
Es ist ein Bild, das in seiner Symbolik kaum zu übertreffen ist: Ein amerikanischer Präsident empfängt den britischen Premierminister nicht im Weißen Haus oder einer ehrwürdigen Residenz, sondern auf den sorgfältig gemähten Grüns seines privaten Golf-Imperiums in Schottland. Hier, mit Blick auf die Fairways des Turnberry-Resorts, werden Weltkonflikte verhandelt und Handelsabkommen geschmiedet. Doch dieses Treffen zwischen Donald Trump und Keir Starmer, ebenso wie das mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ist weit mehr als nur ein diplomatischer Termin an einem ungewöhnlichen Ort. Es ist die sichtbarste Manifestation eines präsidentialen Geschäftsmodells, das die Grenzen zwischen Staatsamt und Privatvermögen systematisch auflöst. Es ist die konsequente Umsetzung der Trump-Doktrin, in der internationale Diplomatie zum Marketinginstrument wird und die amerikanische Präsidentschaft selbst zur wertvollsten Marke im Portfolio des Unternehmers.
Goldene Fairways, harte Politik: Die schottische Bühne
Traditionell folgt die Diplomatie einem strengen Protokoll, das Orte und Abläufe vorsieht, um die Interessen des Staates von denen der Person, die ihn vertritt, sauber zu trennen. Donald Trump hat diese ungeschriebenen Gesetze mit einer beispiellosen Selbstverständlichkeit außer Kraft gesetzt. Indem er den britischen Premierminister quasi als Gast im eigenen Land empfängt und sein Anwesen zur Bühne für transatlantische Gespräche erhebt, verkehrt er die Logik des Gastrechts ins Gegenteil. Es ist nicht mehr der amerikanische Präsident, der umworben wird, sondern es sind die Staatsgäste, die durch ihre Anwesenheit den Wert eines kommerziellen Unternehmens steigern.

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Die Vorteile für die Trump Organization sind dabei ebenso direkt wie vielfältig. An erster Stelle steht die unbezahlbare Werbung. Jede Kamera, die auf die Staatsmänner gerichtet ist, fängt auch das Logo des Resorts ein. Der Präsident selbst wird zum besten Verkäufer, wenn er mitten in einem diplomatischen Statement abschweift, um die „großartigen“ Fenster seiner Speisesäle zu preisen – eine Bemerkung, die der sichtlich um die Gunst des Präsidenten bemühte Keir Starmer pflichtschuldig bekräftigt. Trump nutzt die Plattform seines Amtes, um Zitate berühmter Golfer über sein Anwesen zu verbreiten und Videos von seinen Abschlägen in den sozialen Medien zu posten.
Doch es geht nicht nur um Image, es geht um handfestes Geld. Die Besuche spülen dem Unternehmen direkt Gelder aus der amerikanischen Staatskasse in die Kassen. Die Unterbringung von Sicherheitspersonal und Mitarbeitern des Weißen Hauses auf Trumps Grundstücken lässt den Steuerzahler für die Instandhaltung und den Profit des Präsidentenvermögens aufkommen. Ein Vorgehen, das bei einem früheren Besuch 2018 bereits zehntausende Dollar gekostet hat. Dieser Geldfluss ist umso brisanter, wenn man die finanzielle Lage des Resorts betrachtet. Trump Turnberry, einst eine teure Akquisition, kämpft seit Jahren mit der Profitabilität und verzeichnete zuletzt einen Verlust in Millionenhöhe. Vor diesem Hintergrund erscheint die Vermietung an die eigene Regierung nicht nur als Interessenkonflikt, sondern als eine gezielte wirtschaftliche Stützungsmaßnahme.
Die offizielle Verteidigungslinie des Weißen Hauses wirkt angesichts dieser Verflechtungen dünn. Man verweist darauf, dass die Golfplätze in einem von Trumps Kindern verwalteten Trust lägen und der Präsident stets im besten Interesse des amerikanischen Volkes handle. Man preist die Anlagen als die schönsten der Welt, weshalb sie sich für solche Anlässe quasi von selbst anböten. Es ist eine Argumentation, die den Kern des Vorwurfs bewusst ignoriert: die Frage, ob ein Präsident die Macht seines Amtes nutzen darf, um sein privates Vermögen aufzuwerten – unabhängig davon, wie schön seine Golfplätze sind.
Ein Präsident, zwei Kriege und ein Ultimatum
Fast scheint es, als wäre die eigentliche Politik nur der notwendige Anlass für das Marketing-Event. Doch die in Schottland geführten Gespräche haben es in sich. Trump nutzt die Bühne für eine Reihe von Ankündigungen, die seine impulsive und oft widersprüchliche Herangehensweise an die Weltpolitik unterstreichen. Er präsentiert einen vorläufigen Handelsdeal mit der Europäischen Union, der Zölle von 15 Prozent auf europäische Autos und andere Waren vorsieht – ein Abkommen, das laut Analysten vielen europäischen Unternehmen eher schaden als nutzen dürfte. Gleichzeitig bleiben die Streitigkeiten mit Großbritannien über Stahl- und Aluminiumzölle ungelöst.
