Hegseths Mission: Die Unterwerfung des Pentagon

Illustration: KI-generiert

Die Gesichter der rund 800 Generäle und Admirale, die Verteidigungsminister Pete Hegseth nach Quantico beordert hatte, blieben weitgehend regungslos. Sie waren aus der ganzen Welt eingeflogen worden, auf enorme Kosten und mit erheblichem Aufwand, nur um sich von einem Mann, der selbst nie über den Rang eines Majors in der Nationalgarde hinauskam, über die Grundlagen militärischer Führung belehren zu lassen.

Es war ein bizarres Schauspiel. In einer an die berühmte Szene des Films Patton erinnernden Inszenierung dozierte Hegseth über die Bedeutung von Fitness und die Notwendigkeit kürzerer Haarschnitte. Für die versammelte Führungselite des US-Militärs, die gemeinsam über 25.000 Jahre Diensterfahrung repräsentierte, muss der Auftritt wie der wahrgewordene Wunschtraum eines Mannes gewirkt haben, der nun endlich all jenen Vorgesetzten die Leviten lesen darf, die sein eigenes Potenzial nie erkannten.

Doch wer Hegseths Feldzug im Pentagon als bloße Eitelkeit oder Midlife-Crisis abtut, übersieht die tiefgreifende und systematische Gefahr. Die Vorträge über „fette Generäle“ und „Ami-Frisuren“ sind nur die oberflächliche Inszenierung eines weitaus ernsteren Projekts: Pete Hegseth ist nicht angetreten, um das US-Militär zu reformieren. Er ist angetreten, um es zu unterwerfen, es ideologisch zu säubern und seine verfassungsmäßigen Leitplanken zu schleifen.

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Der Feldzug gegen den inneren Feind

Offiziell verkauft Hegseth seine Mission als Rückkehr zur Apolitizität und „maximalen Tödlichkeit“. Die wahren Feinde, die er bekämpft, sind jedoch nicht die Gegner Amerikas, sondern die als „woke“ diffamierten Einflüsse im Inneren: Diversitätsinitiativen (D.E.I.), Gleichstellungsbüros und eine angebliche „Klimawandel-Anbetung“.

Um zu verstehen, was Hegseth antreibt, muss man tiefer blicken als nur auf die maßgeschneiderten Anzüge, die seine athletische Figur betonen. Man muss die Brüche in seiner Biografie sehen: die mehrfach gescheiterten Ehen, die von Untreue geprägt waren, und die persönliche Krise, die ihn in die Arme einer radikalen Form des Christentums trieb.

Hegseth ist heute ein prominentes Mitglied der Communion of Reformed Evangelical Churches (CREC). Dies ist keine harmlose Sonntagsfrömmigkeit. Die CREC vertritt eine „dominionistische“ Theologie – den Glauben, dass Christen die Pflicht haben, über alle Aspekte der Gesellschaft zu herrschen, einschließlich der Regierung. Es ist eine Ideologie, die ein biblisches Patriarchat predigt, offen die Abschaffung des Frauenwahlrechts diskutiert („Haushaltswahlrecht“, bei dem nur der Mann wählt) und Homosexualität als Verbrechen betrachtet, das bestraft werden muss.

Diese Agenda ist nicht länger privat. Hegseth bringt sie aktiv ins Pentagon. Er spricht von „spiritueller Einsatzbereitschaft“, führt Gebetssitzungen durch und nutzt explizit biblische Rhetorik, um die Mission des Militärs zu definieren. Ergänzt wird dieser religiöse Eifer durch eine säkulare „Kriegerkultur“, eine Ideologie, die Kompromisse und Selbstzweifel als Schwäche verachtet.

Die Säuberung: Wer nicht passt, muss gehen

Wie dieser ideologische Überbau in der Praxis aussieht, demonstriert Hegseth mit rücksichtsloser Konsequenz. Er hat „Identity Months“ verboten, lässt die Errungenschaften von Frauen und ethnischen Minderheiten von Militär-Websites tilgen und will Schiffe wie die USNS Harvey Milk, benannt nach einem Bürgerrechts-Pionier, umbenennen lassen. Sein Fokus auf Äußerlichkeiten ist dabei alles andere als neutral. Wenn Hegseth „Beardos“ (Bartträger) den Kampf ansagt, trifft dies unverhältnismäßig stark Schwarze Soldaten. Etwa zwei Drittel derer, die aus medizinischen Gründen (chronischer Rasurbrand) eine Bart-Ausnahmegenehmigung besitzen, sind Schwarz. Diese Ausnahme soll nun fallen.

Gleichzeitig werden Frauen systematisch an den Rand gedrängt. Obwohl Hegseth verbal beteuert, die Streitkräfte seien „geschlechtsneutral“, hat er Fitnessstandards angekündigt, die sich ausschließlich am „höchsten männlichen Standard“ orientieren. Kritiker sehen darin einen kaum verhohlenen Versuch, Frauen faktisch aus Kampfeinheiten und Führungspositionen zu vertreiben. Passend dazu wurden unter seiner Führung auffallend viele hochrangige Offiziere, die entweder weiblich sind oder ethnischen Minderheiten angehören, ohne transparente Begründung entlassen. Die Botschaft an die Truppe ist unmissverständlich: Leistung und Kompetenz sind sekundär. Primär zählt die ideologische und kulturelle Konformität.

