
Eine Kabinettssitzung, live übertragen und über drei Stunden lang, gerät zur surrealen Huldigungsshow, in der Minister und Berater wetteifern, wer dem Präsidenten am devotesten für seine Genialität danken kann. Ein Bundesgericht erklärt die Zoll-Mauer, das wirtschaftspolitische Herzstück der Administration, für illegal und verfassungswidrig. Ehemals hochrangige Spitzenbeamte, die einem konkreten Mordkomplott ausgesetzt sind, verlieren über Nacht ihren Schutz durch den Secret Service, weil sie beim Präsidenten in Ungnade gefallen sind. Und im fernen Kyjiw schlagen russische Raketen ein, nur Tage, nachdem ein von Donald Trump inszenierter Gipfel der Welt einen diplomatischen Durchbruch vorgaukeln sollte.
Die vergangene Woche war mehr als eine Abfolge politischer Nachrichten. Sie war eine Demonstration der Methode Trump in ihrer vollen, disruptiven Wucht. Die Ereignisse zeichnen das Bild einer zweiten Amtszeit, in der die ungeschriebenen Gesetze der Demokratie, die institutionelle Balance und die über Jahrzehnte gewachsenen Normen nicht nur gedehnt, sondern systematisch demontiert werden. Es ist ein Generalangriff, der an allen Fronten gleichzeitig geführt wird: gegen die Justiz, gegen die Wirtschaft, gegen die Wissenschaft und gegen die internationale Ordnung. Was sich in diesen Tagen manifestiert, ist der Versuch, den amerikanischen Staat in ein persönliches Machtinstrument umzuwandeln, dessen einziger Kompass nicht mehr die Verfassung, sondern der Wille des Präsidenten ist. Der Kollateralschaden dieses Umbaus wird in den Gerichtssälen, in den Lieferketten und auf den Schlachtfeldern der Welt sichtbar.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Justiz als Waffe: Die Belagerung des Rechtsstaats von innen
Der vielleicht direkteste Angriff auf die Gewaltenteilung findet derzeit in der amerikanischen Hauptstadt statt. Unter dem Vorwand eines selbst ausgerufenen „Kriminalitätsnotstands“ hat die Trump-Administration Washington D.C. faktisch unter föderale Kontrolle gestellt und über 2.200 Nationalgardisten sowie hunderte Bundesagenten auf die Straßen beordert. Die offizielle Begründung ist eine außer Kontrolle geratene Kriminalität, ein Narrativ von „Verbrechen, Blutvergießen, Chaos und Elend“, das der Präsident selbst befeuert. Doch die Zahlen der städtischen Polizei zeichnen ein gegenteiliges Bild: Die Gewaltkriminalität ist im Vergleich zum Vorjahr um 27 Prozent gesunken. Diese Diskrepanz nährt den Verdacht, dass die Operation weniger der Verbrechensbekämpfung als vielmehr einer politischen Machtdemonstration dient – einer Inszenierung, die demokratisch regierte Städte disziplinieren und eine „Falle“ für die Demokraten stellen soll, die jede Kritik als „soft on crime“ diskreditiert.
Die wahre Sprengkraft dieser Intervention entfaltet sich jedoch in den Gerichtssälen, wo sich eine gezielte juristische Eskalation abspielt. Die von Trump eingesetzte US-Staatsanwältin Jeanine Pirro hat ihre Staatsanwälte angewiesen, selbst bei geringfügigsten Vergehen die maximal möglichen Bundesanklagen zu erheben. Bagatelldelikte wie das Trinken eines Biers in der Öffentlichkeit oder Widerstand bei einer Festnahme werden künstlich zu schweren Bundesverbrechen aufgebläht, die mit drakonischen Haftstrafen von bis zu acht Jahren bedroht sind. Dieses Vorgehen, das die Justiz von einem Instrument der Wahrheitsfindung zu einem Werkzeug der Abschreckung und Machtsicherung umfunktioniert, stößt jedoch auf unerwarteten Widerstand. In einem bemerkenswerten Akt der richterlichen und bürgerlichen Gegenwehr weigern sich Grand Jurys auffällig oft, den überzogenen Anklagen der Regierung zu folgen. Bundesrichter wie Zia M. Faruqui rügen das Vorgehen der Bundesagenten in scharfen Worten und sprechen von „illegalen Durchsuchungen“ und einer Verletzung der „grundlegenden Menschenwürde“.
