Die geblendete Supermacht: Warum Trumps Angriff auf zwei NASA-Satelliten ein Angriff auf uns alle ist

Illustration: KI-generiert

In der unendlichen Schwärze des Alls ziehen zwei menschengemachte Wächter ihre Bahnen. Sie sind unsere Augen, unsere hochpräzisen Messinstrumente in einer Welt, die sich in fiebrigem Tempo verändert. Tag für Tag, hunderttausendmal, tasten sie die Erdoberfläche ab, nehmen den Puls unseres Planeten, messen seinen Atem. Diese Wächter, bekannt als die Orbiting Carbon Observatories (OCO) der NASA, sind mehr als nur hochentwickelte Technologie. Sie sind das Symbol für ein Zeitalter, das die Wahrheit in Daten suchte und die Komplexität des Lebens in wissenschaftlicher Neugier ergründen wollte. Nun aber sollen diese Augen geschlossen werden – und zwar mit voller Absicht.

Die Anweisung der Trump-Regierung, diese Missionen zu beenden, ist weit mehr als eine beiläufige Sparmaßnahme in einem gigantischen Staatshaushalt. Es ist ein Akt von beispielloser Tragweite, ein gezielter Schlag gegen das Nervensystem der modernen Klimaforschung. Es ist der Versuch, eine unbequeme Realität auszulöschen, indem man die Instrumente zerstört, die sie sichtbar machen. Was sich hier abspielt, ist die schockierende Erzählung einer Supermacht, die sich bewusst dafür entscheidet, blind zu werden. Die Debatte um diese zwei Satelliten ist daher keine technische Fachdiskussion. Sie ist ein Kampf um die Seele einer aufgeklärten Gesellschaft und die Frage, ob wir bereit sind, für das Recht auf eine faktenbasierte Zukunft einzustehen.

USA Politik Leicht Gemacht: Politik in den USA – einfach erklärt.

Unsere Augen im All: Die stille Revolution der OCO-Missionen

Um die ganze Dimension dieses Angriffs zu verstehen, muss man begreifen, was wir zu verlieren drohen. Die OCO-Missionen waren ursprünglich dafür konzipiert, eine einzige, entscheidende Frage zu beantworten: Wohin verschwindet das Kohlendioxid, das wir in die Atmosphäre pumpen? Sie sollten die globalen Quellen und Senken des wichtigsten Treibhausgases mit einer Genauigkeit kartieren, die bis dahin unvorstellbar war. Doch wie so oft in der Wissenschaft führte die Reise zu unerwarteten und noch wertvolleren Entdeckungen.

Die Instrumente, eines auf einem frei fliegenden Satelliten, das andere an der Internationalen Raumstation befestigt, erwiesen sich als so empfindlich, dass sie nicht nur CO2 maßen. Sie entdeckten quasi durch einen „glücklichen Zufall“ das schwache Leuchten der Photosynthese auf der Erdoberfläche. Plötzlich konnten Wissenschaftler der Erde in Echtzeit beim Wachsen zusehen. Sie konnten die Gesundheit von Wäldern, die Vitalität von Ernteflächen und die verheerenden Auswirkungen von Dürren aus dem All diagnostizieren.

Die Erkenntnisse, die diese Daten lieferten, waren revolutionär. Jahrzehntelang gehegte Annahmen wurden über den Haufen geworfen. So zeigte sich, dass der Amazonas-Regenwald, lange als grüne Lunge des Planeten idealisiert, mittlerweile mehr Kohlendioxid ausstößt, als er aufnimmt – eine alarmierende Nachricht. Im Gegenzug entpuppten sich die riesigen borealen Wälder der Nordhalbkugel in Kanada und Russland als gewaltige Kohlenstoffsenken, die einen erheblichen Teil der Emissionen schlucken. Diese Daten sind kein Luxus für die Wissenschaft. Sie sind die Grundlage für präzisere Klimamodelle und damit für jede seriöse politische Entscheidung.

