
Die globale Wirtschaft sieht sich mit einer neuen Welle der Unsicherheit konfrontiert, nachdem die US-Regierung unter Präsident Trump die Handelsspannungen mit China drastisch verschärft hat. Mit der Ankündigung von Zöllen von bis zu 145 Prozent auf chinesische Importe hat Washington eine Eskalationsstufe erreicht, die seit über einem Jahrhundert beispiellos ist. Peking reagierte umgehend und spiegelbildlich mit Vergeltungszöllen von bis zu 125 Prozent und signalisierte mit weiteren Maßnahmen wie der Drosselung von Rohstoffexporten und der Anweisung an staatliche Fluglinien, keine Bestellungen bei Boeing mehr zu tätigen, seine Entschlossenheit, dem Druck nicht nachzugeben. Diese jüngste Konfrontation stürzt Unternehmen und Investoren weltweit in eine tiefe Verunsicherung und lässt die Sorge vor einer globalen Rezession wachsen.
Die Finanzmärkte reagierten mit erheblicher Nervosität auf die Ankündigungen. Die ohnehin schon spürbare Volatilität an den Aktienbörsen nahm weiter zu, während Investoren angesichts der erratischen und sich ständig ändernden handelspolitischen Signale aus Washington zögern, langfristige Engagements einzugehen. Beobachter sprechen von einem „Chaos“, das die Planungssicherheit für international agierende Unternehmen untergräbt. Ein direktes Symptom dieser Verunsicherung ist die Schwäche des US-Dollars. Seit dem Amtsantritt des Präsidenten hat die amerikanische Währung fast zehn Prozent ihres Wertes gegenüber einem Korb wichtiger Währungen verloren, wobei mehr als die Hälfte dieses Verlustes allein auf die jüngsten Eskalationen im Handelsstreit zurückzuführen ist. Aktuell notiert der Dollar nahe einem Dreijahrestief gegenüber dem Euro. Während dies US-Exporteuren theoretisch helfen könnte, verteuert es Importe und birgt die Gefahr steigender Inflation für amerikanische Verbraucher. Zudem erschwert es Reisen ins Ausland.
Unberechenbare Zollpolitik lähmt Investoren und schwächt den Dollar
Die Unberechenbarkeit der US-Handelspolitik wird von Marktteilnehmern und Ökonomen scharf kritisiert. Die sprunghafte Festlegung von Zöllen, begleitet von widersprüchlichen Aussagen des Präsidenten und seiner Berater, untergräbt das Vertrauen in die Verlässlichkeit der US-Administration. Normalerweise führt die Einführung von Zöllen tendenziell zu einer Aufwertung der Währung des betreffenden Landes. Dass der Dollar trotz der massiven Zollerhöhungen fällt, werten Experten als klares Misstrauensvotum der Märkte gegenüber der wirtschaftspolitischen Kompetenz der Regierung.

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US-Finanzminister Scott Bessent versuchte zwar, die Lage zu beruhigen, indem er betonte, es gebe „keine Beweise“ dafür, dass ausländische Investoren im großen Stil US-Vermögenswerte abstießen. Er verwies auf die robuste Nachfrage bei jüngsten Auktionen von US-Staatsanleihen. Gleichzeitig räumte er jedoch ein, dass die neu verhängten Zölle „alles andere als ein Scherz“ seien und die wirtschaftlichen Auswirkungen ernst genommen werden müssten. Trotz der aktuellen Schwäche bleibt der Dollar laut Experten wie Paul Blustein tief im globalen Finanzsystem verankert („incredibly entrenched“), eine Position, die weder der Euro – aufgrund der fehlenden Fiskalunion der Eurozone – noch der chinesische Yuan – wegen der bestehenden Kapitalverkehrskontrollen – kurzfristig gefährden können. Dennoch sendet die aktuelle Entwicklung ein Warnsignal über die langfristige Attraktivität von US-Anlagen unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen.
Die Auswirkungen der Zollspirale sind bereits jetzt in zahlreichen Schlüsselsektoren der Wirtschaft spürbar und drohen sich weiter zu verschärfen:
- Technologie: Der High-Tech-Sektor leidet unmittelbar unter den Restriktionen. Chiphersteller wie Nvidia sehen sich mit Verkaufsbeschränkungen nach China konfrontiert, was zu prognostizierten Umsatzeinbußen von bis zu 5,5 Milliarden US-Dollar führen könnte. Auch die geplante Einführung neuer Zölle auf Halbleiter dürfte die Branche weiter belasten.
- Automobilindustrie: Dieser Sektor befindet sich in einem Zustand erheblicher Verunsicherung. Bestehende und angedrohte Zölle auf Fahrzeuge und Zulieferteile aus dem Ausland haben bereits zu Produktionsunterbrechungen geführt und könnten die Preise für Endverbraucher spürbar erhöhen. Zwar wird über eine mögliche temporäre Aussetzung der Autozölle diskutiert, doch die Bedingungen hierfür, insbesondere mögliche Ausnahmeregelungen für Teile aus US-Produktion, sind noch völlig unklar.
