Habbas Ernennung: Wie ein juristisches Vexierspiel die amerikanische Gewaltenteilung auf die Probe stellt

Illustration: KI-generiert

Es gibt Momente, in denen die sonst so robust wirkende Maschinerie des Rechtsstaats ins Stottern gerät. Momente, in denen sich die Zahnräder der Justiz verhaken und ein ganzes System zum Stillstand kommt. Ein solcher Moment spielt sich gerade in New Jersey ab, wo die Bundesgerichte in eine seltsame Paralyse verfallen sind. Grand-Jury-Verfahren werden ausgesetzt, Anklageerhebungen verschoben, Prozesse vertagt. Der Grund für diesen Stillstand ist keine Naturkatastrophe und kein technischer Defekt, sondern eine einzige Person und die Frage, ob sie überhaupt das Recht hat, ihr Amt auszuüben: Alina Habba, die von Präsident Donald Trump installierte oberste Bundesanwältin des Staates.

Die am 21. August 2025 von Bundesrichter Matthew W. Brann gefällte Entscheidung, dass Habba ihr Amt seit Wochen unrechtmäßig führt, ist weit mehr als eine juristische Fußnote. Sie ist der vorläufige Höhepunkt eines institutionellen Machtkampfes, der die Grundfesten der amerikanischen Gewaltenteilung erschüttert. Es ist eine Auseinandersetzung, die tief in die Geschichte des Misstrauens zwischen dem Weißen Haus und dem Kongress zurückreicht und die in der zweiten Amtszeit von Donald Trump eine neue, schärfere Eskalationsstufe erreicht hat. Die Causa Habba ist ein Lehrstück darüber, wie eine entschlossene Exekutive versucht, die Grenzen des Gesetzes bis zur Unkenntlichkeit zu dehnen, und wie die Justiz gezwungen wird, zur letzten Verteidigungslinie für die Spielregeln der Demokratie zu werden. Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht nur die Karriere einer loyalen Anwältin, sondern die Integrität des Rechtssystems selbst.

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Ein juristischer Eiertanz: Die Chronik eines absehbaren Konflikts

Um die Brisanz von Richter Branns Urteil zu verstehen, muss man den Weg nachzeichnen, der dorthin führte – ein Weg, der mit Finten, juristischen Kniffen und offenem Machtpoker gepflastert ist. Alina Habba, eine Anwältin ohne jegliche Erfahrung als Staatsanwältin, aber mit einer nachgewiesenen, unerschütterlichen Loyalität zu Donald Trump, wurde im März 2025 zur Interims-U.S. Attorney für New Jersey ernannt. Ein solcher Posten ist gesetzlich auf eine Amtszeit von 120 Tagen begrenzt – eine klare Frist, die verhindern soll, dass der Präsident den Senat und dessen verfassungsmäßiges Recht auf Anhörung und Zustimmung bei der Besetzung hoher Ämter auf Dauer umgeht.

Als diese Frist im Juli 2025 ablief, trat ein, was das Gesetz vorsieht: Die Bundesrichter von New Jersey nutzten ihre Befugnis und ernannten eine Nachfolgerin – Desiree Grace, eine hoch angesehene und erfahrene Staatsanwältin aus dem eigenen Haus. Doch die Reaktion der Trump-Administration war ebenso schnell wie brutal. Justizministerin Pam Bondi attackierte die Richter öffentlich als politische Akteure, und Desiree Grace wurde umgehend entlassen, noch bevor sie ihr Büro beziehen konnte.

