
Von der geopolitischen Erpressung in Kiew über den Kniefall der Schweiz vor dem Zoll-Diktat bis hin zur ideologischen Kernschmelze in den eigenen Reihen der Republikaner – die vergangene Woche markierte den endgültigen Triumph der Transaktion über die Tradition.
Es war eine Woche, in der die Masken fielen – sowohl metaphorisch in den Hinterzimmern der Macht als auch ganz buchstäblich in den Kliniken der amerikanischen Hauptstadt. Wer in diesen Tagen zwischen dem 17. und 23. November 2025 auf das weltpolitische Geschehen blickte, sah einer neuen Realität ins Auge, die sich nicht mehr mit diplomatischen Floskeln verhüllen lässt. Die US-Administration unter Donald Trump hat den globalen Ausverkauf von Werten zugunsten harter Deals zur Staatsdoktrin erhoben. Ob es um das Schicksal der Ukraine, die digitale Souveränität Europas oder die Gesundheit der eigenen Bevölkerung geht: Alles ist verhandelbar, alles hat einen Preis, und die Währung ist nicht mehr Moral, sondern nackter Profit und bedingungslose Loyalität. Doch inmitten dieses Triumphs der Macht zeigten sich Risse im Fundament des „America First“-Monolithen, hervorgerufen durch Geister der Vergangenheit, die selbst ein Präsident nicht per Dekret verbannen kann.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Der geopolitische Schlussverkauf: Kiews Ultimatum und der saudische Handschlag
Das vielleicht erschütterndste Dokument dieser Tage ist ein 28-Punkte-Papier, das weniger einem Friedensplan gleicht als einer Liquidationsurkunde für die ukrainische Souveränität. Mit einem Ultimatum, das zynischerweise auf den amerikanischen Feiertag Thanksgiving datiert wurde, wird Kiew die Pistole auf die Brust gesetzt. Der Plan fordert faktisch die Kapitulation: Die Ukraine soll die russische Besatzung in Donezk, Luhansk und auf der Krim akzeptieren, ihre Armee auf 600.000 Mann dezimieren und den Traum vom NATO-Beitritt per Verfassungsänderung beerdigen.
Die Brutalität dieses Vorstoßes liegt nicht nur in den territorialen Forderungen, sondern in der ökonomischen Kälte, mit der er vorgetragen wird. Washington zieht sich aus der Verantwortung, sichert sich aber den Profit: Während Europa die finanziellen Lasten des Wiederaufbaus tragen soll, beanspruchen die USA vertraglich 50 Prozent der Gewinne aus zukünftigen Projekten für sich. Es ist die Degradierung eines Freiheitskampfes zur Renditequelle. Präsident Wolodymyr Selenskyj steht vor der unmöglichen Wahl zwischen dem Verlust der nationalen Würde und dem totalen Kollaps, da die Einstellung jeglicher US-Unterstützung als Drohkulisse im Raum steht. Dass dieser Plan, der laut Insidern auf „Anregungen der russischen Seite“ basiert und sprachliche Spuren russischer Satzkonstruktionen aufweist, ohne Einbeziehung der europäischen Partner entstand, kommt einem Scheidungsantrag an die transatlantische Allianz gleich.
Während Kiew mit dem Rücken zur Wand steht, wurde in Washington der rote Teppich für einen Mann ausgerollt, der noch vor wenigen Jahren als Paria galt. Der Empfang des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Weißen Haus markierte den endgültigen Sieg der Realpolitik über die Menschenrechte. Die Erinnerung an den ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi störte die festliche Atmosphäre nicht, in der ein gigantischer Tauschhandel besiegelt wurde: modernste F-35-Kampfjets gegen Milliardeninvestitionen in die amerikanische KI-Infrastruktur.
Auch hier folgt die Logik dem Prinzip des Deals. Die USA exportieren ihre sensibelste Militärtechnologie und nehmen dabei das Risiko in Kauf, dass diese über saudische Hintertüren in chinesische Hände gelangen könnte, nur um kurzfristige Kapitalströme zu sichern. Es ist eine Außenpolitik, die Allianzen nicht mehr auf gemeinsamen Werten aufbaut, sondern sie auf dem Basar der Eitelkeiten versteigert. Dass Präsident Trump im Beisein des Kronprinzen kritische Nachfragen einer Journalistin zum Fall Khashoggi rüde abwürgte und die Reporterin als „Piggy“ beleidigte, war dabei mehr als ein Ausrutscher – es war die verbale Unterstreichung dieser neuen Hierarchie, in der Geldkritik zum Schweigen bringt.

USA Politik Leicht Gemacht: Politik in den USA – einfach erklärt.
Die Implosion der Loyalität: Der Epstein-Faktor und der MAGA-Bürgerkrieg
Doch während Trump auf der globalen Bühne die Regeln neu schreibt, erlebte er an der Heimatfront einen beispiellosen Kontrollverlust. Ausgerechnet die Akte Jeffrey Epstein, jenes düstere Kompendium aus Missbrauch und Eliten-Verfilzung, wurde zum Spaltpilz der MAGA-Bewegung. Dass Donald Trump, der sich monatelang gegen die Veröffentlichung der Justizakten gewehrt hatte, plötzlich eine 180-Grad-Wende vollzog und seine Partei zur Zustimmung drängte, war keine Einsicht, sondern eine erzwungene Kapitulation.
