
In den Bilanzen von Konzernen, den Kassenbüchern von Kleinunternehmern und den Köpfen der US-Notenbanker herrscht ein Zustand, den ein Hotelbesitzer aus Oregon mit einem einzigen, treffenden Bild auf den Punkt bringt: Es fühle sich an, als hätte jemand die Wirtschaft in eine Waschmaschine geworfen. Dieses Bild des unkontrollierten Schleudergangs fängt die Essenz der amerikanischen Wirtschaftslage im Sommer 2025 perfekt ein. Auf dem Papier verkündete das Handelsministerium für das zweite Quartal ein beeindruckendes Wachstum von 3 Prozent, eine Zahl, die Präsident Trump umgehend als Beweis seiner Genialität feierte. Doch unter dieser glänzenden Oberfläche, die von Experten als statistische Fata Morgana entlarvt wird, verbirgt sich eine weitaus beunruhigendere Wahrheit: eine Wirtschaft, die an Kraft verliert, deren zentraler Motor – der Konsum – zu stottern beginnt und deren Steuermänner bei der Notenbank in einem dichten Nebel aus widersprüchlichen Daten und politischem Druck navigieren müssen. Die Handelspolitik der Trump-Administration hat nicht nur Lieferketten gekappt, sondern auch die Fähigkeit zur klaren Analyse sabotiert. Sie hat die Zahlen zur Fiktion und die Ungewissheit zum neuen Normalzustand gemacht.
Zahlen, die lügen: Wie der Zollkrieg die Wirtschaftsdaten zur Fiktion macht
Um die wahre Verfassung der US-Wirtschaft zu verstehen, muss man zunächst einen Blick hinter die Kulissen der offiziellen Statistik werfen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist keine direkte Messung der Produktion, sondern eine komplexe Verrechnung von Ausgaben, Investitionen und Handelsströmen. Genau hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der aktuellen Verwirrung. In Antizipation neuer Zölle durch die Trump-Administration haben Unternehmen zu Beginn des Jahres ihre Lager mit ausländischen Gütern vollgestopft. Dieser massive Anstieg der Importe führte in der BIP-Berechnung, bei der Importe abgezogen werden, zu einem statistischen Artefakt: Die Wirtschaft schien um 0,5 Prozent zu schrumpfen.

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Im zweiten Quartal kehrte sich dieser Effekt dann abrupt um. Da die Lager nun gefüllt waren, brachen die Importe ein. Rein rechnerisch sorgte dieser Rückgang für einen gewaltigen Schub und ließ das BIP um scheinbar robuste 3 Prozent wachsen. Experten sind sich einig, dass diese extremen Ausschläge – ein Einbruch um fast 5 Prozentpunkte durch Importe im ersten Quartal, gefolgt von einem Plus von über 5 Punkten im zweiten – nichts über die reale Wirtschaftsleistung aussagen. Sie sind das Echo einer Politik, die Unternehmen zu erratischen, kurzfristigen Manövern zwingt.
Um durch diesen statistischen Nebel zu blicken, schlagen Ökonomen eine einfachere Methode vor: Man mittelt die Wachstumsraten der ersten beiden Quartale. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die US-Wirtschaft wuchs im ersten Halbjahr 2025 mit einer annualisierten Rate von nur 1,25 Prozent. Das ist eine dramatische Verlangsamung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit 2,3 Prozent Wachstum. Der Chefökonom von Moody’s Analytics, Mark Zandi, formuliert es unmissverständlich: Die Wirtschaft hat in diesem Jahr deutlich gedrosselt. Die lauten Schlagzeilen verbergen eine leise, aber unaufhaltsame Erosion.
Wenn der Motor stottert: Amerikas Konsumenten verlieren die Zuversicht
Lange Zeit galt die Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Verbraucher als unerschütterliche Säule der Konjunktur. Sie trieben mit ihren Ausgaben fast 70 Prozent der Wirtschaftsleistung an. Doch auch diese Bastion zeigt nun Risse. Das Konsumwachstum lag im zweiten Quartal zwar bei 1,4 Prozent und damit über dem schwachen Jahresanfang, aber es ist meilenweit von der Dynamik des Vorjahres entfernt, als die Ausgaben noch um 2,8 Prozent zulegten. Die Menschen spüren die Unsicherheit und beginnen, auf die Bremse zu treten.
Die Anzeichen sind subtil, aber in ihrer Gesamtheit alarmierend. Amerikaner kaufen weniger Autos, verzichten auf Restaurantbesuche und planen kleinere Urlaube. Sie machen sich Sorgen über die Auswirkungen neuer Zölle auf die Preise und fürchten um ihre Arbeitsplätze in einem sich abkühlenden Arbeitsmarkt. Auch wenn die Arbeitslosenquote mit 4,1 Prozent oberflächlich betrachtet niedrig erscheint, verbergen sich dahinter beunruhigende Details. So war die Hälfte der im Juni geschaffenen Stellen auf den öffentlichen Sektor zurückzuführen, während private Arbeitgeber nur zögerlich neue Mitarbeiter einstellten. Diese Diskrepanz nährt die Furcht, dass der Arbeitsmarkt anfälliger ist, als es die Schlagzeilen vermuten lassen. Der Konsument, so beschreibt es ein Ökonom, zieht sich vielleicht nicht zurück, aber er sitzt auf seinen Händen und wartet ab. Diese abwartende Haltung ist Gift für eine Wirtschaft, die vom Vertrauen in die Zukunft lebt.
