Die Zerstörung der Vierten Gewalt: Trumps kalkulierter Krieg gegen die Presse

Illustration: KI-generiert

In den Korridoren der Macht wird selten nur an einer Front gekämpft. Doch der Zweifrontenkrieg, den Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit gegen die amerikanische Presse führt, offenbart eine Strategie von chirurgischer Präzision und brachialer Gewalt, die das Fundament der Pressefreiheit erschüttert. Auf der einen Seite steht eine 10-Milliarden-Dollar-Klage gegen das Flaggschiff des konservativen Journalismus, das Wall Street Journal, ausgelöst durch eine für Trump unliebsame Berichterstattung über seine Vergangenheit. Auf der anderen Seite erklingt aus einem anderen Teil desselben Medienimperiums, Fox News, beinahe täglich der treue Chor der Unterstützung für den Präsidenten. Was sich derzeit zwischen Donald Trump und dem Medienmogul Rupert Murdoch abspielt, ist mehr als nur der öffentlich inszenierte Kampf zweier alternder Titanen. Es ist das Symptom einer umfassenderen, systematischen Kampagne, die darauf abzielt, die unabhängige Presse zu demontieren – mit juristischem Druck, finanzieller Strangulierung und einer digitalen Propagandamaschine, die in Momenten der Krise heißläuft. Trumps Feldzug ist kein unkontrollierter Wutanfall; es ist die kalkulierte Demontage eines Grundpfeilers der Demokratie, während die Öffentlichkeit abgelenkt oder gleichgültig zusieht.

Ein Imperium im Zwiespalt: Der Fall Murdoch

Die Beziehung zwischen Donald Trump und Rupert Murdoch war schon immer ein komplexes Geflecht aus gegenseitiger Verachtung und pragmatischer Notwendigkeit. Murdoch, der in Trump anfangs keinen präsidentschaftsfähigen Kandidaten sah, musste sich der Realität beugen, als er erkannte, was seine Fox-News-Zuschauer verlangten: Trump. Diese Abhängigkeit von der konservativen Basis, die für Fox News die wichtigste Einnahmequelle und für Trump die treueste Wählerschaft darstellt, ist der Kitt, der dieses brüchige Bündnis zusammenhält.

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Dieser innere Widerspruch bricht nun an der Causa Epstein offen auf. Das Wall Street Journal, dessen journalistische Standards Murdoch bewusst von der ideologischen Ausrichtung von Fox News getrennt hält, veröffentlichte einen Artikel über eine angebliche, anzügliche Nachricht Trumps an den verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Trumps Reaktion war explosiv. Er verklagte nicht nur das Journal, sondern auch Murdoch persönlich. Gleichzeitig schloss das Weiße Haus das Blatt von der Reisebegleitung des Präsidenten aus – eine direkte Vergeltungsmaßnahme.

Während dieser juristische Hammer auf einen Teil des Murdoch-Reichs niedersauste, lief im anderen Teil die Unterstützungsmaschinerie auf Hochtouren. Moderatoren bei Fox News priesen Trumps Amtszeit als „goldenes Zeitalter“. Trump selbst empfahl seinen Anhängern via Truth Social, Sendungen wie die von Sean Hannity zu sehen, der die Klage und den zugrundeliegenden Artikel geflissentlich ignorierte. Auch die Berichterstattung über die Klage selbst wurde bei Fox News auf ein Minimum reduziert, während Konkurrenzsender das Thema ausführlich behandelten. Dieses Verhalten ist ein Drahtseilakt: Fox News muss seine pro-Trump-Zuschauer bei Laune halten, ohne die journalistische Glaubwürdigkeit des Gesamtkonzerns völlig zu untergraben. Es ist ein Spagat, der die tiefen Verwerfungen und die strategische Zerrissenheit im Herzen des Murdoch-Imperiums bloßlegt. Trump weiß um diese Achillesferse und nutzt sie meisterhaft, indem er zwischen den verschiedenen Organen des Imperiums einen Keil treibt und jene belohnt, die ihm die Treue halten.

