Operation Chaos: Wie Elon Musks Schattenarmee die US-Regierung von innen zerlegt

Illustration: KI-generiert

Die disruptive Hinterlassenschaft von DOGE: Zwischen institutionellem Chaos, Rechtsbrüchen und dem Griff nach den Daten der Bürger.

Es war eine Partnerschaft, die Washington erschüttern sollte: Tech-Milliardär Elon Musk und Präsident Donald Trump, vereint in der Mission, den Regierungsapparat der USA mit der Logik des Silicon Valley zu zerschlagen. Ihr Instrument: das ominöse „Department of Government Efficiency“, kurz DOGE. Doch nach einem spektakulären öffentlichen Zerwürfnis ist Musk, der prominente Frontmann des Projekts, von der Bühne verschwunden. Wer jedoch glaubt, das Projekt sei damit am Ende, verkennt die Lage fundamental. Musks Abgang hat die von ihm entfesselte Maschine nicht gestoppt. Im Gegenteil: Die aggressive Agenda von DOGE hat sich tief in den Arterien der Bundesbehörden festgesetzt und hinterlässt eine Spur aus institutionellem Chaos, Massenentlassungen, hochkarätigen Rechtsstreitigkeiten und einem beispiellosen Griff nach den sensibelsten Daten der amerikanischen Bürger.

Die Arbeit von DOGE, einst als Kreuzzug gegen Verschwendung und Bürokratie verkauft, hat sich zu einem Testfall für die Belastbarkeit der amerikanischen Demokratie entwickelt. Während Mitarbeiter in Unsicherheit leben und Gerichte um die Legalität des Unterfangens ringen, hat der Oberste Gerichtshof dem Projekt mit umstrittenen Eilentscheidungen den Rücken gestärkt und damit die Sorgen von Bürgerrechtlern und Datenschützern weiter befeuert. Die Geschichte von DOGE ist mehr als nur eine weitere Episode im politischen Drama Washingtons. Sie ist eine Fallstudie darüber, wie schnell und tiefgreifend etablierte Regierungsstrukturen von innen heraus attackiert werden können – und wie schwer der angerichtete Schaden zu reparieren ist.

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Das DOGE-Playbook: Abrissbirne statt Skalpell

Der Ansatz von DOGE lässt sich am besten als institutioneller Blitzkrieg beschreiben. Die Dokumente zeichnen das Bild eines systematischen „Playbooks“, das in verschiedenen Behörden zur Anwendung kam: eine schnelle Übernahme der Führungsebenen, der Informationstechnologie und der gesamten Infrastruktur, gefolgt von der sofortigen Entlassung von Mitarbeitern. Das Tempo war dabei bewusst so hoch angesetzt, dass die betroffenen Institutionen oder Gerichte kaum Zeit zum Reagieren oder zur Schadensbegrenzung hatten.

Ein Paradebeispiel für diese Taktik ist der Fall des U.S. Institute of Peace (USIP), einer unabhängigen, vom Kongress finanzierten Organisation zur Konfliktprävention. Binnen kürzester Zeit wurde der Vorstand per E-Mail entlassen, kurz darauf folgten die Kündigungsbescheide für fast die gesamte Belegschaft. DOGE-Mitarbeiter versuchten, sich mit Hilfe des FBI und der Washingtoner Polizei Zutritt zum Hauptquartier zu verschaffen und übernahmen die Kontrolle über die Vermögenswerte der Organisation. Obwohl ein Gericht diese Übernahme später teilweise rückgängig machte, bleibt der Schaden immens: Das Institut ist gelähmt, die Mitarbeiter sind traumatisiert und internationale Partner sind ihrer Unterstützung beraubt.

Dieses Muster der Unterwanderung wiederholt sich in zahlreichen Ministerien. DOGE-Mitglieder wurden strategisch in Schlüsselpositionen platziert, oft als „in-house consultants“ getarnt oder direkt in den Status von Bundesangestellten überführt. Im Energieministerium stieg ein ehemaliges DOGE-Mitglied zum Stabschef auf. Im Innenministerium erhielten DOGE-Mitarbeiter weitreichende Befugnisse, darunter die Autorität, Personal ohne weitere Genehmigung zu entlassen. Eine Mitarbeiterin, die zuvor eine Firma zur Bekämpfung von Diversitäts- und Inklusionsprogrammen gegründet hatte, wurde zur kommissarischen Personalchefin ernannt. Diese „Institutionalisierung“ sorgt dafür, dass die Ideologie und die Methoden von DOGE weiterleben, auch ohne die Galionsfigur Musk. Der öffentliche Bruch zwischen Musk und Trump, der die Mitarbeiter verunsicherte und in Sorge um ihre Jobs versetzte, hat die tiefere Verankerung des Projekts im Verwaltungsapparat nicht aufhalten können.