Damit begann ein beispielloses Manöver, dessen Ziel es war, Alina Habba um jeden Preis im Amt zu halten. Es war ein juristisches Vexierspiel, das in mehreren Akten ablief. Zuerst zog Präsident Trump Habbas offizielle Nominierung für eine volle Amtszeit, die bereits beim Senat lag, zurück. Dies war ein entscheidender Schritt, denn der Federal Vacancies Reform Act (FVRA) verbietet es in der Regel, dass eine Person, deren Nominierung ansteht, gleichzeitig als kommissarische Amtsinhaberin dient. Unmittelbar danach trat Habba von ihrem Posten als Interims-Staatsanwältin zurück. In dem durch ihren eigenen Rücktritt geschaffenen Vakuum wurde sie von Justizministerin Bondi zur First Assistant U.S. Attorney ernannt – also zur Nummer zwei der Behörde. Da der Posten des Leiters nun unbesetzt war, rückte Habba als dessen Stellvertreterin automatisch zur Acting U.S. Attorney auf – eine Position, die mit einer deutlich längeren potenziellen Amtszeit verbunden ist.

Das Urteil: Ein Dammbruch gegen die Umgehung des Gesetzes

Richter Matthew W. Brann, ein von Präsident Obama ernannter Richter mit republikanischer Vergangenheit, entlarvte dieses Manöver in seiner 77-seitigen Entscheidung als das, was es war: ein unzulässiger Versuch, den Kongress und die Gewaltenteilung auszutricksen. Seine Argumentation stützt sich auf eine präzise und unnachgiebige Auslegung der relevanten Gesetze, die dem Vorgehen der Regierung den Boden entzieht.

Zunächst zerlegte er die Vorstellung, die 120-Tage-Frist für Interims-Ernennungen nach 28 U.S.C. § 546 sei pro Person neu startbar. Brann stellte klar: Die Frist ist eine absolute Obergrenze, die beginnt, sobald der Justizminister erstmals von dieser Ernennungsbefugnis Gebrauch macht. Sie ist eine einmalige Karte, kein wiederaufladbares Guthaben. Demnach endete Habbas rechtmäßige Amtszeit bereits am 1. Juli 2025, 120 Tage nach der Ernennung ihres Vorgängers, John Giordano. Jede Handlung danach, inklusive der Unterzeichnung von Anklageschriften, war rechtlich schwebend.

Noch entscheidender war jedoch Branns Interpretation des Federal Vacancies Reform Act (FVRA), dem zentralen Gesetz zur Regelung kommissarischer Amtsführungen. Die Regierung argumentierte, Habba sei als frisch ernannte „First Assistant“ rechtmäßig zur „Acting U.S. Attorney“ aufgestiegen. Doch der Richter machte deutlich, dass das Gesetz hier eine entscheidende Bedingung stellt: Nur wer zum Zeitpunkt des Entstehens der ursprünglichen Vakanz bereits der „First Assistant“ war, kann automatisch nachrücken. Es ist eine Art Fotoaufnahme des Moments, in dem der Posten frei wird. Das Gesetz soll Kontinuität durch eine bereits etablierte Führungskraft sichern und nicht dem Präsidenten erlauben, jederzeit eine externe Person in die Stellvertreterposition zu hieven, um sie von dort aus an die Spitze zu katapultieren. Dieser Mechanismus, so Brann, würde die strengen Qualifikationsanforderungen des FVRA für andere Kandidaten – etwa eine vorherige Senatsbestätigung oder langjährige Behördenerfahrung – ad absurdum führen.

Auch das letzte juristische Rettungsboot der Regierung, die Behauptung, Habba könne ihre Befugnisse als eine Art Special Attorney direkt von der Justizministerin delegiert bekommen, ließ der Richter nicht zu Wasser. Er verwies auf eine explizite Klausel im FVRA, die genau das verhindern soll: die Nutzung allgemeiner Delegationsbefugnisse, um die spezifischen und strengen Regeln für die Besetzung von Spitzenpositionen zu umgehen. Der Kongress hatte diese Regel einst erlassen, um die wiederholten Versuche vergangener Regierungen zu unterbinden, sich der Kontrolle durch den Senat zu entziehen. Die Geschichte, so schien der Richter zu sagen, wiederholt sich nicht nur, sie wird hier bewusst als Strategie missbraucht.

