Die Wahrheitsfalle: Wie Amerikas Wissenschaft im Kampf gegen Trump ihre Unschuld verliert

Illustration: KI-generiert

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die Feuerwehrleute beschuldigt werden, die Brände zu legen, die sie verzweifelt zu löschen versuchen. Eine Welt, in der Ärzte, die vor einer Seuche warnen, als deren Verursacher gebrandmarkt werden. Dieses Szenario, das wie eine dystopische Fiktion anmutet, ist zur bitteren Realität für die wissenschaftliche Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten unter der zweiten Amtszeit von Donald Trump geworden. In einem beispiellosen Akt der Konfrontation sieht sich die amerikanische Wissenschaft gezwungen, nicht nur um ihre Finanzierung, sondern um ihre schiere Existenzberechtigung zu kämpfen. Doch dieser Kampf ist tückisch, denn er findet auf einem Terrain statt, das von ihren Gegnern definiert wird. Es ist ein Kampf, bei dem jeder Schritt zur Verteidigung der Fakten die Verteidiger selbst tiefer in den Sumpf der parteipolitischen Polarisierung zieht.

Die zentrale These dieses Dramas ist ebenso einfach wie perfide: Im Versuch, die wissenschaftliche Integrität gegen einen massiven politischen Angriff zu verteidigen, geraten Forscher und ihre Institutionen in eine paradoxe Falle. Sie werden gezwungen, zu Aktivisten zu werden, und bestätigen damit unbeabsichtigt genau das Zerrbild, das die Regierung von ihnen zeichnet: das einer liberalen, ideologisch getriebenen Elite. Dies ist die Geschichte eines erzwungenen Paktes, bei dem die Wissenschaft im Ringen um die Wahrheit Gefahr läuft, ihre wichtigste Währung zu verspielen – das überparteiliche Vertrauen der Öffentlichkeit.

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Ein System unter Belagerung: Der kalkulierte Angriff auf die Vernunft

Was wir seit Monaten beobachten, ist kein unkoordinierter Ausbruch wissenschaftsfeindlicher Ressentiments. Es ist eine strategisch angelegte Demontage. Die Trump-Regierung hat einen systematischen Feldzug gegen die Institutionen des Wissens begonnen, dessen Präzision und Umfang historisch ohne Beispiel sind. Die Methoden sind vielfältig, aber das Ziel ist stets dasselbe: die Unterwerfung der Fakten unter eine politische Agenda. Erfahrene Impfberater wurden entlassen und durch politische Loyalisten ersetzt. Forschungsprojekte, deren Ergebnisse der Regierungslinie widersprachen, wurden über Nacht die Gelder entzogen. Bundesbehörden wie die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und die National Institutes of Health (NIH), einst weltweit geachtete Bastionen der öffentlichen Gesundheit, werden öffentlich als „Sumpf der Korruption“ verunglimpft.

Diese Angriffe sind nicht nur administrativer Natur; sie sind zutiefst rhetorisch und zielen auf das Herz der wissenschaftlichen Methode. Wenn die Existenz des Geschlechts geleugnet oder Forscher öffentlich der Korruption bezichtigt werden, weil ihre Arbeit unbequeme Wahrheiten zutage fördert, geht es um mehr als nur um politische Meinungsverschiedenheiten. Es ist der Versuch, die Realität selbst neu zu definieren und eine alternative Faktenwelt zu errichten, in der wissenschaftliche Erkenntnis nur dann Gültigkeit besitzt, wenn sie dem politischen Narrativ dient. Die Botschaft ist unmissverständlich: Wissenschaft darf in Amerika nur noch unter den Bedingungen der Regierung stattfinden.

Der Aufstand im Laborkittel: Eine Rebellion mit paradoxen Folgen

Lange hat die wissenschaftliche Gemeinschaft gezögert, sich aus der Deckung zu wagen. Die meisten Forscher verstehen sich als unpolitische Diener der Evidenz, die ihre Arbeit am liebsten im stillen Labor oder am Schreibtisch verrichten. Doch der Druck wurde zu groß, das Schweigen unerträglich. Die Gegenreaktion, die wir nun erleben, ist ein Akt der Verzweiflung, aber auch der Selbstbehauptung. Wissenschaftler organisieren Märsche, renommierte Fachgesellschaften wie die American Academy of Pediatrics verklagen das Gesundheitsministerium, und Hunderte von Mitarbeitern der Bundesgesundheitsbehörde HHS unterzeichnen offene Briefe, in denen sie die politische Einmischung in ihre Arbeit anprangern.