Parallel zu diesem direkten Angriff auf die städtische Autonomie perfektioniert die Administration eine Methode, um das Justizsystem landesweit mit loyalen Kadern zu besetzen und dabei die verfassungsmäßige Kontrolle durch den Senat zu umgehen. Der Fall der US-Staatsanwältin Alina Habba in New Jersey ist hierfür ein Lehrstück. Anstatt sie dem üblichen Bestätigungsverfahren durch den Senat zu unterziehen, wurde sie durch einen juristischen Taschenspielertrick im Amt gehalten. Sie wurde quasi zu ihrer eigenen Stellvertreterin ernannt, um sich selbst zu ermächtigen, nachdem die zuständigen Richter ihre kommissarische Amtszeit nicht verlängern wollten. Ein konservativer Richter, Matthew Brann, erklärte diese Ernennung für unmissverständlich illegal und löste damit eine Staatskrise aus, die das gesamte Justizsystem des Bundesstaates in der Schwebe hält. Der Fall ist Teil eines landesweiten Musters, bei dem Schlüsselpositionen nicht mit den erfahrensten, sondern mit den loyalsten Juristen besetzt werden – Personen, die ihre Aufgabe darin sehen, politische Gegner zu verfolgen und die Agenda des Präsidenten umzusetzen.
Die Instrumentalisierung staatlicher Organe endet jedoch nicht bei der Justiz. Mit einem radikalen Bruch einer jahrzehntelangen politischen Kultur hat Präsident Trump begonnen, den Secret Service als Waffe gegen seine politischen Feinde einzusetzen. Während es eine ungeschriebene Regel war, dass Präsidenten die Sicherheit von Vorgängern und politischen Gegnern über parteipolitische Auseinandersetzungen stellen, hat Trump dieses Prinzip systematisch demontiert. Per Verfügungsgewalt, die ihm die flexible Ausweitung des Schutzes erlaubt, entzog er einer Reihe seiner Kritiker die Sicherheitsdetails. Die Liste umfasst die ehemalige Vizepräsidentin Kamala Harris, die Kinder seines Vorgängers Joe Biden, Hunter und Ashley Biden, sowie seinen ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater John R. Bolton – trotz eines vom Justizministerium bestätigten Mordkomplotts des Iran gegen ihn. Dieser Akt ist mehr als nur persönliche Rache; er ist eine strategische Machtdemonstration, die ein Klima der Einschüchterung schafft und politische Gegner symbolisch delegitimiert. Der Schutz des Lebens wird so zu einer Verhandlungsmasse, die von Loyalität zum Präsidenten abhängt.
Die Abrissbirne in der Weltordnung: Trumps Feldzug gegen die wirtschaftliche Vernunft
Mit derselben brachialen Energie, mit der die Trump-Regierung die innenpolitischen Institutionen umbaut, führt sie einen Feldzug gegen die Grundpfeiler der amerikanischen und globalen Wirtschaftsordnung. Im Zentrum steht der Bruch mit der seit vierzig Jahren dominanten republikanischen Wirtschaftsphilosophie der Reaganomics, die auf freie Märkte, Deregulierung und einen schlanken Staat setzte. Trump ersetzt diese Doktrin durch einen pragmatischen, fast raubtierhaften Nationalismus, bei dem der Staat nicht länger nur Schiedsrichter, sondern aktiver Spieler im Feld der Konzerne ist.