Die Festung der Loyalität: Recht und Transparenz als Hindernis

Während der Kulturkampf an der Oberfläche tobt, vollzieht Hegseth in der Tiefe eine weitaus gefährlichere Demontage: Er entkernt die unabhängigen Kontrollinstanzen des Militärs. Sein Hauptziel ist das Judge Advocate General’s Corps (JAG) – die Militäranwälte. Hegseth hegt einen alten Groll gegen die JAGs, die er verächtlich als „Jagoffs“ bezeichnet. Sein Hass speist sich aus der Zeit, als er bei Fox News erfolgreich Lobbyarbeit für die Begnadigung mutmaßlicher Kriegsverbrecher wie Eddie Gallagher betrieb. Die JAGs waren diejenigen, die auf die Einhaltung des Kriegsrechts pochten. Kaum im Amt, feuerte Hegseth die Spitzen der Militärjustiz. Sein erklärtes Ziel: Die Anwälte seien „Hindernisse“ für die Befehle des Oberbefehlshabers. Damit zerstört er das Immunsystem der Truppe. Die JAGs sind es, die Kommandeure vor Ort beraten und sie vor der Ausführung rechtswidriger Befehle warnen. Ohne sie regiert der blinde Gehorsam.

Diese Gefahr ist nicht theoretisch. Sie ist bereits Realität. Die von Trump und Hegseth befohlene Föderalisierung der kalifornischen Nationalgarde zur Durchsetzung von Einwanderungsgesetzen wurde von einem Bundesgericht als schwerwiegender Verstoß gegen den Posse Comitatus Act gewertet – das Gesetz, das den Einsatz des Militärs im Inland verbietet. Die Gerichtsakten zeigen: Das Pentagon handelte „wissentlich“ und ignorierte die eigenen Trainingshandbücher. Die Befehle, so ein Offizier, kamen „von ganz oben“. Um sicherzustellen, dass solche Vorgänge künftig nicht mehr nach außen dringen, errichtet Hegseth eine Mauer des Schweigens. Kritische Reporter wurden durch neue Restriktionen faktisch aus dem Pentagon vertrieben. Und in einem beispiellosen Schritt müssen Pentagon-Mitarbeiter – einschließlich des Generalstabschefs – nun eine Genehmigung einholen, bevor sie mit dem Kongress kommunizieren. Dies ist ein direkter Angriff auf die verfassungsmäßige Aufsichtspflicht der Legislative.

Ein Ministerium nach Trumps Bild

Das vielleicht größte Paradoxon in der Amtsführung Hegseths ist die Gleichzeitigkeit von dilettantischer Inkompetenz und autoritärem Kontrollwahn. Derselbe Mann, der hochsensible Angriffspläne für den Jemen fahrlässig in einem Messenger-Chat teilte („Signalgate“), diszipliniert nun Generäle wegen ihrer Frisuren.

Die traditionelle Militärführung ist in einer unmöglichen Position. Sie schwört einen Eid auf die Verfassung, muss aber einem Minister gehorchen, der sie öffentlich herabwürdigt und dessen Fachkompetenz als bestenfalls lächerlich empfunden wird. Hegseth wiederum, geschult durch Jahre bei Fox News, weiß jede Kritik an seiner Leistung meisterhaft als „Verfolgung“ wegen seines christlichen Glaubens umzudeuten.

Am Ende geht es nicht um Bärte, Fitness oder die Frage, ob D.E.I.-Programme die Kampfkraft steigern oder (wie Verteidiger von Hegseth behaupten) senken. Es geht um die Frage, wem das mächtigste Militär der Welt dient. Die Geschichte liefert hier eine bittere Parallele: Die Argumente, die heute gegen Diversität vorgebracht werden – sie untergrabe den Zusammenhalt und die Moral – sind exakt dieselben, mit denen sich die Militärführung 1948 gegen die Aufhebung der Rassentrennung wehrte. Sie waren damals falsch und sind es heute.

Kritiker warnen zurecht, dass in einer Zeit von Künstlicher Intelligenz, Drohnenkrieg und Cyber-Operationen der Ausschluss von Talenten aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder Religion ein strategisches Desaster ist. Hegseth opfert die Kampfkraft der Zukunft für die ideologische Reinheit der Vergangenheit. Der wahre Nutznießer ist Donald Trump. Er erhält einen Verteidigungsminister, der bewiesen hat, dass er bereit ist, den Rechtsstaat zu beugen, die Aufsicht des Kongresses zu blockieren und die Justiz auszuschalten. Hegseth formt ein Militär, das nicht mehr der Verfassung verpflichtet ist, sondern der persönlichen Loyalität zu einem Präsidenten. Eines, das bereitsteht, um den Kampf gegen den „Feind im Inneren“ aufzunehmen.

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