Elon Musks Washington-Odyssee: Zwischen Größenwahn, Desillusionierung und unternehmerischer Realpolitik

Illustration: KI-generiert

Elon Musks Gastspiel in der Washingtoner Politik war kurz, aber laut. Angetreten, um den Regierungsapparat mit der Brachialgewalt eines Tech-Disruptors umzukrempeln, zog der Milliardär nach nur 130 Tagen offiziell den Stecker. Sein Abgang ist mehr als das Ende einer befristeten Anstellung; er ist das vorläufige Finale einer turbulenten Episode, die von ambitionierten Sparzielen, wachsender Frustration über politische Realitäten, öffentlicher Kritik am eigenen Präsidenten und nicht zuletzt den spürbaren Kollateralschäden für seine Unternehmen Tesla und SpaceX geprägt war. Was bleibt, ist die Frage nach dem Erbe dieses Experiments – und ob der Rückzug ins unternehmerische All eine endgültige Abkehr von der politischen Bühne bedeutet.

DOGE: Der Zwei-Billionen-Dollar-Traum und die 160-Milliarden-Realität

Im Zentrum von Musks politischer Mission stand die „Department of Government Efficiency“ (DOGE)-Initiative. Mit dem medienwirksamen Auftritt, inklusive Kettensägen-Symbolik bei einer konservativen Konferenz, versprach Musk nicht weniger als eine Revolution der Staatsausgaben. Ursprünglich war von Einsparungen in Höhe von zwei Billionen Dollar die Rede, ein Ziel, das später auf eine Billion und schließlich auf deutlich bescheidenere Summen korrigiert wurde. Musk selbst sprach zuletzt von eingesparten 160 Milliarden Dollar, eine Zahl, die von Kritikern jedoch umgehend in Zweifel gezogen wurde. Vorwürfe von Doppelzählungen und bereits vor DOGE beschlossenen Kürzungen machten die Runde. Auch innerhalb der Administration wurde die Darstellung von DOGEs Erfolgen bisweilen als übertrieben wahrgenommen; das Weiße Haus selbst relativierte in Gerichtsunterlagen Musks formale Führungsposition bei DOGE. Musk hingegen stilisierte seine Sparbehörde zum „Prügelknaben“, der für alles Negative verantwortlich gemacht werde, selbst wenn kein direkter Zusammenhang bestand. Trotz der ambitionierten Rhetorik und des unbestreitbaren Wirbels, den Musk verursachte, scheint die Bilanz von DOGE hinter den Erwartungen und den vollmundigen Ankündigungen deutlich zurückzubleiben.

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Das Washingtoner Minenfeld: Gründe für Musks Rückzug

Das offizielle Ende von Musks Tätigkeit als „besonderer Regierungsangestellter“ nach 130 Tagen bot einen willkommenen, formellen Ausstiegspunkt. Doch die tieferliegenden Gründe für seinen Abschied sind vielschichtiger. Eine zentrale Rolle spielte seine wachsende Desillusionierung angesichts der Trägheit und Komplexität des Washingtoner Politikbetriebs. Die Bürokratie sei „viel schlimmer, als ich dachte“, konstatierte Musk, und der Versuch, Veränderungen herbeizuführen, ein „harter Kampf“ oder gar ein „uphill battle“. Interne Konflikte, wie ein lautstarker Streit mit Finanzminister Scott Bessent oder generelle Reibereien mit Kabinettsmitgliedern, die sich gegen seine Umgestaltungspläne wehrten, dürften die Frustration weiter befeuert haben. Auch politische Fehlschläge, wie das verlorene Engagement im Richterwahlkampf in Wisconsin, bei dem seine Unterstützung eher kontraproduktiv gewirkt haben soll, trugen zur Ernüchterung bei. Nicht zuletzt wuchs die Einsicht, dass seine politische Rolle direkte negative Konsequenzen für seine Unternehmen hatte und er sich wieder stärker auf deren Belange konzentrieren müsse.