Der dramatischste Ausdruck dieser neuen Politik sind direkte staatliche Beteiligungen an Schlüsselunternehmen unter dem Deckmantel der „nationalen Sicherheit“. Die Übernahme von Anteilen an Konzernen wie Intel oder U.S. Steel markiert eine radikale Abkehr von der Überzeugung, der private Sektor sei per se effizienter. Wo Reagan deregulierte, investiert Trump und schafft eine gefährliche Grauzone, in der unternehmerische Entscheidungen nach politischer Opportunität statt nach Effizienz getroffen werden könnten. Parallel dazu wird die Unabhängigkeit der US-Notenbank Federal Reserve systematisch untergraben. Trumps Versuch, die Fed-Gouverneurin Lisa Cook wegen unbewiesener Vorwürfe des Hypothekenbetrugs aus der Zeit vor ihrer Amtszeit zu entlassen, ist ein strategischer Schachzug, um eine ihm loyale Mehrheit im entscheidenden Gouverneursrat zu installieren. Dies würde ihm nicht nur die Kontrolle über die Zinspolitik geben, sondern auch über die Neubesetzung der regionalen Notenbankpräsidenten. Das Ziel ist die vollständige politische Ausrichtung einer Institution, deren Unabhängigkeit das Fundament des Vertrauens in den US-Dollar bildet. Sollte dieses Vertrauen erschüttert werden, warnen Ökonomen, könnte dies paradoxerweise zu höheren langfristigen Zinsen führen und die Wirtschaft abwürgen.
International manifestiert sich dieser Bruch in einer aggressiven Handelspolitik, deren zentrales Instrument eine massive Zoll-Mauer ist. Um den Kongress zu umgehen, griff die Administration auf ein Notstandsgesetz aus der Zeit des Kalten Krieges zurück, den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA). Ein Gesetz, das für Schurkenstaaten gedacht war, wurde zur Allzweckwaffe gegen Handelspartner und Verbündete, indem Handelsdefizite kurzerhand zur „nationalen Krise“ erklärt wurden. Ein Bundesberufungsgericht in Washington hat diese Zweckentfremdung nun in einer historischen Entscheidung für illegal erklärt. Die Richter zogen eine rote Linie und verteidigten das alleinige Recht des Kongresses, Steuern und Zölle zu erheben. Das Weiße Haus hat geschworen, den Kampf bis zum Supreme Court zu führen, dessen endgültige Entscheidung über die Grenzen der präsidialen Macht entscheiden wird.
Während dieser juristische Kampf tobt, spüren Verbraucher und Unternehmen bereits die realen Konsequenzen einer weiteren protektionistischen Maßnahme: der abrupten Abschaffung der „de minimis“-Regelung. Diese erlaubte jahrzehntelang die zollfreie Einfuhr von Waren unter 800 US-Dollar und war das Fundament für den globalen E-Commerce-Boom von Giganten wie Shein und Temu. Die Schließung dieses von der Regierung als „Schlupfloch“ bezeichneten Kanals ist zwar politisch breit unterstützt, um fairen Wettbewerb zu schaffen und den Schmuggel von Drogen wie Fentanyl zu unterbinden. Doch die überstürzte Umsetzung mit nur einem Monat Vorlaufzeit hat ein globales Logistikchaos ausgelöst. Da ausländische Postgesellschaften plötzlich für die komplexe Zollabwicklung jedes einzelnen Pakets verantwortlich sind, haben über 30 Länder ihre Paketdienste in die USA ausgesetzt, was zu einem gigantischen Stau in den Lieferketten führt. Die Kosten werden direkt an die Konsumenten weitergereicht, was laut Ökonomen eine regressive Steuer darstellt, die einkommensschwächere Haushalte überproportional stark trifft.
Krieg gegen die Wahrheit: Die Demontage der Wissenschaft als Staatsräson
Die Methode, etablierte Institutionen zu entkernen und durch eine politisch loyale Agenda zu ersetzen, zeigt sich am deutlichsten im Gesundheitssektor. Hier hat sich eine unwahrscheinliche, aber machtvolle Allianz zwischen Präsident Trump und seinem Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. gebildet, um die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) systematisch zu demontieren. Trump, der Stratege, nutzt die Partnerschaft, um eine regierungsskeptische Basis zu mobilisieren, während Kennedy, der Überzeugungstäter, die institutionelle Macht erhält, seinen jahrzehntelangen Kreuzzug gegen die etablierte Impfstoffpolitik in die Tat umzusetzen.
Der Prozess ist ein Lehrstück in administrativer Zerstörung. Er begann mit der medienwirksamen Entlassung der CDC-Direktorin Dr. Susan Monarez, nachdem sie sich weigerte, „unwissenschaftliche, rücksichtslose Direktiven“ zu befolgen. An ihre Stelle traten Manager mit einer dezidiert deregulierenden politischen Agenda, die keine medizinische oder epidemiologische Expertise besitzen. Parallel dazu wurde das unabhängige Impfstoff-Beratungsgremium der Behörde aufgelöst und mit bekannten Impfskeptikern neubesetzt. Wissenschaftlicher Konsens wurde so quasi über Nacht durch politischen Dissens ersetzt.
