
Die Verhaftung einer amtierenden Richterin in Milwaukee durch das FBI markiert eine neue, besorgniserregende Stufe im Konflikt zwischen der Trump-Regierung und Teilen der US-Justiz. Der Vorfall um Richterin Hannah Dugan, der vorgeworfen wird, die Festnahme eines undokumentierten Migranten vereitelt zu haben, wirft ein grelles Licht auf die aggressive Gangart der Administration bei der Durchsetzung ihrer harten Einwanderungsagenda und die wachsenden Spannungen mit lokalen Behörden und Gerichten, die sich dieser widersetzen. Es ist mehr als nur ein isolierter Rechtsstreit; es ist ein Symptom für einen tiefgreifenden Konflikt um Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und die Seele Amerikas.
Was genau geschah im Gerichtssaal 615 des Milwaukee County Courthouse? Laut FBI und der Anklageschrift konfrontierte Richterin Dugan Bundesagenten, die einen mexikanischen Staatsbürger festnehmen wollten, der wegen häuslicher Gewalt angeklagt war und sich mutmaßlich illegal im Land aufhielt. Sie soll die Beamten, die lediglich einen administrativen Haftbefehl der Einwanderungsbehörde ICE vorweisen konnten, abgewiesen und den Angeklagten anschließend durch eine nicht-öffentliche Seitentür aus dem Saal geführt haben. Der Mann wurde kurz darauf nach einer Verfolgung zu Fuß auf der Straße gefasst. Die Vorwürfe gegen Dugan: Behinderung eines behördlichen Verfahrens und Verbergen einer Person zur Verhinderung ihrer Festnahme. Die Verteidigung der Richterin hingegen kündigt energischen Widerstand an und pocht auf die Unschuldsvermutung. Ihr Anwalt bezeichnete die Verhaftung als nicht im Interesse der öffentlichen Sicherheit erfolgt.

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Ein administrativer Zettel gegen richterliche Autorität? Der Streit um den richtigen Haftbefehl
Der Kern des unmittelbaren Konflikts scheint sich auch um die Art des Haftbefehls zu drehen. Die Bundesagenten hatten keinen von einem Richter ausgestellten Haftbefehl, sondern lediglich ein von der ICE selbst erlassenes administratives Dokument. Solche Papiere verleihen weniger weitreichende Befugnisse, insbesondere erlauben sie keinen Zutritt zu Privatwohnungen ohne Zustimmung. Richterin Dugan soll die Agenten nach einem richterlichen Haftbefehl gefragt haben, was die Frage aufwirft, inwieweit sie die Autorität der Agenten in ihrem Gerichtsgebäude unter diesen Umständen anerkennen musste. Dieser Punkt ist ein häufiger Reibungspunkt im Dauerstreit zwischen Bundesbehörden und lokalen Instanzen, die oft kritisieren, dass ICE-Einsätze in Gerichtsgebäuden das Vertrauen untergraben und Zeugen oder Opfer davon abhalten, vor Gericht zu erscheinen. Die ICE-Behörde in Milwaukee verfolgt laut Aktenlage zwar eine Politik, nur straffällig gewordene Migranten und nicht Zeugen oder Opfer in Gerichten festzunehmen, doch das grundsätzliche Misstrauen bleibt.
Rechtsdurchsetzung oder Einschüchterung? Die politische Dimension einer Verhaftung
Die Reaktionen auf Dugans Verhaftung fallen erwartungsgemäß gespalten aus und offenbaren die tiefe politische Aufladung des Themas. Justizministerin Pam Bondi verteidigte das Vorgehen vehement: Niemand stehe über dem Gesetz, die Richterin habe Strafverfolgungsbeamte und Bürger gefährdet. Bondi drohte gar weiteren Richtern, die sich widersetzten: „Wir werden Sie verfolgen (…) Wir werden Sie finden“. FBI-Direktor Kash Patel warf Dugan vor, die Öffentlichkeit durch ihre Behinderung gefährdet zu haben und veröffentlichte sogar ein Foto der Richterin in Handschellen. Kritiker sehen darin jedoch einen gezielten Einschüchterungsversuch und eine gefährliche Politisierung der Justiz. Der Bezirksverwalter von Milwaukee sprach von einem Versuch, an Dugan ein Exempel zu statuieren, um all jene abzuschrecken, die sich Trumps „Angriff auf das Justizsystem“ widersetzten. Die Verhaftung sei eine „große performative Zurschaustellung“ von Strafverfolgung und sende ein „abschreckendes Signal“. Diese Rhetorik passt ins Bild der Regierung, die seit Monaten gegen „aktivistische“ Richter wettert und sogenannten „Sanctuary Cities“ den Kampf angesagt hat. Richterin Dugan selbst, die 2016 gegen einen von einem republikanischen Gouverneur ernannten Amtsinhaber gewählt wurde und eine lange Karriere in der Rechtshilfe für benachteiligte Gruppen vorweisen kann, scheint für die Trump-Regierung ins Feindbild zu passen.
Dieser Fall weckt Erinnerungen an eine ähnliche Situation in Massachusetts während Trumps erster Amtszeit, bei der eine Richterin ebenfalls beschuldigt wurde, einem Migranten zur Flucht vor ICE verholfen zu haben. Damals wurde die Anklage gegen die Richterin im Austausch für ein Disziplinarverfahren fallen gelassen. Doch Beobachter warnen, dass die Trump-Regierung in ihrer Neuauflage deutlich unnachgiebiger agieren könnte. Die Verhaftung von Richterin Dugan könnte somit ein Vorbote für eine noch härtere Konfrontation zwischen Exekutive und Judikative sein, mit potenziell gravierenden Folgen für die Unabhängigkeit der Gerichte und das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat. Die Botschaft aus Washington scheint klar: Widerstand wird nicht geduldet – selbst wenn er von einer Richterin im Namen dessen kommt, was sie möglicherweise als Schutz des Rechts oder der Würde von Personen in ihrem Gerichtssaal versteht. Der Fall Dugan wird zeigen, wie weit dieser Konflikt noch getrieben wird.