- Luftfahrt: Der US-Flugzeugbauer Boeing ist ein prominentes Opfer der chinesischen Gegenmaßnahmen. Berichte, wonach chinesische Fluggesellschaften angewiesen wurden, keine neuen Boeing-Maschinen mehr abzunehmen, treffen den Konzern empfindlich. Während der europäische Konkurrent Airbus langfristig profitieren könnte, ist auch er nicht immun gegen die Verwerfungen, da er auf Komponenten aus den USA angewiesen ist, die ebenfalls von Handelsbeschränkungen betroffen sein könnten.
- Einzelhandel: Importeure von Konsumgütern, insbesondere im Bereich Hauswaren, sehen sich mit massiv gestiegenen Einfuhrkosten aus China konfrontiert. Dies dürfte über kurz oder lang zu höheren Preisen in den Regalen führen und die Kaufkraft der Konsumenten belasten.
- Landwirtschaft: Die US-Farmer, eine wichtige Wählergruppe insbesondere in politisch umkämpften Bundesstaaten wie North Carolina, zeigen sich zunehmend besorgt. Der Verlust wichtiger Exportmärkte in China und die allgemeine Unvorhersehbarkeit der Handelspolitik treffen sie hart und gefährden ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage.
- Pharmazeutische Industrie: Auch dieser Sektor rückt ins Visier der Zollpolitik. Neue Abgaben auf Pharmazeutika sind wahrscheinlich. Einige Unternehmen reagieren mit Ankündigungen von Investitionen in den USA, doch gleichzeitig könnten steigende Kosten zu Kürzungen bei Forschungsausgaben oder Personal führen.
Internationale Spannungen und Sorgen um US-Konjunktur nehmen zu
Die Reaktionen aus dem Ausland fallen gemischt aus. China gibt sich offiziell unbeeindruckt und widerstandsfähig. Peking verweist auf überraschend starke Wirtschaftswachstumszahlen von 5,4 Prozent im ersten Quartal 2025 und warnt die USA vor einer weiteren Ausweitung des Konflikts. Die staatliche Zollkommission spielte die Bedeutung der US-Zölle herunter und bezeichnete sie als ökonomisch unsinnig und einen zukünftigen „Witz“ der Wirtschaftsgeschichte. Gleichzeitig sucht China aktiv nach alternativen Handelspartnern, um seine Abhängigkeit vom US-Markt zu reduzieren.
Die Europäische Union beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge. Brüssel sieht aber auch eine potenzielle Chance für China, sich in Abgrenzung zur volatilen US-Politik als stabilerer und berechenbarerer Handelspartner zu profilieren. Die EU-Handelskammer in China mahnte Peking jedoch zugleich, seine Industriepolitik zu überdenken, um fairere Wettbewerbsbedingungen und für beide Seiten vorteilhafte Wirtschaftsbeziehungen zu ermöglichen.
Auch andere Länder wie Mexiko sind direkt betroffen. Das Land sieht sich nicht nur mit den allgemeinen US-Zöllen konfrontiert, sondern auch mit spezifischen Drohungen, unter anderem im Zusammenhang mit einem Streit um Wasserrechte. Mexiko versucht, die negativen Auswirkungen abzufedern. Trotz der Spannungen betonen viele Akteure in der Grenzregion weiterhin die grundlegende Bedeutung und den beiderseitigen Nutzen der engen Handelsverflechtungen zwischen den USA und Mexiko. Selbst Hongkong, traditionell ein Hort des Freihandels, sah sich gezwungen, als Reaktion auf die US-Politik den Versand von Postpaketen in die USA auszusetzen, was seine Rolle als globales Handelsdrehkreuz beeinträchtigt.
Innerhalb der USA wachsen die Befürchtungen vor negativen gesamtwirtschaftlichen Folgen. Die Sorge vor steigender Inflation und einer möglichen Rezession als Konsequenz des Handelskriegs ist greifbar. Die Wall Street reagiert zunehmend nervös auf die Unberechenbarkeit der Regierungspolitik. Kritiker bemängeln den Führungsstil des Präsidenten in dieser Krise. Zwar wird ihm von manchen Beobachtern attestiert, dass er bestehende Probleme im internationalen Handel korrekt diagnostiziere („Meister darin, Diagnosen für ein politisches Problem zu stellen“). Doch bei der Entwicklung tragfähiger und konstruktiver Lösungen versage er („Doch wenn es um die Lösung geht, versagt er kläglich“). Sein konfrontativer und oft erratischer Ansatz wird als ungeeignet für die komplexe Führung einer globalen Supermacht angesehen und scheint auch innenpolitisch an Zustimmung zu verlieren, wie sinkende Popularitätswerte andeuten.
Die Weltwirtschaft steht somit an einem kritischen Punkt. Die Eskalationsspirale im Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften droht nicht nur das globale Wachstum zu bremsen, sondern auch etablierte Lieferketten zu zerreißen und die internationale politische Ordnung nachhaltig zu destabilisieren. Eine klare, kohärente Strategie zur Deeskalation ist derzeit nicht in Sicht, was die Unsicherheit weiter nährt und die Risiken für alle Beteiligten erhöht.