Im juristischen Niemandsland: DOGEs umstrittener Machtanspruch

Von Anfang an bewegte sich DOGE in einer rechtlichen Grauzone, die zu zahlreichen Klagen führte. Die Kernfrage, die die Gerichte beschäftigt: Handelt es sich bei DOGE um eine reguläre Bundesbehörde, die den Transparenzgesetzen wie dem Freedom of Information Act (FOIA) unterliegt und deren Führungspersonal vom Senat bestätigt werden muss? Oder ist es, wie die Trump-Administration argumentiert, lediglich ein präsidiales Beratungsgremium, das von diesen Pflichten ausgenommen ist?

Bürgerrechtsorganisationen wie Citizens for Responsibility and Ethics in Washington (CREW) und Democracy Forward zogen vor Gericht, um Transparenz zu erzwingen und die Rechtmäßigkeit der Operation infrage zu stellen. Ein Bundesrichter kam zu dem Schluss, dass DOGE aufgrund seiner Vorgehensweise wahrscheinlich als Behörde einzustufen sei und mit „ungewöhnlicher Geheimhaltung“ operiere. Doch während untere Instanzen versuchten, die Macht von DOGE zu beschränken und Schutzmaßnahmen für Daten zu verhängen, griff der Oberste Gerichtshof der USA zugunsten der Regierung ein.

In einer Reihe von umstrittenen Eilentscheidungen, die ohne ausführliche mündliche Verhandlung ergingen, gab die konservative Mehrheit des Gerichts DOGE grünes Licht. Sie erlaubte den uneingeschränkten Zugriff auf die hochsensiblen Daten der Sozialversicherungsbehörde und blockierte die Herausgabe interner Unterlagen an die Öffentlichkeit. Die liberalen Richterinnen zeigten sich entsetzt. Allen voran warnte Richterin Ketanji Brown Jackson vor den „ernsthaften Risiken für die Privatsphäre von Millionen Amerikanern“. Sie kritisierte, das Gericht würde für die Trump-Administration andere Maßstäbe anlegen und etablierte juristische Prozesse über Bord werfen, nur weil die Regierung „keine Lust hat zu warten“. Diese Entscheidungen haben die Tür für DOGEs Datensammlung weit aufgestoßen, noch bevor die grundsätzliche Legalität des Zugriffs überhaupt geklärt ist.

Der unersättliche Datenhunger: Eine Bedrohung für die Privatsphäre

Im Zentrum der Aktivitäten von DOGE steht ein Ziel von gewaltigen Ausmaßen: die Schaffung einer einzigen, zentralisierten Datenbank, die riesige Mengen persönlicher Informationen über Millionen von US-Bürgern und Einwohnern zusammenführt. Die Liste der begehrten Daten ist lang und intim. Sie reicht von Sozialversicherungsnummern, Geburtsdaten und Steuerinformationen über medizinische Diagnosen, Beschäftigungsverläufe und Behindertenakten bis hin zu Schul- und Familiengerichtsakten.

Die offizielle Begründung der Administration lautet, man wolle durch die Zusammenführung von Daten „Informationssilos“ aufbrechen, um Betrug und Verschwendung effektiver zu bekämpfen und staatliche Prozesse zu modernisieren. Doch Kritiker und Sicherheitsexperten schlagen Alarm. Sie warnen, dass ein solches zentralisiertes System ein extrem verlockendes Ziel für Hacker darstelle und das Risiko von Datenlecks massiv erhöhe. Die Metapher eines Experten ist eindeutig: „Alle Eier in einen Korb zu legen bedeutet, dass ich nicht mehr jagen muss – ich kann den Korb einfach stehlen“.