Noch direkter ist der Nutzen für die Menschheit. Das US-Landwirtschaftsministerium nutzt die OCO-Daten, um Ernteerträge vorherzusagen und Dürreperioden zu überwachen. Für Landwirte, aber auch für globale Rohstoffmärkte, sind dies Informationen von unschätzbarem Wert. Mehr noch: Die Fähigkeit, drohende Nahrungsmittelknappheit frühzeitig zu erkennen, ist ein entscheidender Faktor für die globale Stabilität. Ernteausfälle sind einer der Haupttreiber für Massenmigration und politische Unruhen. Damit sind die Daten der OCO-Satelliten, wie ein beteiligter Forscher es auf den Punkt bringt, eine Frage der nationalen Sicherheit.

Die absurde Logik der Zerstörung: Ein Preisschild für die Wahrheit

Angesichts dieses immensen wissenschaftlichen und strategischen Werts wirkt die Begründung der Regierung für die Stilllegung wie aus einem Theaterstück des Absurden. Die Missionen hätten ihre „Hauptaufgabe“ erfüllt und würden nun im Einklang mit den „Budgetprioritäten des Präsidenten“ beendet, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme der NASA. Diese kühle, bürokratische Sprache verschleiert eine zutiefst irrationale Entscheidung.

Denn ein Blick auf die Zahlen entlarvt die Haushaltslogik als reinen Vorwand. Die Wartung beider Missionen im All, inklusive der Datenverarbeitung am Boden, kostet jährlich rund 15 Millionen Dollar. Dem gegenüber stehen Entwicklung- und Startkosten von etwa 750 Millionen Dollar, die die amerikanischen Steuerzahler bereits investiert haben. Es ist, als würde man ein voll funktionsfähiges, milliardenschweres Fabrikgebäude abreißen, um die jährlichen Stromkosten zu sparen. Ein pensionierter NASA-Wissenschaftler, der die Missionen leitete, nennt es schlicht eine „wirklich, wirklich schlechte Idee“, die aus ökonomischer Sicht keinerlei Sinn ergebe.

Die Behauptung, die Missionen seien quasi veraltet, ist nicht weniger fadenscheinig. Noch 2023 bescheinigte eine interne NASA-Prüfung den Daten eine „außergewöhnlich hohe Qualität“ und empfahl eine Fortführung für mindestens drei weitere Jahre. Die Instrumente sind weiterhin die genauesten ihrer Art weltweit, ein „nationales Gut“, das kein anderes System, weder in Betrieb noch in Planung, ersetzen kann. Warum also soll ein perfekt funktionierendes, unersetzliches und vergleichsweise günstig zu betreibendes System vom Himmel geholt werden – wobei einer der Satelliten sogar für immer in der Atmosphäre verglühen würde? Die Antwort kann nicht im Budget liegen. Sie muss politischer Natur sein.

Ein Kampf um die Macht: Wer darf das Licht ausknipsen?

Hinter den Kulissen tobt längst ein erbitterter Machtkampf, der an die Grundfesten der amerikanischen Demokratie rührt. Der Hebel der Regierung ist der Haushaltsentwurf für das Fiskaljahr 2026, der für die OCO-Missionen schlicht null Dollar vorsieht. Doch dieser Entwurf ist zunächst nur ein Wunschzettel des Präsidenten. Die eigentliche Macht über das Geld, die „power of the purse“, liegt beim Kongress. Und dort sind die Fronten verhärtet. Während ein Gesetzentwurf im Repräsentantenhaus den Kürzungen folgen will, sieht eine Version im Senat die weitere Finanzierung der Missionen vor.

Doch die Regierung scheint nicht bereit, auf eine Entscheidung des Parlaments zu warten. Kritiker, vor allem aus den Reihen der Demokraten, werfen der Administration vor, bereits jetzt illegal zu handeln. Sie argumentieren, dass die Regierung versucht, Gelder zurückzuhalten oder Missionen zu beenden, die vom Kongress für das laufende Haushaltsjahr 2025 bereits bewilligt und finanziert wurden. Dies wäre ein klarer Verstoß gegen die Gewaltenteilung. „Der Kongress hat die Macht über den Geldbeutel, nicht Trump“, formulierte es eine hochrangige demokratische Abgeordnete unmissverständlich.