Vom „ersten Kumpel“ Trumps zum scharfen Kritiker der Finanzpolitik

Die Beziehung zwischen Elon Musk und Donald Trump durchlief eine bemerkenswerte Transformation. Anfangs inszenierten sich beide als enge Verbündete. Musk, der Trumps Wahlkampf mit über 250 Millionen Dollar unterstützt hatte, lobte den Präsidenten überschwänglich und nannte ihn teils „seinen ersten Kumpel“ oder bekannte gar, ihn zu „lieben“. Trump wiederum pries Musk als „großartigen Amerikaner“. Doch diese Harmonie bekam Risse. Ein Wendepunkt war Musks öffentliche Kritik an Trumps Prestigeprojekt, dem „Big Beautiful Bill“-Gesetzespaket. Musk zeigte sich „enttäuscht“ über das Paket, das seiner Ansicht nach das Haushaltsdefizit erhöhe und die Sparbemühungen von DOGE untergrabe. Trumps Reaktion auf diese Kritik fiel verhalten aus; er verteidigte das Gesetz zwar, ging aber nicht direkt auf Musks Vorwürfe ein und vermied es teils sogar, dessen Namen zu nennen. Die Distanz wurde auch bei anderen Gelegenheiten spürbar, etwa als Musk Trump auf einer Reise in den Nahen Osten begleitete, vom Präsidenten aber kaum öffentlich erwähnt wurde oder als Trump Berichten zufolge verärgert auf ein geplantes China-Briefing für Musk im Pentagon reagierte. Eine kolportierte, aber noch nicht eingelöste Wahlkampfspende Musks in Höhe von 100 Millionen Dollar unterstreicht diese Abkühlung zusätzlich.

Kollateralschaden: Die teure Rechnung für Tesla und SpaceX

Musks politisches Engagement in Washington blieb nicht ohne Folgen für seine Kerngeschäfte. Tesla verzeichnete einen drastischen Gewinneinbruch von 71 Prozent und einen Umsatzrückgang von 13 Prozent im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr. Experten und Analysten führten dies maßgeblich auf Musks umstrittene Rolle in der Trump-Administration und die damit verbundenen Budget- und Stellenkürzungen zurück. Die Reputation des Unternehmens litt; es gab Berichte über brennende Tesla-Fahrzeuge aus Protest gegen Musk und eine generell sinkende Popularität des CEOs, was auch durch Kritik von prominenten Persönlichkeiten wie Bill Gates befeuert wurde. Der Aktienkurs von Tesla geriet unter Druck, und Investoren forderten lautstark, Musk möge sich wieder Vollzeit um den Elektroautobauer kümmern. Auch SpaceX stand unter Beobachtung, insbesondere nach mehreren gescheiterten oder nur teilerfolgreichen Testflügen des Starship-Raketensystems, das für Musks Mars-Ambitionen und NASA-Kooperationen entscheidend ist. Die Notwendigkeit, sich wieder auf die Entwicklung autonomer Fahrzeuge bei Tesla und die ambitionierten Pläne für Starship und Mars zu fokussieren, wurde für Musk immer dringlicher.

Desillusioniert und distanziert: Musks ungewisse politische Zukunft

Die gesammelten Erfahrungen in Washington scheinen bei Elon Musk tiefe Spuren der Desillusionierung hinterlassen zu haben. Seine Aussagen über den „harten Kampf“ und den „uphill battle“ in der Bürokratie, gepaart mit der Enttäuschung über die begrenzte Wirkung seiner erheblichen finanziellen Mittel im politischen System, deuten auf eine nachhaltige Ernüchterung hin. Er gab an, „genug getan“ zu haben und seine politischen Ausgaben reduzieren zu wollen. Ob dies eine endgültige Abkehr von der politischen Bühne bedeutet, bleibt abzuwarten. Zwar ließ er die Tür für zukünftiges Engagement einen Spalt offen, falls er dafür einen „Grund“ sehe, doch die unmittelbare Priorität liegt nun klar auf seinen Unternehmen. Musks Washington-Abenteuer könnte somit als Lehrstück dienen: über die Grenzen des disruptiven Tech-Ansatzes im komplexen Gefüge politischer Machtstrukturen und über die persönlichen und unternehmerischen Kosten, die ein solches Engagement mit sich bringen kann. Der Titan der Tech-Welt hat die Gravitationskraft der Politik am eigenen Leib erfahren – und sich vorerst für einen Kurswechsel entschieden.

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