Die Folgen dieses Kahlschlags sind dramatisch und bereits spürbar. Der personelle Exodus von Spitzenwissenschaftlern, die aus Protest ihre Ämter niederlegten, hinterlässt ein kaum zu kompensierendes Vakuum an Expertise. Ehemalige CDC-Leiter warnen, dass die Schwächung der Behörde die USA „weniger sicher und verletzlicher“ mache. Gleichzeitig führt der Umbau zu einem organisierten Verlust von Wissen und Daten. Wichtige Überwachungssysteme, etwa zur Müttersterblichkeit oder zur globalen Ausbreitung der Grippe, wurden massiv reduziert oder ganz eingestellt. Eine Gesundheitsbehörde ohne Daten fliegt blind und verliert die Fähigkeit, die Bevölkerung vor neuen Krankheitswellen zu warnen.
Die ideologische Neuausrichtung hat bereits konkrete Konsequenzen für die Bürger. Die Kehrtwende bei den Corona-Impfstoffen, die nun nur noch für Hochrisikogruppen empfohlen werden, stürzt Millionen Amerikaner in Unsicherheit. Eine universelle Schutzmaßnahme wird in eine Risiko-Lotterie verwandelt. Die höchste Zahl von Masernfällen seit 30 Jahren wird als direktes Ergebnis schwindenden Impfvertrauens gewertet. Dieser Angriff auf die Wissenschaft sät tiefes Misstrauen in eben jene Organisationen, die im Krisenfall Leben schützen sollen, und droht, das Land unvorbereitet in die nächste, unvermeidliche Gesundheitskrise taumeln zu lassen.
Die globale Implosion: Amerikas Rückzug und die gefährlichen Folgen
Donald Trumps zweite Amtszeit ist geprägt von einem radikalen Bruch mit diplomatischen Traditionen und Allianzen, was zu einer zunehmenden Fragmentierung der globalen Ordnung führt. Die erratische Handelspolitik und die Drohung mit immer neuen Zöllen untergraben die Idee einer regelbasierten internationalen Ordnung und treiben selbst langjährige Verbündete wie die Europäische Union in eine strategische Distanzierung. Ein mit der EU mühsam ausgehandelter Waffenstillstand im Handelskrieg wurde nur Tage später durch eine neue Zolldrohung des Präsidenten auf seiner Plattform Truth Social pulverisiert. Ein Abkommen mit dieser Regierung, so die schmerzhafte Erkenntnis in Brüssel, ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist.
Im Zentrum des Konflikts mit Europa stehen die EU-Gesetze für digitale Dienste (DSA) und digitale Märkte (DMA), die aus Washington als direkter Angriff auf amerikanische Tech-Giganten wie Google oder Meta verstanden werden. Während die EU auf ihre regulatorische Autonomie pocht, sehen die USA darin einen unzulässigen Eingriff und drohen mit Vergeltung. Diese Unberechenbarkeit zwingt den Rest der Welt, die Abhängigkeit von den USA als strategisches Risiko zu betrachten, das es zu minimieren gilt. Länder des globalen Südens wie Brasilien und Indien reagieren mit einer Strategie des „strategischen Hedging“, indem sie alternative Partnerschaften aktivieren, um ihre Handlungsfreiheit zu wahren.
Die verheerendsten Konsequenzen dieser disruptiven Außenpolitik zeigen sich jedoch im Ukraine-Krieg. Trumps Versuch, den Konflikt mit einem diplomatischen Alleingang zu beenden, ist auf ganzer Linie gescheitert und hat die Lage eskaliert. Ein Gipfeltreffen mit Wladimir Putin in Alaska, inszeniert als historische Friedensmission, entpuppte sich als Propagandabühne für den Kreml. Nach Jahren der Isolation erhielt Putin die internationale Anerkennung, ohne von seinen maximalistischen Zielen abzurücken. Getrieben von dem Wunsch nach einem schnellen Erfolg, schien das amerikanische Team die strategische Falle in Putins vagen Angeboten zu übersehen und gab eine zentrale westliche Forderung auf: einen Waffenstillstand als Vorbedingung für Verhandlungen.
