Die Kunst des Selbst-Deals: Trumps Außenpolitik als Familienunternehmen

Illustration: KI-generiert

In der glitzernden Welt der Superjachten, vor der Küste Sardiniens, wo sich Milliardäre und Machtstrategen begegnen, verdichtete sich in diesem Sommer das Bild einer neuen amerikanischen Außenpolitik. Dort traf Steve Witkoff, der Nahost-Gesandte von Präsident Donald Trump, auf Scheich Tahnoon bin Zayed Al Nahyan, den stillen, aber unermesslich mächtigen Lenker der Staatsfonds und der nationalen Sicherheit der Vereinigten Arabischen Emirate. Dieses Treffen war mehr als nur diplomatische Routine; es war das Symbol eines Paktes, der die Grundfesten amerikanischer Regierungsführung erschüttert. Eine tiefgreifende Recherche enthüllt eine beispiellose Verquickung von privaten Geschäftsinteressen und nationaler Sicherheitspolitik, die selbst für die Verhältnisse der Trump-Administration eine neue Dimension erreicht. Im Zentrum stehen zwei Abkommen, die in einem zeitlichen und personellen Zusammenhang stehen, der den Verdacht einer stillschweigenden Gegenleistung nährt: Auf der einen Seite fließt ein milliardenschwerer Geldsegen aus den Emiraten in eine private Kryptowährungsfirma der Familien Trump und Witkoff. Auf der anderen Seite öffnet das Weiße Haus den Emiraten die Tore zu einer der strategisch wichtigsten Ressourcen der Zukunft – modernsten amerikanischen KI-Chips.

Was hier zutage tritt, ist nicht weniger als die systematische Umwandlung amerikanischer Außenpolitik in ein privates Geschäftsmodell. Nationale Interessen, insbesondere die kritische Aufgabe, den technologischen Aufstieg Chinas einzudämmen, werden zur Verhandlungsmasse für den Profit des innersten Zirkels um den Präsidenten. Die traditionelle, wenn auch oft brüchige Trennlinie zwischen öffentlichem Dienst und persönlicher Bereicherung wird nicht nur verwischt, sondern gezielt eingerissen. Washington importiert damit ein Regierungsmodell, das eher an die autokratischen Herrscherhäuser des Persischen Golfs erinnert, wo staatliche und private Kassen seit jeher als Einheit betrachtet werden.

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Ein Pakt mit zwei Gesichtern

Die Anatomie dieses Arrangements ist ebenso simpel wie brisant. Im Mai dieses Jahres verkündete Zach Witkoff, der Sohn des Nahost-Gesandten, auf einer Konferenz in Dubai einen Coup: Eine Investmentfirma unter der Kontrolle von Scheich Tahnoon würde zwei Milliarden Dollar in World Liberty Financial deponieren, ein Krypto-Start-up, das von den Witkoffs und den Trumps gemeinsam gegründet wurde. Diese Transaktion katapultierte das junge Unternehmen über Nacht in die erste Liga der Finanzwelt und sicherte den Familien einen jährlichen Einnahmestrom in zweistelliger Millionenhöhe.

Nur zwei Wochen später folgte die offizielle Geste aus Washington. Das Weiße Haus stimmte einem Abkommen zu, das den Vereinigten Arabischen Emiraten den Zugang zu Hunderttausenden der weltweit fortschrittlichsten und begehrtesten Computerchips sichert. Ein Großteil dieser Technologie soll an G42 gehen, einen weitverzweigten Technologiekonzern, der ebenfalls von Scheich Tahnoon kontrolliert wird. Dieser Deal stellt eine radikale Abkehr von der Politik der Vorgängerregierung dar. Die Biden-Administration hatte den Zugang der Emirate zu dieser kritischen Technologie aufgrund schwerwiegender Sicherheitsbedenken stark eingeschränkt. US-Geheimdienste warnten vor der engen Verflechtung der V.A.E. mit China, insbesondere durch gemeinsame Militärübungen und Geschäftspartnerschaften von G42 mit chinesischen Tech-Firmen. Die Furcht war und ist, dass amerikanische Hochtechnologie über den Umweg von Datenzentren in den Emiraten in die Hände Pekings gelangen und dessen militärische KI-Fähigkeiten beschleunigen könnte.

