein reines Sparprogramm; sie war Ausdruck und Instrument eines tiefer liegenden politischen Projekts der Trump-Administration: der Bekämpfung des sogenannten „Deep State“ und der Festigung der exekutiven Macht. Es ging um Kontrolle und darum, den Regierungsapparat auf Linie zu bringen. Elon Musks Führungsstil, geprägt von seinen Erfahrungen in der Tech-Welt, wo Disruption oft als Selbstzweck gefeiert wird und schnelle, autoritäre Entscheidungen an der Tagesordnung sind, passte scheinbar perfekt zu dieser Agenda. Doch die Übertragung dieser Logik auf den komplexen Organismus Staat erwies sich als fatal. Was bei der Übernahme von Twitter vielleicht noch als rabiater Sanierungsversuch durchgehen mag, hat im Regierungsapparat, wo es um Menschenleben, öffentliche Sicherheit und das Funktionieren demokratischer Prozesse geht, ungleich höhere Einsätze. Musks Unkenntnis oder Ignoranz gegenüber etablierten Verfahren, gesetzlichen Vorgaben und der Notwendigkeit von Konsultation und Kompromiss führte zu vorhersehbaren Verwerfungen.
Die Reaktionen auf DOGEs Vorgehen waren gespalten, selbst innerhalb der Republikanischen Partei. Während Hardliner die Initiative als notwendigen Schritt zur Entmachtung der Bürokratie feierten, wuchsen bei gemäßigteren Republikanern die Sorgen über die negativen Auswirkungen auf ihre Wahlkreise, den Verlust von Arbeitsplätzen und staatlichen Dienstleistungen sowie die Unpopularität von DOGE bei den Wählern. Einige Abgeordnete beklagten die Willkür der Maßnahmen und die mangelnde Einbeziehung des Kongresses. Dennoch blieb ein offener Aufstand aus, nicht zuletzt aufgrund von Trumps eisernem Griff auf die Partei. Die langfristigen Folgen für die amerikanische Regierungsführung sind besorgniserregend: eine weitere Politisierung der Verwaltung, ein Vertrauensverlust zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Beamtenschaft sowie die Gefahr, dass qualifizierte Fachleute dem öffentlichen Dienst dauerhaft den Rücken kehren.
Das Experiment DOGE ist somit nicht nur als gescheiterter Versuch der Effizienzsteigerung zu werten. Es steht symptomatisch für einen Regierungsstil, der auf großspurige Versprechungen, dramatische Inszenierungen und rücksichtslose Disruption setzt, ohne die komplexen Realitäten und Verantwortlichkeiten staatlichen Handelns anzuerkennen. Die von Elon Musk hinterlassenen Trümmer sind eine Mahnung: Wer den Staat mit der Brechstange „reformieren“ will, riskiert, mehr zu zerstören, als er aufbaut, und letztlich das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit der Regierung zu untergraben, ihre grundlegendsten Aufgaben zu erfüllen. Die Ironie, dass eine Initiative, die angetreten war, die Regierung effizienter zu machen, sie in vielerlei Hinsicht ineffizienter und dysfunktionaler zurückließ, dürfte als eines der prägendsten Vermächtnisse von DOGE in Erinnerung bleiben.