Die digitale Echokammer: Truth Social als Waffe und Ventil

Wenn Donald Trump die Kontrolle über die öffentliche Erzählung zu verlieren droht, flüchtet er sich in die digitale Welt von Truth Social – und dreht dort die Lautstärke auf. Seine Posting-Frequenz und die Inhalte, die er teilt, sind ein präziser Seismograf für seinen gefühlten Machtstatus. Im Zuge der Epstein-Enthüllungen, die selbst Teile seiner Basis irritierten, verwandelte sich sein Account in einen Strudel aus bizarren Ablenkungsmanövern und aggressiven Gegenangriffen. An einem einzigen Sonntagabend feuerte er über 20 Posts ab, darunter KI-generierte Videos, die Barack Obama in Handschellen zeigen, und wirre Zusammenschnitte von Extremsport-Clips ohne jeden politischen Kontext.

Sein Kanal gleicht immer mehr der wirren Pinnwand eines von Algorithmen radikalisierten Verwandten, dessen Tiraden man beim Familienfest peinlich berührt überhört – nur dass dieser Verwandte über die Macht verfügt, die Welt in Atem zu halten. Doch im Gegensatz zu früheren Phasen, in denen er seine Plattform nutzte, um Märkte zu beeinflussen oder Regierungschefs einzuschüchtern, wirken die jüngsten Aktivitäten defensiv und verzweifelt. Sie sind Ausdruck eines tiefen Frusts darüber, dass er die Berichterstattung nicht wie gewohnt stoppen konnte, nicht einmal durch einen direkten Appell an Murdoch.

Diese Social-Media-Eskapaden sind mehr als nur eine persönliche Marotte. Sie sind eine Flucht in eine alternative Realität, eine Art „Executive Cope“. In dieser von KI-Bildern und Memes geschaffenen Welt ist Trump nicht der unter Druck stehende Präsident, der sich für seine Vergangenheit rechtfertigen muss, sondern ein allmächtiger Held, der seine politischen Gegner nach Belieben ins Gefängnis wirft. Es ist die Inszenierung einer Rachefantasie, die in Momenten gefühlter Ohnmacht als psychologisches Ventil dient und gleichzeitig als Propagandawerkzeug, um seine Anhänger bei der Stange zu halten.

Mehr als nur Rhetorik: Die systematische Demontage der Presse

Trumps Krieg gegen die Medien beschränkt sich längst nicht mehr auf die rhetorische Beschimpfung als „Fake News“. In seiner zweiten Amtszeit hat er ein ganzes Arsenal an Werkzeugen mobilisiert, um die Vierte Gewalt systematisch zu schwächen. Diese Offensive ist umfassender und tiefgreifender als die Konflikte früherer Präsidenten wie John Adams oder Richard Nixon mit der Presse, weil sie an allen Fronten gleichzeitig stattfindet und bisher auf wenig institutionellen Widerstand stößt.

Ein zentrales Werkzeug ist der finanzielle Druck. Trump nutzt strategische Klagen, sogenannte SLAPP-suits, um Medienkonzerne einzuschüchtern. Allein durch außergerichtliche Vergleiche hat er bereits rund 67 Millionen Dollar von Unternehmen wie Disney-ABC, Meta, X und Paramount Global erpresst. Diese Zahlungen, oft getarnt als Spenden für seine Präsidentenbibliothek, wirken wie eine moderne Form des Schutzgeldes. Parallel dazu nutzte er seine politische Macht, um dem öffentlichen Rundfunk den Geldhahn zuzudrehen. Der Kongress strich auf sein Betreiben hin 1,1 Milliarden Dollar an Bundeszuschüssen für NPR und PBS, eine beispiellose Maßnahme.

Gleichzeitig wird der regulatorische Apparat zur Waffe umfunktioniert. Mit der Ernennung des Loyalisten Brendan Carr zum Leiter der Federal Communications Commission (FCC) hat Trump einen scharfen Medienkritiker an die Spitze der wichtigsten Aufsichtsbehörde für den Rundfunk gesetzt. Carr nahm umgehend alte Beschwerden gegen regierungskritische Sender wie NBC, ABC und CBS wieder auf, die sein Vorgänger aus Gründen der Verfassungsfreiheit abgewiesen hatte. Flankiert werden diese Maßnahmen durch exekutive Aktionen: Kritische Medien wie die Associated Press werden von wichtigen Terminen ausgeschlossen, Auslandssender wie die Voice of America finanziell ausgehungert und der rechtliche Schutz für Journalisten bei Ermittlungen zu Leaks aufgeweicht. Das Vorgehen erinnert an das Drehbuch autokratischer Herrscher wie Viktor Orbán in Ungarn: die Medien verunglimpfen, dämonisieren, an den Rand drängen und wirtschaftlich ruinieren.