Die Architekten des Deals

Die Verflechtung der beiden Geschäfte wird durch das Agieren der Schlüsselpersonen erst vollends offenbar. In der Person Steve Witkoffs, des zum Nahost-Gesandten ernannten Immobilienmagnaten und langjährigen Freundes von Trump, kulminiert dieser Interessenkonflikt. Während er offiziell amerikanische Interessen vertreten sollte, profitierte sein Familienunternehmen direkt von der Großzügigkeit ebenjener Regierung, deren strategische Wünsche er in Washington beförderte. Behauptungen des Weißen Hauses, Witkoff sei im Begriff, sich vollständig aus dem Unternehmen zurückzuziehen, stehen im Widerspruch zu öffentlichen Dokumenten, die noch im August ein finanzielles Interesse auswiesen – ein eklatanter Widerspruch, der die Fragwürdigkeit der offiziellen Dementis unterstreicht.

Ihm zur Seite stand David Sacks, der von Trump zum neu geschaffenen KI- und Krypto-Beauftragten ernannt wurde. Sacks, ein Veteran des Silicon Valley und Risikokapitalgeber, vertrat vehement die These, die USA könnten die KI-Revolution am besten anführen, indem sie die Welt mit ihren Chips versorgten. In Meetings argumentierte er für quasi unbegrenzte Chip-Verkäufe an den Nahen Osten und formulierte die Alternative prägnant: „Sollen diese Länder das Sparschwein für amerikanische KI sein oder für chinesische KI?“ Diese Haltung, die die Interessen der US-Tech-Industrie widerspiegelt, kostete die amerikanischen Unterhändler wertvollen Verhandlungsspielraum, um den Emiraten Sicherheitszugeständnisse abzuringen. Sacks‘ Position wird zusätzlich dadurch kompromittiert, dass seine Venture-Capital-Firma Craft Ventures in der Vergangenheit Gelder von Staatsfonds aus Abu Dhabi und Saudi-Arabien erhalten hatte. Obwohl das Weiße Haus ihm eine spezielle Ethik-Ausnahmegenehmigung erteilte, die ihm die Teilnahme an Entscheidungen erlaubte, die seine finanziellen Beteiligungen berühren könnten, bleibt der fade Beigeschmack eines Entscheiders, der die Grenzen zwischen Regierungsamt und seinen industriellen Netzwerken bewusst ignoriert.

Säuberung im Sicherheitsrat

Die Durchsetzung des Chip-Deals gegen interne Widerstände war kein Zufall, sondern das Ergebnis einer gezielten politischen Säuberung. Im Nationalen Sicherheitsrat hatten Beamte wie David Feith, ein Experte für die China-Politik, einen alternativen Plan entwickelt. Dieser „America First“-Ansatz sah vor, den ausländischen Zugang zu den fortschrittlichsten Chips für mindestens ein Jahr stark zu beschränken, um den USA einen technologischen Vorsprung zu sichern. Dieser Plan stand den Wünschen von Scheich Tahnoon diametral entgegen.

Anfang April, kurz nach einem Besuch des Scheichs in Washington, änderte sich die Dynamik schlagartig. Nach einem Treffen mit der rechtskonservativen Aktivistin Laura Loomer entließ Präsident Trump sechs Beamte des Sicherheitsrates, darunter auch Feith. Mit der Beseitigung dieser kritischen Stimmen war der Weg frei für Sacks und Witkoff, die Verhandlungen im Sinne der Emirate zu einem Abschluss zu bringen. Dieser Vorgang illustriert eindrücklich, wie interne Kontrollmechanismen und fachliche Expertise gezielt ausgeschaltet wurden, um einen politisch und potenziell privat motivierten Deal durchzusetzen.