Die Bedenken gehen jedoch weit über die Cybersicherheit hinaus. Bürgerrechtler befürchten, dass die zusammengeführten Daten für politische Zwecke missbraucht werden könnten, etwa zur Verfolgung politischer Gegner oder zur gezielten Kürzung von Leistungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Diese Ängste werden durch die Tatsache genährt, dass DOGE systematisch etablierte Datenschutzprotokolle und Sicherheitsstandards umgeht. Berichten zufolge wurden Mitarbeiter mit Laptops ohne die üblichen Sicherheitsprogramme des Weißen Hauses in verschiedene Ministerien geschickt, und es wurde versucht, normale Sicherheitsbeschränkungen zu umgehen.

Gleichzeitig klafft eine gewaltige Lücke zwischen den großspurigen Ankündigungen und der Realität. Musks ursprüngliches Versprechen, Einsparungen von fast zwei Billionen Dollar zu erzielen, wurde schrittweise auf 150 Milliarden Dollar reduziert. Doch selbst die von DOGE auf der eigenen Webseite ausgewiesenen Erfolge sind laut Recherchen durch erhebliche Fehler, Doppelzählungen und „Ratespiele“ aufgebläht. Der angebliche Effizienzgewinn steht somit in krassem Gegensatz zum angerichteten operativen Chaos.

Die Scherben der Disruption: Wie DOGE essentielle Dienste lähmt

Die disruptive Welle, die DOGE durch die Bundesbehörden schickte, hatte verheerende Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit essentieller staatlicher Dienste. Beim Nationalen Wetterdienst führten die durch DOGE vorangetriebenen Frühverrentungen und Entlassungen zu massivem Personalmangel in den lokalen Vorhersagebüros. Dies gefährdete die Fähigkeit, rund um die Uhr zu arbeiten und rechtzeitig vor Tornados zu warnen. Bei der Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA) wurden tausende Mitarbeiter entlassen, darunter wichtiges Personal für die Budgetverwaltung und die Bearbeitung von Patenten. Der Personalverlust war so gravierend, dass die Behörde kurz darauf verzweifelt nach Freiwilligen suchte, die als „Zeitnehmer“ für die Lohn- und Urlaubsabrechnung einspringen könnten.

Die Administration sah sich gezwungen, einige ihrer radikalsten Schritte zurückzunehmen. In einer chaotischen Kehrtwende wurden tausende gerade erst entlassene Mitarbeiter bei der FDA und der Steuerbehörde IRS aufgefordert, umgehend an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Doch die Reaktionen waren gemischt. Viele der erfahrenen Mitarbeiter, die man vor die Tür gesetzt hatte, hatten sich bereits neue Jobs gesucht oder waren nicht bereit, das Risiko einer erneuten Entlassung einzugehen. Ein FDA-Mitarbeiter, der widerwillig zurückkehrte, beschrieb die Stimmung als „Begräbnis“ und die Moral als „furchtbar“. Ein anderer entlassener und wieder eingestellter Angestellter fasste seine Frustration zusammen: „Sie wollten zeigen, dass sie die Regierung ausweiden, aber ohne darüber nachzudenken, welche Teile es wert wären, behalten zu werden. Jetzt fühlt es sich an, als wäre alles nur ein Spiel für sie gewesen“.

Auch die Versuche, die durch die Zerschlagung der Entwicklungshilfeorganisation USAID entstandene Lücke zu füllen, gestalten sich schwierig. Von den rund 10.000 Mitarbeitern, die dort beschäftigt waren, wird nur ein Bruchteil voraussichtlich zu den wenigen neu geschaffenen Positionen im Außenministerium zurückkehren. Die Episode der Massenentlassungen und ihrer überstürzten Rückabwicklung offenbart den Kern des Problems: Unter dem Deckmantel der Effizienz wurde ohne Rücksicht auf Verluste agiert, was nicht nur das Leben tausender Staatsdiener beeinträchtigte, sondern auch die Fähigkeit der Regierung, ihre grundlegendsten Aufgaben zu erfüllen, ernsthaft gefährdete. Der langfristige Schaden für das Vertrauen und die institutionelle Integrität, so die einhellige Meinung von Kritikern, wird nur schwer zu beheben sein. Musks disruptives Erbe in Washington ist ein Lehrstück darüber, dass „ein Elefant im Porzellanladen eine Menge Dinge zerbricht“ – und am Ende jemand die Scherben aufkehren muss.

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