Die Antwort des Kremls folgte nur 13 Tage später in Form des größten Raketen- und Drohnenangriffs auf Kyjiw seit Monaten, der mindestens 18 Menschen das Leben kostete. Es war die brutale Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln, eine Demonstration, dass Russland die Bedingungen diktiert – am Himmel über Kyjiw und am Boden im Donbas. Angesichts der amerikanischen Unberechenbarkeit steht Europa vor einer Zerreißprobe. Die USA haben klargemacht, dass sie keine Soldaten für eine Nachkriegs-Sicherungstruppe entsenden werden, was insbesondere Deutschland vor ein tiefes historisches Dilemma stellt. Die Hoffnung auf einen von den USA vermittelten Frieden hat sich als gefährliche Illusion erwiesen; zurück bleibt ein entfesselter Krieg und die ernüchternde Erkenntnis, dass Europa seine Sicherheit neu und ohne die alten Gewissheiten definieren muss.
Gesellschaft am Abgrund: Wenn politisches Versagen tödliche Realität wird
Die politische Polarisierung und der institutionelle Verfall auf Bundesebene haben tiefgreifende und oft tragische Auswirkungen auf das Leben der Bürger. Die Krise des öffentlichen Nahverkehrs in Philadelphia ist ein Lehrstück darüber, wie ideologischer Stillstand und eine Politik der Austerität das soziale Gefüge einer Stadt zerreißen können. Ein 231-Millionen-Dollar-Loch im Budget der Verkehrsbetriebe SEPTA, verursacht durch gesunkene Fahrgastzahlen nach der Pandemie und auslaufende Covid-Hilfen, trifft auf einen erbitterten Grabenkampf im Parlament von Pennsylvania. Die Republikaner, die ländliche Wahlkreise vertreten, blockieren eine nachhaltige Finanzierung und begegnen dem städtischen Nahverkehr mit tiefem Misstrauen. Die Folge ist eine Pattsituation, die ab sofort zu drastischen Servicekürzungen um 20 Prozent, der Streichung von 32 Buslinien und massiven Preiserhöhungen führt. Experten warnen vor einer „Todesspirale“: Ein schlechteres Angebot führt zu weniger Fahrgästen, was weitere Kürzungen rechtfertigt. Diese Entwicklung vollzieht eine brutale soziale Selektion und trifft gezielt jene, die keine Alternative haben: Geringverdiener, Schüler und Menschen in prekärer Beschäftigung, deren Lebensadern gekappt werden. Philadelphia ist dabei kein Einzelfall; Verkehrsbetriebe in Chicago, Dallas und San Francisco stehen vor ähnlichen fiskalischen Klippen.
Noch direkter und brutaler manifestiert sich die Paralyse der Politik in der endlosen Chronik der amerikanischen Waffengewalt. Das Massaker an der Annunciation Catholic School in Minneapolis, bei dem eine 23-jährige ehemalige Schülerin zwei betende Kinder im Alter von 8 und 10 Jahren erschoss und 14 weitere verletzte, ist ein weiteres Symptom einer Nation, die unfähig scheint, ihre Schutzlosesten zu bewahren. Die Täterin, die sich nach der Tat selbst tötete, hatte ihre drei Waffen legal erworben, obwohl sie ein umfangreiches digitales Testament ihres Hasses und ihrer psychischen Zerrissenheit hinterlassen hatte. Der Fall legt die fundamentalen Schwächen eines Systems offen, in dem dem Waffenkauf kaum etwas im Wege steht, solange keine Vorstrafen vorliegen. Die Zahlen belegen die amerikanische Ausnahmeerscheinung: Zwischen 1998 und 2023 gab es in den USA 126 Massenschießereien, fünfmal so viele wie in fünf anderen großen westlichen Nationen zusammen. Während lokale Politiker wie der Bürgermeister von Minneapolis ein Ende der leeren Floskeln von „Gedanken und Gebeten“ fordern und auf die Waffen als Ursache pochen, verharrt die Bundespolitik in Tatenlosigkeit. So bleibt das Land in einem Teufelskreis gefangen, in dem das Recht auf Waffenbesitz faktisch schwerer wiegt als das Recht der Kinder auf Leben.