Doch hier schließt sich die Falle. Jeder dieser notwendigen Schritte der Verteidigung wird von den politischen Gegnern als Beweis für die Anklage umgedeutet. Ein Protestmarsch für die Wissenschaft? Ein Aufstand der liberalen Elite. Eine Klage zur Sicherung von Forschungsgeldern? Der Versuch, Steuergelder für ideologische Projekte zu erschleichen. Ein offener Brief für wissenschaftliche Integrität? Ein parteipolitisches Manöver. Wie es der Politikexperte Alexander Furnas treffend formuliert: „Wenn man einem parteiischen Angriff ausgesetzt ist, ist es extrem schwierig, auf eine Weise zu reagieren, die nicht parteiisch aussieht“. Die Wissenschaftler wollen die Politik aus ihrer Arbeit verbannen, doch indem sie sich wehren, werden sie selbst zu politischen Akteuren.

Glühende Asche: Warum der Nährboden für Misstrauen so fruchtbar ist

Dieser Konflikt fällt nicht vom Himmel. Die Trump-Regierung hat kein neues Feuer gelegt; sie hat lediglich Kanister voller Benzin in eine bereits schwelende Glut gegossen. Studien zeigen, dass das Vertrauen in die Wissenschaft bei konservativen Wählern bereits seit den 1970er-Jahren erodiert. Themen wie der Klimawandel oder die Sicherheit von Impfstoffen wurden schon lange vor Trump zu Markern der politischen Identität. Was jedoch neu ist, ist die Radikalität und Offenheit, mit der die Regierung diese Spaltung vorantreibt. Sie hat die Wissenschaft als Ganzes zum Feindbild erklärt, zum Werk einer einzigen Partei, das es zu zerstören gilt.

Die Folgen dieser gezielten Polarisierung sind in Umfragedaten klar ablesbar. Eine Mehrheit der republikanischen Wähler unterstützt massive Budget- und Personalkürzungen bei den Gesundheitsbehörden, während fast alle Demokraten dies ablehnen. 41 Prozent der Republikaner glauben, die von der Regierung geänderten Impfrichtlinien machten das Land sicherer; bei den Demokraten sind es nur 4 Prozent. Diese Zahlen offenbaren eine Kluft, die weit über politische Meinungsverschiedenheiten hinausgeht. Sie deuten auf die Entstehung zweier getrennter Wirklichkeiten hin, die kaum noch eine gemeinsame Grundlage für den gesellschaftlichen Diskurs finden. Verstärkt wird dies durch die demografische Realität, dass Wissenschaftler als Berufsgruppe tendenziell stärker den Demokraten zuneigen, was ihre Verteidigung in den Augen ihrer Kritiker zusätzlich delegitimiert.

Vom Dissens zur Lebensgefahr: Wenn Worte zu Waffen werden

Der Konflikt bleibt längst nicht mehr auf der abstrakten Ebene von Debatten und Budgets. Die aggressive Rhetorik der Regierung hat ein Klima der Angst und der realen Bedrohung geschaffen. Wenn der Gesundheitsminister die CDC als „Sumpf der Korruption“ bezeichnet, hat das Konsequenzen. Anfang des Monats feuerte ein Mann, der seinen Unmut über die COVID-19-Impfungen geäußert hatte, hunderte Schüsse auf das CDC-Hauptquartier und tötete dabei einen Polizisten. Für viele Forscher war dies ein Wendepunkt, der die persönliche Gefahr ihrer Arbeit greifbar machte. Die zögerliche und relativierende Reaktion der Regierung auf diesen Akt der Gewalt wurde von vielen als stillschweigende Duldung, wenn nicht gar als Ermutigung verstanden.