Eine Frage des Stils – und der Substanz

Die offene Bewunderung des Trump-Zirkels für das Geschäftsgebaren der Golfmonarchien ist der ideologische Kitt, der diese Praktiken zusammenhält. Auf der Konferenz in Dubai pries Zach Witkoff die Emirate als leuchtendes Beispiel dafür, wie man „Innovation vorantreiben und gleichzeitig Familienwerte pflegen“ könne. Diese Aussage ist entlarvend. Was als Lob für Familienwerte getarnt wird, ist in Wahrheit die Übernahme einer Regierungsphilosophie, in der die regierende Familie und der Staat verschmelzen und öffentliche Ämter als Instrument zur persönlichen Bereicherung dienen.

Diese Vermengung von Regierungs- und Familiengeschäften verletzt zutiefst die normativen Leitplanken, die die amerikanische Politik über Jahrhunderte geprägt haben. Der Grundsatz, dass Regierungsentscheidungen dem nationalen Interesse und nicht dem kommerziellen Interesse der Entscheidungsträger dienen sollen, wird hier ad absurdum geführt. Es ist eine Entwicklung, die Amerikas Verbündete alarmiert und seine Gegner ermutigt, da sie den Eindruck vermittelt, dass amerikanische Politik käuflich geworden ist.

Die Spuren des Geldes

Die operative Verknüpfung der beiden Deals wird durch eine weitere Personalie zementiert: Fiacc Larkin, ein Computerexperte, diente gleichzeitig als Krypto-Chef bei G42, dem Empfänger der Chips, und als „leitender strategischer Berater“ bei World Liberty, dem Empfänger des Geldes. Ein G42-Angestellter half also aktiv dabei, dem Familienunternehmen des US-Präsidenten zu Reichtum zu verhelfen, während sein Arbeitgeber mit dem Weißen Haus um eine strategisch entscheidende Technologie feilschte. Ein direkterer Interessenkonflikt ist kaum vorstellbar.

Die Transaktionen werfen zudem ein Licht auf weitere heikle Verbindungen. Der Zwei-Milliarden-Deal wurde genutzt, um in die weltgrößte Kryptobörse Binance zu investieren. Deren Gründer, Changpeng Zhao, bekannte sich 2023 des Geldwäschevergehens schuldig und hat seitdem eine Begnadigung durch den Präsidenten beantragt. Durch den Deal entsteht eine finanzielle Verbindung zwischen der Trump-Familie und einem verurteilten Straftäter, der auf die Gnade des Präsidenten angewiesen ist – eine Konstellation, die den Boden für zukünftige Gefälligkeiten bereitet.

Abschließend lässt sich festhalten, dass der Fall weit über einen isolierten Skandal hinausgeht. Er offenbart ein System, in dem die Außen- und Sicherheitspolitik der einzigen verbliebenen Supermacht der Welt zu einem Selbstbedienungsladen für einen kleinen, privilegierten Zirkel verkommt. Die langfristigen Konsequenzen sind verheerend. Geopolitisch untergräbt es die Glaubwürdigkeit der USA und schwächt ihre Position im strategischen Wettbewerb mit China, indem es den Anschein erweckt, dass selbst kritische nationale Sicherheitsinteressen verhandelbar sind. Innenpolitisch erodiert es das Vertrauen in die Integrität staatlicher Institutionen und fördert eine Kultur der Korruption. Die Frage ist nicht mehr, ob es einen expliziten Beweis für ein „Quid pro quo“ gibt. Die schiere Existenz dieser parallel laufenden, personell und finanziell verwobenen Deals ist bereits der Beweis für ein tiefgreifendes Systemversagen. Die Kunst des Deals, wie sie Donald Trump einst in seinem Buch beschrieb, hat ihre ultimative und gefährlichste Form gefunden: als Kunst des Selbst-Deals auf Kosten der nationalen Sicherheit.

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