Noch dramatischer sind seine Einlassungen zu den beiden großen Kriegen der Zeit. Seine Frustration über Wladimir Putin, der trotz Gesprächen den Krieg in der Ukraine brutal fortsetzt, entlädt sich in einem neuen Ultimatum. Die ursprüngliche Frist von 50 Tagen für einen Waffenstillstand verkürzt er kurzerhand auf „10 oder 12 Tage“ und droht mit sekundären Sanktionen. Es ist ein typischer Trump-Moment: Eine Mischung aus persönlicher Enttäuschung, Ungeduld und einer Drohgebärde, deren tatsächliche Umsetzung im Vagen bleibt.
Ähnlich ambivalent agiert er im Gaza-Konflikt. Einerseits zeigt er sich von Bildern hungernder Kinder berührt und widerspricht damit explizit der Behauptung des israelischen Premierministers Netanjahu, es gäbe keine Hungersnot. Er kündigt die Einrichtung amerikanischer Essenszentren an. Andererseits beklagt er sich bitterlich, niemand danke ihm für die bereits geleistete Hilfe, und verbreitet die unbewiesene Behauptung, die Hamas würde Hilfsgüter stehlen. Gekrönt wird dies von der Falschaussage, andere Nationen hätten keinen Cent zur Linderung der humanitären Krise beigetragen, obwohl allein die EU bereits hunderte Millionen Dollar investiert hat. Seine Haltung erscheint als ein seltsamer Mix aus zur Schau gestellter Empathie und narzisstischer Kränkung.
Der Applaus und der Protest: Ein geteiltes Echo
Die Reaktionen auf Trumps schottisches Gipfeltreffen könnten unterschiedlicher nicht sein und zeichnen das Bild einer tief gespaltenen Wahrnehmung. Auf der einen Seite stehen die internationalen Partner, personifiziert durch Keir Starmer. Seine Bereitschaft, das Spiel mitzuspielen und die Qualitäten des Resorts zu loben, illustriert ein Dilemma, das viele Staats- und Regierungschefs im Umgang mit Trump haben. Man arrangiert sich, akzeptiert die unkonventionellen Regeln in der Hoffnung auf politische Zugeständnisse. Ein britischer Analyst bringt es auf den Punkt: Premierminister hätten schon immer entschieden, mit US-Präsidenten so umzugehen, wie sie sie eben vorfinden. Es ist eine pragmatische, aber auch resignative Haltung, die Trumps Normbrüche zur neuen Normalität erklärt.
Auf der anderen Seite formiert sich lautstarker Widerspruch. In Schottland selbst gehen Menschen auf die Straße, um gegen die „krasse Korruption“ und die Vermengung von Amt und Geschäft zu protestieren. Für sie ist der Besuch kein gewöhnlicher diplomatischer Akt, sondern die Besetzung ihres Landes als Werbefläche für die Interessen des US-Präsidenten. Dieses Gefühl spiegelt sich auch in den Kommentaren unter den Online-Artikeln wider, wo die Empörung über die Nutzung von Steuergeldern für die Bereicherung des Präsidenten groß ist.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich ein Präsident, der die Bühne sichtlich genießt. Die langen, weitschweifigen Pressekonferenzen nutzt er nicht nur für politische Ankündigungen, sondern auch, um persönliche Rechnungen zu begleichen oder alte Obsessionen zu pflegen. Er präsentiert eine neue Version seiner Trennung vom verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und schimpft einmal mehr über Windmühlen. Es ist der ungeschliffene, unkontrollierte Trump, für den die Weltbühne immer auch eine persönliche Reality-Show ist.
Was also bleibt von diesen Tagen in Schottland? Es bleibt das Bild eines Präsidenten, für den das höchste Staatsamt und die Führung eines Unternehmens keine getrennten Sphären sind, sondern synergetisch ineinandergreifen. Politik wird zur Verkaufsstrategie, Diplomatie zum Instrument der Markenpflege. Die Trump-Doktrin ist keine subtile Strategie, sondern eine offene und rücksichtslose Missachtung jener Regeln, die das öffentliche Interesse vor den privaten Profit stellen sollen. Es ist ein Modell, das eine fundamentale Frage aufwirft: Was geschieht mit einer Demokratie, wenn ihr höchster Repräsentant das Staatsschiff wie ein privates Kreuzfahrtschiff steuert, das vor allem den eigenen Hafen anlaufen muss?