Gleichzeitig führt der Konflikt zu einer Fragmentierung des öffentlichen Gesundheitswesens. Wenn die American Academy of Pediatrics aus Protest die Sitzungen des Impf-Beratungsgremiums boykottiert und eigene, von der CDC abweichende Impfempfehlungen herausgibt, entsteht ein gefährliches Vakuum. Eltern, die nach verlässlichen Informationen suchen, stehen plötzlich vor einem widersprüchlichen Angebot. Welcher Institution sollen sie vertrauen? Dieser Zielkonflikt – die Verteidigung der evidenzbasierten Medizin auf Kosten der Einheitlichkeit staatlicher Empfehlungen – zeigt, wie tief der Riss bereits geht und welche konkreten Folgen er für die Gesundheit der Bevölkerung hat.

Die Umkehrung der Realität: Wer politisiert hier wen?

Ein Meisterstück der politischen Strategie der Trump-Regierung liegt in der perfiden Umkehrung der Täter-Opfer-Rolle. Nicht die Politiker, die wissenschaftliche Erkenntnisse missachten, politisieren die Wissenschaft, sondern die Wissenschaftler, die sich dagegen wehren. Diese Taktik wurde eindrücklich bei einem Treffen zwischen NIH-Direktor Jay Bhattacharya und seinen Mitarbeitern demonstriert. Nachdem die Forscher ihre Sorgen über die Aushöhlung der wissenschaftlichen Integrität vorgetragen hatten, lud man den Direktor zu einer Pro-NIH-Kundgebung ein. Seine wütende Reaktion entlarvte die Logik der Regierung: „Ich bin enttäuscht, dass Sie das politisieren“.

In dieser Weltsicht sind es die Wissenschaftler selbst, die durch ihre Ideologie und ihre Verflechtung mit der Industrie die reine Lehre der Wissenschaft verraten haben. Die Regierung stilisiert sich zur Retterin der wahren, unpolitischen Forschung, die sie aus den Fängen einer liberalen Elite befreien müsse. Indem sie die Öffentlichkeit ermutigt, „eigene Nachforschungen“ anzustellen, fördert sie gezielt ein Klima des Misstrauens gegenüber Experten und Institutionen und legitimiert ihre eigene Agenda als den wahren Willen des Volkes.

Gibt es einen Ausweg aus der Falle?

Was also tun in einer Situation, in der Schweigen als Zustimmung und Widerspruch als parteiischer Aktivismus ausgelegt wird? Die Wissenschaftler stehen vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Einige Experten glauben, dass die Verteidigung der Prinzipien der Wissenschaft, anstatt sich in tagespolitische Grabenkämpfe ziehen zu lassen, ein möglicher Weg sein könnte. Der Kampf für Transparenz, für nachvollziehbare Methoden und für die Freiheit der Forschung könnte als ein legitimes Anliegen verstanden werden, das im ureigenen Interesse der Wissenschaftler liegt.

Doch selbst dieser Weg ist mit Risiken gepflastert. Die Forschung des Sozialpsychologen Azim Shariff zeigt, dass Menschen es grundsätzlich nicht mögen, wenn Wissenschaft politisiert wird – selbst wenn es in ihrem eigenen politischen Sinne geschieht. Die bloße Wahrnehmung einer Parteinahme, egal wie gut begründet, führt zu einem Vertrauensverlust.

Die langfristigen Folgen für die USA als Wissenschaftsstandort sind verheerend. Ein Land, dessen Innovationskraft und Wohlstand maßgeblich auf seiner wissenschaftlichen Exzellenz beruhen, sägt an dem Ast, auf dem es sitzt. Wenn Forschungsgelder nach politischer Loyalität statt nach wissenschaftlicher Qualität vergeben werden und junge Talente ein zunehmend feindseliges Klima vorfinden, droht ein Braindrain, der die technologische und wirtschaftliche Führungsposition der USA auf Jahrzehnte hinaus schwächen könnte.

Am Ende geht es um mehr als nur um Forschungsetats und Personalien. Es geht um die Frage, ob eine komplexe Gesellschaft in der Lage ist, eine gemeinsame Realität als Grundlage für ihre Entscheidungen zu akzeptieren. Der Kampf, den Amerikas Wissenschaftler heute führen, ist daher nicht nur ihr eigener. Es ist ein Stellvertreterkrieg um die Zukunft der Aufklärung in einer Zeit, in der die Wahrheit selbst zur Verhandlungssache erklärt wurde. Und in diesem Kampf gibt es keine einfachen Siege, vielleicht nicht einmal ein ehrenhaftes Unentschieden.

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