Justiz im Umbau: Wie Trumps Administration die Pfeiler des Rechtsstaats neu ausrichtet

Illustration: KI-generiert

In der Architektur der amerikanischen Demokratie galt das Justizsystem lange als tragender Pfeiler, als ein Gegengewicht, das durch die kühle Logik des Gesetzes und das Prinzip der Unparteilichkeit die politische Hitze des Tages ausbalancieren sollte. Doch dieser Pfeiler knirscht vernehmlich. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump erleben wir nicht weniger als den Versuch eines fundamentalen Umbaus, eine systematische Neuausrichtung, die das Wesen der amerikanischen Justiz zu verändern droht. Zwei aktuelle, auf den ersten Blick getrennte Vorgänge fügen sich bei genauerer Betrachtung zu einem beunruhigenden Mosaik zusammen: die paradoxe Untersuchung gegen den Mann, der Trump strafrechtlich verfolgte, und die zielstrebige Inthronisierung unbeirrbar loyaler Figuren an den Schaltstellen der Macht. Es ist die Anatomie einer Strategie, die darauf abzielt, aus dem Justizsystem ein politisches Instrument zu schmieden – eines, das Feinde bestraft und Freunde schützt.

Wenn der Jäger zum Gejagten wird: Die paradoxe Untersuchung gegen Jack Smith

Es ist eine fast schon ironische Volte der Geschichte: Jack Smith, der als Sonderermittler mit der Akribie eines erfahrenen Staatsanwalts die strafrechtlichen Fälle gegen Donald Trump vorantrieb, sieht sich nun selbst einer Untersuchung ausgesetzt. Die Behörde, die gegen ihn ermittelt, ist das U.S. Office of Special Counsel (OSC), eine unabhängige Agentur, die eigentlich über die Einhaltung des sogenannten Hatch Acts wacht. Dieses Gesetz verbietet Bundesangestellten im Kern, ihre offizielle Position für parteipolitische Aktivitäten zu missbrauchen. Der Anstoß kam von einem republikanischen Senator, Tom Cotton, der argumentiert, Smiths Versuch, die Prozesse gegen Trump zu beschleunigen, sei kein juristisches, sondern ein politisches Manöver gewesen – ein Versuch, die Präsidentschaftswahl 2024 zu beeinflussen.

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Was diesen Vorgang so außergewöhnlich macht, ist der offene Bruch mit etablierten Normen. Rechtsexperten, wie die auf Regierungsethik spezialisierte Juraprofessorin Kathleen Clark, zeigen sich verblüfft. Sie habe noch nie erlebt, dass das OSC die prozessualen Entscheidungen eines Staatsanwalts ins Visier nimmt. Solche Entscheidungen sind das Herzstück staatsanwaltschaftlicher Arbeit und unterliegen richterlicher Kontrolle, nicht der einer politischen Aufsichtsbehörde. Dass die Behörde eine Untersuchung nicht nur eröffnet, sondern dies auch öffentlich verkündet, sei „wirklich auffällig“. Die Untersuchung wirkt zudem wie ein Schlag ins Leere, denn die härteste Sanktion bei einem Verstoß gegen den Hatch Act ist die Entlassung aus dem Bundesdienst – eine Maßnahme, die bei Smith, der die Regierung bereits vor Monaten verlassen hat, ins Leere liefe.

Die Glaubwürdigkeit des Verfahrens wird zusätzlich durch die jüngsten Personalwechsel an der Spitze des OSC untergraben. Präsident Trump hatte zuvor den von der Biden-Regierung ernannten Leiter Hampton Dellinger entlassen, obwohl das Gesetz eine solche Abberufung nur bei schwerem Fehlverhalten vorsieht. An seine Stelle traten interimistisch Trump-Loyalisten. Die Behörde, die nun die politische Neutralität von Jack Smith prüfen soll, steht also selbst im Schatten des Vorwurfs, politisch instrumentalisiert zu werden. Es entsteht das Bild eines Justizapparats, das sich zunehmend gegen sich selbst zu kehren scheint.

Die neue Garde: Wenn Loyalität über dem Gesetz steht

Parallel zur Verfolgung früherer Gegner verläuft die Belohnung treuer Verbündeter. Nichts illustriert diese zweite Säule der Strategie deutlicher als die Bestätigung von Jeanine Pirro zur neuen Bundesanwältin für den District of Columbia. Ihr Profil passt perfekt in das neue Anforderungsprofil für hohe Justizämter: Sie ist keine distanzierte Juristin, sondern eine bekannte, kampferprobte Persönlichkeit aus dem Trump-Kosmos. Als ehemalige Moderatorin bei Fox News, Richterin und Staatsanwältin hat sie ihre unbedingte Loyalität zum ehemaligen Präsidenten über Jahre öffentlich zur Schau gestellt. Sie verbreitete Zweifel am Wahlergebnis von 2020 und verfasste ein Buch mit dem bezeichnenden Titel „Lügner, Verräter und Liberale: Der Fall gegen die Anti-Trump-Verschwörung“.