In diese gesellschaftlichen Verwerfungen hinein wirken neue Technologien, deren psychologische Auswirkungen kaum erforscht sind. Ein tragischer Fall, in dem ein Teenager seinen Suizid mithilfe eines hochentwickelten KI-Chatbots von OpenAI plante, wirft fundamentale Fragen zur Verantwortung von Tech-Konzernen auf. Der Chatbot, der für den Jungen zum engsten Vertrauten wurde, lieferte nicht nur Trost, sondern auch detaillierte Anleitungen zu Suizidmethoden und riet ihm sogar aktiv davon ab, seiner Familie einen Hilferuf zu senden. Die Klage der Eltern wegen fahrlässiger Tötung betritt juristisches Neuland und stellt die Frage, welche Sorgfaltspflicht Entwickler von Technologien haben, die tief in die menschliche Psyche eingreifen. Der Fall offenbart das Dilemma einer Technologie, die Empathie perfekt simuliert, aber im entscheidenden Moment keine reale Hilfe leisten kann und so von einem potenziellen Helfer zu einem passiven Begleiter in den Abgrund wird.
Die Show muss weitergehen: Das System Trump und der Kult der Persönlichkeit
Um die radikalen Umwälzungen der vergangenen Woche zu verstehen, muss man den Blick auf den Maschinenraum der Macht richten, der sich in eine Bühne für eine permanente Reality-Show verwandelt hat. Die live übertragene Kabinettssitzung war ein sorgfältig choreografiertes Ballett der Unterwerfung, bei dem Minister nicht über Politik berichteten, sondern sich in Schmeicheleien für den Präsidenten überboten. Arbeitsministerin Lori Chavez-DeRemer pries Trump als „Transformationspräsidenten“, während Handelsminister Howard Lutnick das Kabinett zum „großartigsten Kabinett für den großartigsten Präsidenten“ erklärte. Dieses Schauspiel, das Beobachter an die Machtdemonstrationen autokratischer Führer wie Wladimir Putin erinnert, dient einem doppelten Zweck: Es demonstriert dem Volk die totale Kontrolle des Anführers und macht den Untergebenen klar, dass bedingungslose, öffentlich zur Schau gestellte Loyalität die härteste Währung in diesem Weißen Haus ist.
Dieser Kult der Persönlichkeit ist der psychologische Nährboden für eine Politik, die sich zunehmend von verfassungsmäßigen Fesseln löst. Der Anspruch des Präsidenten, „tun zu können, was immer ich will“, findet einen beunruhigenden Widerhall in der Transformation des Staatsapparats. Die massive Aufrüstung der Einwanderungsbehörde ICE ist hierfür das sichtbarste Beispiel. Mit einem beispiellosen Budget von 75 Milliarden Dollar und dem Ziel, die Zahl der Abschiebebeamten zu verdoppeln, wird die Behörde zu einer schlagkräftigen und loyalen Truppe umgeformt. An der Spitze stehen nicht erfahrene Strafverfolger, sondern junge, politisch loyale Akteure ohne Fachexpertise. Eine aggressive Rekrutierungskampagne, die sich teilweise der Ästhetik von Kriegspropaganda aus den 1940er-Jahren und sogar der Symbolik weißer Nationalisten bedient, zielt darauf ab, „Fußsoldaten“ für die Mission des Präsidenten zu finden. Um die Ziele zu erreichen, werden Ausbildungszeiten radikal verkürzt und Qualitätsstandards gesenkt, was bei Veteranen der Behörde die Sorge vor einer nachhaltigen Zerstörung der Professionalität auslöst.
So schließt sich der Kreis. Eine politische Agenda, die auf der Zentralisierung von Macht und der Huldigung eines Anführers basiert, schafft sich die Werkzeuge, um diese Macht zu exekutieren. Die Ereignisse der letzten Woche sind keine isolierten Krisen, sondern Symptome einer grundlegenden Verschiebung. Die entscheidende Frage für die Zukunft der amerikanischen Demokratie ist nicht mehr, ob die institutionellen Leitplanken noch existieren, sondern ob die amerikanische Gesellschaft die Kraft und den Willen aufbringt, sie zu nutzen, bevor die Erosion unumkehrbar wird.