Gefangen im Dilemma: Die US-Notenbank zwischen Inflationsangst und politischem Druck
Im Zentrum dieses Sturms steht die Federal Reserve, die US-Notenbank. Ihre Aufgabe, für Preisstabilität und maximale Beschäftigung zu sorgen, ist zu einer Mission Impossible geworden. Die Fed-Gouverneure blicken auf ein Armaturenbrett voller widersprüchlicher Signale. Auf der einen Seite steht eine sich abschwächende Konjunktur und eine moderate Inflation, die für Zinssenkungen sprechen, um einen Abschwung zu verhindern. Auf der anderen Seite drohen die von Trump verhängten Zölle, die Inflation wieder anzufachen, was eigentlich höhere Zinsen erfordern würde.
Diese Zerrissenheit spiegelt sich in einer tiefen Spaltung innerhalb der Notenbank wider. Ein Lager, angeführt von den Gouverneuren Christopher Waller und Michelle Bowman, sieht die Risiken einer Konjunkturabschwächung überwiegen. Waller warnt, dass die schwachen Einstellungszahlen im Privatsektor ein Vorbote für eine Verschlechterung am Arbeitsmarkt sein könnten, und plädiert dafür, die Zinsen proaktiv zu senken, bevor es zu spät ist. Demgegenüber stehen Beamte wie der Präsident der Atlanta Fed, Raphael Bostic. Er warnt davor, die Inflationsgefahr durch die Zölle zu unterschätzen. Er befürchtet keinen einmaligen Preisschub, sondern einen schleichenden, langwierigen Prozess, der sich über ein Jahr oder länger hinziehen und die Erwartungen der Verbraucher und Unternehmen nachhaltig verändern könnte.
Verschärft wird dieses Dilemma durch den beispiellosen Druck aus dem Weißen Haus. Präsident Trump fordert lautstark und öffentlich sofortige und drastische Zinssenkungen, um das Wachstum anzukurbeln und die wachsenden Staatsdefizite zu finanzieren. Auch wenn Notenbankchef Jerome Powell bemüht ist, einen ruhigen und datengestützten Kurs zu steuern, untergräbt dieser politische Angriff die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Institution in einer Zeit, in der sie am dringendsten gebraucht würde. Die Fed steckt in der Klemme: Jede Entscheidung, die sie trifft, wird von einer Seite als Fehler kritisiert werden.
Das Echo in der Realwirtschaft: Wenn Planung zur Glückssache wird
Die makroökonomische Unsicherheit und die statistischen Verzerrungen haben sehr reale Konsequenzen. Sie lähmen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und machen jede Form von Zukunftsplanung zum Glücksspiel. Das zeigt sich nicht nur in den großen Daten, die einen Rückgang der Investitionen in neue Gebäude, Ausrüstung und Forschung belegen. Es zeigt sich vor allem im Alltag von Unternehmern wie Kevin Marr in Oregon. Er berichtet von einbrechender Nachfrage internationaler Gäste, steigenden Versicherungs- und Energiekosten und der ständigen Bedrohung durch neue Zölle. „Für kleine Leute wie uns“, sagt er, „ist es schwieriger geworden, unsere Rechnungen zu bezahlen, zu planen, irgendetwas zu tun.“
Dieses Gefühl der Lähmung ist das direkte Resultat einer Politik, die auf Unberechenbarkeit setzt. Unternehmen halten sich mit Investitionen und Neueinstellungen zurück, weil sie nicht wissen, wie sich Zölle, Einwanderungspolitik und staatliche Ausgaben auf die Nachfrage auswirken werden. Die Wirtschaft leidet nicht nur unter den Zöllen selbst, sondern unter der Kakofonie und dem Chaos, das sie erzeugen.
Am Ende bleibt ein Bild zurück, das die Ökonomin Louise Sheiner treffend beschreibt: Wir werden eines Tages zurückblicken und entweder sagen, die Wirtschaft sei erstaunlich widerstandsfähig gewesen, oder wir werden sagen, ja, man konnte die Schwächung bereits spüren. Momentan, so ihr Fazit, wissen wir es einfach nicht. Doch die Anzeichen verdichten sich, dass der Nebel, den die Politik der Administration erzeugt, eine gefährliche Realität verdeckt. Die Frage ist nicht mehr, ob die US-Wirtschaft an Fahrt verliert – die bereinigten Daten zeigen dies deutlich. Die entscheidende Frage ist, wie tief der Fall sein wird, wenn der künstliche Nebel sich lichtet und der Blick auf die tatsächliche Landschaft frei wird.