Die Folgen: Ein System im Schwebezestand

Die Auswirkungen dieser juristischen Pattsituation sind im Justizalltag von New Jersey dramatisch spürbar. Die Unsicherheit über Habbas Autorität hat eine Welle der Vorsicht und des Zögerns ausgelöst. Staatsanwälte fürchten, dass jede von ihnen unterzeichnete Anklage, jeder ausgehandelte Deal von der Verteidigung erfolgreich angefochten werden könnte. Das Ergebnis ist eine De-facto-Lähmung. Die Quellen berichten von einem drastischen Einbruch der Moral innerhalb der einst prestigeträchtigen Behörde. Prozesse von erheblicher Bedeutung stehen auf der Kippe, und die Strafverfolgung im ganzen Bundesstaat ist in eine Warteschleife geraten.

Interessanterweise hat Richter Brann im Fall des Angeklagten Cesar Pina, dessen Anklage von Habba nach dem Stichtag 1. Juli unterzeichnet wurde, die Anklage nicht fallengelassen. Er stufte die ungültige Unterschrift als „harmlosen Fehler“ ein, eine technische Unzulänglichkeit, da die Ermittlungen und die Vorbereitung der Anklage bereits vor dem unrechtmäßigen Zeitraum von ordnungsgemäß bestellten Staatsanwälten geleitet worden waren. Dies zeigt, dass das System zwar Puffer gegen formale Fehler besitzt, aber es ändert nichts an der fundamentalen Illegitimität von Habbas Führungsposition. Jede zukünftige Handlung, jede strategische Entscheidung, die sie trifft, ist potenziell anfechtbar.

Ein nationales Muster und die offene Zukunft

Der Fall Habba steht nicht isoliert da. Er ist Teil einer umfassenderen Strategie der Trump-Administration, Schlüsselpositionen in der Justiz mit loyalen Personen zu besetzen und dabei den traditionellen Weg über den Senat, wo Kandidaten auf Herz und Nieren geprüft werden, zu meiden. Ähnliche Manöver wurden bereits in New York und Nevada beobachtet, wo ebenfalls umstrittene Kandidaten über juristische Umwege im Amt gehalten werden. Es ist der Versuch, ein System zu etablieren, in dem persönliche Loyalität zum Präsidenten mehr wiegt als berufliche Qualifikation oder die verfassungsmäßig vorgesehene Kontrolle durch eine andere Gewalt.

Die öffentliche Kommunikation rund um den Fall spiegelt diese politische Aufladung wider. Während Habba und das Justizministerium die Richter als parteiische Gegner von Präsident Trump darstellen, die dessen Agenda blockieren wollen, prangern Kritiker Habbas offene Politisierung des Amtes an. Ihre erklärte Absicht, dabei zu helfen, „New Jersey rot zu färben“, und die Einleitung von Ermittlungen gegen prominente Demokraten haben das Bild einer Staatsanwältin zementiert, die das Recht als Waffe im politischen Kampf versteht.

Nun liegt der Ball beim Berufungsgericht. Die Entscheidung von Richter Brann wurde ausgesetzt, um der Regierung die Möglichkeit zur Anfechtung zu geben. Das kommende Urteil wird von nationaler Bedeutung sein. Bestätigt es Branns restriktive Auslegung der Gesetze, wäre dies ein empfindlicher Schlag für die Fähigkeit des Präsidenten, den Senat zu umgehen. Es würde einen wichtigen Präzedenzfall schaffen und die Leitplanken der exekutiven Macht wieder fester verankern. Sollte das Berufungsgericht jedoch zugunsten der Regierung entscheiden, könnte dies die Tür für eine noch weitreichendere Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle öffnen.

Die Causa Alina Habba hat die abstrakten Prinzipien der Gewaltenteilung in einen greifbaren, realen Konflikt übersetzt. Sie zeigt, wie verletzlich die Institutionen sind, wenn ihre Regeln nicht mehr als gemeinsame Grundlage, sondern als lästige Hindernisse auf dem Weg zur Macht betrachtet werden. Der Ausgang dieses Kampfes wird nicht nur über das Schicksal einer U.S. Attorney entscheiden, sondern auch darüber, wie robust das Fundament des amerikanischen Rechtsstaats im 21. Jahrhundert noch ist.

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