Eine unwahrscheinliche Allianz aus progressiven Demokraten und ultra-rechten Republikanern wie Marjorie Taylor Greene hatte den Präsidenten in die Zange genommen. Greene, einst Trumps glühendste Verteidigerin, probte den Aufstand und wählte die Loyalität zu ihrer Basis über die zum Präsidenten. Für viele Anhänger der Bewegung ist Epstein das Symbol einer korrupten globalen Elite, und Trumps Versuch, die Akten unter Verschluss zu halten, wurde als Verrat an diesem anti-elitärsten aller Gründungsgerüchte wahrgenommen.
Trumps Reaktion – die öffentliche Brandmarkung Greenes als „Verräterin“ und der Versuch, durch Ermittlungen gegen Demokraten wie Bill Clinton und Larry Summers Nebelkerzen zu zünden – zeugt von einer tiefen Verunsicherung. Die Enthüllungen über Larry Summers, der Epstein noch lange nach dessen erster Verurteilung um Rat fragte, spielen Trump zwar in die Karten, ändern aber nichts an der strukturellen Schwäche, die diese Woche offenbarte: Die MAGA-Bewegung emanzipiert sich von ihrem Schöpfer, wenn dieser den eigenen populistischen Prinzipien zuwiderhandelt. Der daraufhin angekündigte Rücktritt von Marjorie Taylor Greene zum Januar 2026 ist kein Rückzug, sondern eine taktische Neupositionierung für die Ära nach Trump – eine Scheidung im Hause MAGA, die das politische Gefüge nachhaltig erschüttern wird.
Der Abriss des Staates und die ideologische Gesundheitsreform
Im Schatten dieser lauten Konflikte vollzog sich eine leisere, aber vielleicht noch folgenreichere Demontage der staatlichen Infrastruktur. Die Trump-Administration nutzte einen Regierungsstillstand (Shutdown) als Hebel, um das Bildungsministerium faktisch abzuschaffen, ohne den Kongress zu konsultieren. Durch administrative Tricks werden Kompetenzen und Budgets wie Möbelstücke in andere Ressorts verschoben – das Arbeitsministerium kümmert sich nun um Schulförderung, das Innenministerium um indigene Bildung. Was als Effizienzsteigerung verkauft wird, ist in Wahrheit die Zerschlagung der bundesstaatlichen Aufsicht, die jahrzehntelang garantierte, dass Kinder mit Behinderungen oder aus Minderheiten nicht diskriminiert werden.
Parallel dazu treibt Robert F. Kennedy Jr. seine „Make America Healthy Again“-Agenda voran, die zunehmend gefährliche Züge annimmt. Während ein hochpathogenes Vogelgrippevirus (H5N1) die Artenschranken durchbricht und erstmals Schweine infiziert – was Virologen als letzten Schritt vor einer Pandemie fürchten –, demontiert die Regierung die Überwachungssysteme. Verträge für mRNA-Impfstoffe wurden gekündigt, Datenflüsse unterbrochen.
Es ist ein riskantes Experiment am offenen Herzen der Nation: Kennedy predigt den Konsum von Rohmilch und den Kampf gegen etablierte Medizin, während das Virus in den Ställen wütet. Gleichzeitig offenbart sich die ganze Widersprüchlichkeit der neuen Koalition: Während Kennedy vor 5G-Strahlung warnt, forciert Trump den Ausbau der Atomkraft und der Mobilfunknetze. Wissenschaft wird nur noch dann als Referenz akzeptiert, wenn sie ins ideologische Konzept passt; wenn nicht, wird sie durch „alternative Fakten“ oder religiösen Eifer ersetzt.
Die Ökonomie der künstlichen Blase: Nvidia und der Tanz auf dem Vulkan
Wirtschaftlich blickte die Welt in dieser Woche gebannt auf ein einziges Unternehmen: Nvidia. Die Quartalszahlen des Chip-Giganten bestätigten dessen Rolle als wichtigste Aktie der Welt und geopolitischer Machtfaktor. Doch hinter den Rekordgewinnen verbirgt sich eine gespaltene Realität. Während Nvidia und die Tech-Branche in einem Rausch der KI-Investitionen schwelgen, kämpft die Realwirtschaft mit Stagnation und Kaufkraftverlust.
Besonders alarmierend ist die Praxis der „zirkulären Geschäfte“: Tech-Giganten investieren in Start-ups, die dieses Geld fast ausschließlich nutzen, um wiederum Chips bei eben jenen Giganten zu kaufen. Es ist ein Perpetuum mobile der Bilanzkosmetik, das eine Nachfrage suggeriert, deren Nachhaltigkeit fragwürdig ist. Der Energiehunger dieser neuen Rechenzentren ist so gewaltig, dass er die Reaktivierung stillgelegter Kernkraftwerke wie Three Mile Island notwendig macht – eine Ironie der Geschichte, in der die Zukunftstechnologie nur durch die Rückkehr zur Atomkraft der 70er Jahre betrieben werden kann. Jensen Huang, der CEO von Nvidia, agiert dabei längst wie ein Außenpolitiker, der Chips als Währung in Friedensverhandlungen einbringt und Investitionen in den USA als politischen Schutzgeld an die Trump-Administration zahlt.