Widerstand und Kapitulation: Die Medien im Belagerungszustand

Angesichts dieses konzentrierten Angriffs zeigt die amerikanische Medienlandschaft ein gespaltenes Bild aus Feigheit und Mut. Einerseits gibt es eine deutliche Tendenz zur Kapitulation. Die millionenschweren Vergleichszahlungen werden von den Konzernchefs als rationale Geschäftsentscheidungen verteidigt, um finanzielle Risiken zu meiden – eine Argumentation, die der Satiriker Stephen Colbert treffend als „fette Bestechung“ bezeichnete. Die auffällig zeitnahe Absetzung von Colberts regierungskritischer Late-Night-Show durch CBS, kurz nach dem Vergleich des Mutterkonzerns Paramount mit Trump, nährte den Verdacht, dass hier ein Kritiker geopfert wurde, um den Präsidenten zu besänftigen. Auch der einst als standhaft geltende Washington Post-Eigentümer Jeff Bezos unternimmt offenbar Anstrengungen, Trump zu beschwichtigen.

Andererseits gibt es Leuchttürme des Widerstands. Das Wall Street Journal und dessen Mutterkonzern Dow Jones stehen trotz der Klage fest hinter ihrer Berichterstattung und haben angekündigt, sich energisch zu verteidigen. Verleger wie A. G. Sulzberger von der New York Times werden für ihren Mut gelobt, dem Druck standzuhalten. Und an der Basis, in den Redaktionen des Landes, arbeiten Journalistinnen und Journalisten weiterhin unerschrocken daran, die Regierung zu kontrollieren. Sie sind die letzte Verteidigungslinie in diesem Krieg. Doch der Mut der Wenigen kann die Ängstlichkeit der Vielen nicht aufwiegen. Jede Kapitulation eines großen Medienhauses sendet ein fatales Signal: Druck und Einschüchterung sind eine erfolgreiche Strategie.

Eine Demokratie in der Dämmerung? Die Folgen des Schweigens

Die vielleicht beunruhigendste Komponente in diesem Konflikt ist die Stille. Es gibt keinen großen öffentlichen Aufschrei, keine breite Bewegung zur Verteidigung der Pressefreiheit. Diese Gleichgültigkeit nährt sich aus einem tiefen und über Jahre gewachsenen Misstrauen gegenüber den „Mainstream-Medien“. In einer zersplitterten Informationslandschaft, die von Social-Media-Influencern, TikTok-Videos und sogenannten „Nachrichtenwüsten“ ohne professionelle Lokalberichterstattung geprägt ist, hat die traditionelle Presse an Sichtbarkeit und Autorität verloren. Trump attackiert eine Institution, deren Fundament bereits bröckelt.

Die langfristigen Folgen dieses kalkulierten Angriffs sind verheerend. Wenn Medien aus Angst vor Klagen oder regulatorischem Ärger vor kritischen Geschichten zurückschrecken, wenn Konzerne Kritiker entlassen, um die Regierung zu besänftigen, und wenn die finanzielle Basis für unabhängigen Journalismus erodiert, stirbt die Funktion der Presse als Kontrollinstanz. Die „Vierte Gewalt“ wird zu einem zahnlosen Tiger. Die USA bewegen sich auf einem Pfad, der die Pressefreiheit nicht durch einen einzigen, autoritären Akt abschafft, sondern sie scheibchenweise aushöhlt, bis von ihr nur noch eine leere Hülle übrig ist.

Noch halten die Journalistinnen und Journalisten an der Front stand. Der Glaube an ihre Hartnäckigkeit und ihren Mut ist bisher gerechtfertigt. Doch es stellt sich die drängende Frage: Wie lange kann eine Verteidigungslinie halten, wenn sie von allen Seiten unter Beschuss steht und der Rückhalt in der Gesellschaft schwindet? Der Krieg gegen die Presse ist ein Krieg um die Seele der amerikanischen Demokratie. Und im Moment ist völlig unklar, wer ihn gewinnen wird.

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