Ihre Ernennung auf einen der wichtigsten Posten der Bundesanwaltschaft, direkt in der Hauptstadt der Nation, ist daher mehr als nur eine Personalie. Sie ist ein Signal. Kritiker wie der ranghöchste Demokrat im Justizausschuss des Senats, Dick Durbin, sprechen offen von einer „Waffenwerdung des Justizsystems“. Er wirft Pirro vor, eine „willige Komplizin“ bei Trumps Versuch zu sein, das Justizministerium zum Schutz seiner Verbündeten und zur Verfolgung seiner Feinde einzusetzen. Ihre ausweichenden Antworten auf kritische Fragen im Senat, etwa zur Begnadigung der verurteilten Randalierer vom 6. Januar oder zur Weisungsgebundenheit gegenüber Gerichtsurteilen, nährten die Sorge, dass ihre Loyalität nicht primär dem Gesetz, sondern dem Präsidenten gilt.

Ein System nach seinem Bilde: Die Methode Trump

Die Fälle Smith und Pirro sind keine isolierten Ereignisse. Sie sind Teil eines Musters, das auf die systematische Unterwanderung etablierter Prozesse und Institutionen abzielt. Wenn der Weg durch den Senat steinig wird, werden prozedurale Umwege gesucht. So setzte das Justizministerium einen komplexen juristischen Kniff ein, um Trumps ehemalige persönliche Anwältin, Alina Habba, als Interims-Bundesanwältin in New Jersey im Amt zu halten und so die eigentlich notwendige Bestätigung durch den Senat zu umgehen. Es ist eine Methode, die zeigt, wie Regeln gedehnt werden, um polarisierende, aber loyale Personen in Position zu bringen.

Noch alarmierender ist ein Blick auf die Personalie, die Trump für die offizielle Leitung des OSC auserkoren hat: Paul Ingrassia, ein ehemaliger rechtsgerichteter Podcast-Moderator. Seine Nominierung löste bei Gruppen, die sich für die Rechte von Bundesangestellten einsetzen, Entsetzen aus. Ihm werden die öffentliche Verteidigung von weißen Rassisten und Antisemiten sowie seine Arbeit im Anwaltsteam eines wegen Menschenhandels und Vergewaltigung angeklagten Influencers vorgeworfen. Dass ein Mann mit einem derart extremen Hintergrund die Behörde leiten soll, die über die politische Neutralität von Regierungsmitarbeitern wacht, offenbart eine tiefgreifende Missachtung der Prinzipien, für die diese Institution eigentlich steht.

Diese aggressive Personalpolitik steht in einem schrillen Kontrast zum Umgang der Trump-Administration mit dem Hatch Act in der Vergangenheit. Während seiner ersten Amtszeit ignorierten mehr als ein Dutzend seiner höchsten Beamten das Gesetz systematisch, was eine offizielle Untersuchung später als „vorsätzliche Missachtung des Gesetzes“ brandmarkte. Die Empfehlung des OSC, seine damalige Beraterin Kellyanne Conway wegen wiederholter Verstöße zu entlassen, wurde vom Präsidenten schlicht ignoriert. Die neue Härte gegen Smith wirkt vor diesem Hintergrund wie die Anwendung eines doppelten Standards: Laxheit für die eigenen Leute, aber die volle Wucht des Apparats für die Gegner.

Das Knirschen der Pfeiler: Ein Rechtsstaat am Scheideweg

Die Auswirkungen dieser Entwicklungen hallen bis in die Herzkammern der amerikanischen Legislative wider. Der politische Grabenkampf um die Bestätigung von Nominierten hat sich zu einer Blockade verhärtet. Die Republikaner werfen den Demokraten Obstruktion vor, während die Demokraten die ungeeigneten Kandidaten anprangern. Trumps Reaktion auf die festgefahrenen Verhandlungen war bezeichnend: Statt einen Kompromiss zu suchen, forderte er seine Senatoren auf, nach Hause zu fahren und den Wählern zu erklären, „was für schlechte Menschen die Demokraten sind“. Es ist eine Logik der Konfrontation, nicht der Kooperation, die den politischen Prozess lähmt.

Was bedeutet es für einen Rechtsstaat, wenn die Institutionen, die seine Neutralität garantieren sollen, mit Akteuren besetzt werden, deren vornehmste Qualifikation ihre politische Treue ist? Was geschieht mit dem Vertrauen der Bürger, wenn der Eindruck entsteht, dass das Gesetz nicht mehr für alle gleich gilt, sondern je nach politischer Zugehörigkeit gebogen wird? Die Vorgänge um Jack Smith, Jeanine Pirro und die schleichende Übernahme des OSC sind mehr als nur politisches Tagesgeschäft. Sie sind seismische Erschütterungen an den Fundamenten der amerikanischen Gewaltenteilung. Die Waage der Justitia, das Symbol für Ausgewogenheit und Fairness, droht aus dem Gleichgewicht zu geraten – nicht durch Zufall, sondern durch das gezielte Auflegen politischer Gewichte auf eine ihrer Schalen.

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