Europa als Zuschauer: Käse, Clouds und die digitale Ohnmacht
Und Europa? Der alte Kontinent erlebte eine Woche der Demütigung, die seine Abhängigkeit schonungslos offenlegte. Das 28-Punkte-Ultimatum an die Ukraine entstand ohne Konsultation von Berlin oder Paris. Doch die Ohnmacht reicht tiefer. Die Schweiz musste erfahren, dass Neutralität kein Schutzschild gegen wirtschaftliche Erpressung ist. Um Strafzölle von 39 Prozent abzuwenden, handelte man sich auf 15 Prozent herunter – erkauft durch Geschenke in Form von Goldbarren und Luxusuhren an den US-Präsidenten. Diese „Geschenk-Diplomatie“ hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack und zwingt Schweizer Bauern, ihre Bestände zu schlachten, da der US-Markt wegbricht.
Noch drastischer zeigte sich die digitale Abhängigkeit im Fall des französischen Richters Nicolas Guillou. Nach US-Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof wurde er faktisch digital ausgelöscht: Kreditkarten, Amazon-Konten, PayPal – alles gesperrt durch vorauseilenden Gehorsam privater Konzerne. Während Kanzler Merz und Präsident Macron auf Gipfeln von „digitaler Souveränität“ schwadronieren, demonstrierte Washington, wer den Ausschaltknopf für das moderne Leben in Europa besitzt. Die europäische Reaktion gleicht dabei einem Pfeifen im Walde: Man gründet Arbeitskreise, während die Realität Fakten schafft.
Die Ästhetik der Macht und das Ende des Anstands
Kulturell manifestierte sich der Geist der neuen Ära in einer bizarren Uniformität. Das Phänomen des „Mar-a-Lago Face“ beschreibt eine ästhetische Gleichschaltung der Trump-Loyalisten: Frauen, die durch massive kosmetische Eingriffe puppenhaft wirken, und Männer, die sich kantige Kieferpartien modellieren lassen. Es ist eine physische Loyalitätsbekundung, bei der das Gesicht zur Parteibuch wird – starr, teuer und künstlich.
Diese Härte spiegelt sich auch im Umgangston wider. Trumps Angriff auf die Journalistin Catherine Lucey („Quiet, Piggy“) ist Teil einer Strategie, die Demütigung als Stärke verkauft. Es ist ein Rückfall in archaische Muster, bei dem Frauen, die kritische Fragen stellen – sei es zu Khashoggi oder Epstein –, nicht nur professionell diskreditiert, sondern auch physisch herabgewürdigt werden. In Verbindung mit der neuen Richtlinie der Küstenwache, die Nazi-Symbole wie das Hakenkreuz nur noch als „potenziell spaltend“ statt als Hasssymbole einstuft, zeichnet sich ein kultureller Wandel ab, der die Grenzen des Sag- und Zeigbaren radikal verschiebt.
Ein kurioser Lichtblick: Die Bromance von Queens
Inmitten dieser düsteren Bestandsaufnahme bot die Woche jedoch auch eine Kuriosität, die fast wie eine Satire wirkte, wäre sie nicht Realität. Das Treffen zwischen Donald Trump und Zohran Mamdani, dem frisch gewählten demokratisch-sozialistischen Bürgermeister von New York City, entpuppte sich als politisches „Buddy-Movie“. Der Faschist und der Sozialist, beide „Jungs aus Queens“, fanden eine gemeinsame Sprache im ökonomischen Populismus. Trump riet dem Bürgermeister sogar, auf den Vorwurf, ein Faschist zu sein, einfach mit „Ja“ zu antworten – das sei einfacher. Es ist ein fragiles Bündnis zweier Außenseiter gegen das Establishment, das zeigt: Wenn die ideologischen Etiketten verblassen, finden sich die Extreme oft im pragmatischen Hass auf die Mitte wieder.
Fazit
Die Woche vom 17. bis 23. November 2025 wird als der Moment in Erinnerung bleiben, in dem die transatlantische Romantik endgültig starb und durch die kalte Logik des Geschäfts ersetzt wurde. Die USA unter Trump haben sich entschieden: Sie sind nicht mehr der Weltpolizist oder der moralische Anker, sondern ein globaler Makler, der seine Dienste und seine Gunst an den Meistbietenden verkauft – sei es Saudi-Arabien, Nvidia oder eine kapitulierende Ukraine. Europa steht nackt im Wind, unfähig, das entstandene Vakuum militärisch, digital oder diplomatisch zu füllen. Doch die Risse im MAGA-Lager zeigen auch: Selbst in einer Welt der totalen Transaktion gibt es noch Momente, in denen die Geister der Vergangenheit – wie Jeffrey Epstein – die Rechnung präsentieren, die sich nicht mit Goldbarren begleichen lässt.