Die Atmosphäre innerhalb der NASA ist von Angst und Einschüchterung geprägt. Mitarbeiter wurden angewiesen, detaillierte Pläne für die Stilllegung der Missionen auszuarbeiten. Ehemalige Projektleiter berichten, dass sie von aktiven Kollegen mit spitzen technischen Fragen zur Abwicklung kontaktiert wurden, wobei diese Kollegen nicht offen sagen durften, dass sie an einem Abschaltplan arbeiten. Mehrere aktuelle NASA-Mitarbeiter bestätigten die Anweisung anonym, weil ihnen mit Kündigung gedroht wurde, sollten sie darüber sprechen. Dies zeichnet das Bild einer Behörde, in der wissenschaftliche Integrität dem politischen Druck weichen muss und in der die Warner zum Schweigen gebracht werden.

Das Muster der Verdunkelung: Mehr als nur zwei Satelliten

Die Attacke auf die OCO-Missionen steht nicht für sich allein. Sie ist das vielleicht spektakulärste, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel für einen systematischen Feldzug der Trump-Regierung gegen die Klimawissenschaft. Betrachtet man die Maßnahmen der letzten Monate, fügen sich die Puzzleteile zu einem erschreckenden Gesamtbild zusammen. Es ist eine Strategie der Verdunkelung, die darauf abzielt, die öffentliche Wahrnehmung und die wissenschaftliche Datengrundlage zum Klimawandel gezielt zu untergraben.

Die Liste der Demontagen ist lang und verheerend:

  • Die Klimabehörde NOAA musste ihre weithin beachtete Datenbank über milliardenschwere Wetterschäden einstellen, die seit 1980 die ökonomischen Folgen von Extremwetter dokumentierte.
  • Hunderte von Wissenschaftlern und Mitarbeitern der NOAA wurden entlassen, darunter fast das gesamte Team hinter der Aufklärungs-Website climate.gov, die daraufhin abgeschaltet wurde.
  • Der Haushaltsentwurf sieht vor, legendäre Messstationen wie das Mauna Loa Observatory auf Hawaii zu schließen, das seit 1958 die berühmte „Keeling-Kurve“ liefert – die längste ununterbrochene Messreihe von atmosphärischem CO2 und ein ikonisches Symbol der Klimaforschung.
  • Die Arbeit am Nationalen Klimabericht, der alle paar Jahre die konkreten Folgen des Klimawandels für die USA zusammenfasst, wurde gestoppt und die beteiligten Wissenschaftler entlassen.

Das Prinzip dahinter scheint zu sein, dass der Klimawandel aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwindet, wenn man aufhört, ihn zu messen. Es ist eine Politik, die den Boten für die schlechte Nachricht bestraft, in der Hoffnung, die Nachricht selbst möge dadurch verschwinden. Ein Klimaforscher vergleicht es mit dem Versuch, eine Krebsdiagnose zu heilen, indem man die Ärzte feuert.

Hoffnungsschimmer oder freier Fall? Amerikas Scheideweg

Was also geschieht nun? Die Zukunft der beiden Satelliten und, in einem größeren Sinne, der amerikanischen Klimaforschung, hängt an einem seidenen Faden. Die letzte Hoffnung vieler Wissenschaftler ruht auf dem Kongress, der sich dem Kahlschlag noch widersetzen könnte. Doch die politische Unsicherheit ist groß, und die Zeit drängt, da das neue Haushaltsjahr am 1. Oktober beginnt.

Aus reiner Verzweiflung versuchen Wissenschaftler, einen Plan B zu schmieden. Sie suchen nach externen Partnern – Stiftungen, Milliardäre, sogar verbündete Nationen in Europa und Japan –, die bereit wären, die Kosten für den Weiterbetrieb zu übernehmen. Doch diese Notlösung wirft grundsätzliche Fragen auf. Sollte eine Kernaufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie die Überwachung unseres Planeten, an den guten Willen privater Spender oder ausländischer Mächte ausgelagert werden? Rechtliche Hürden, insbesondere bei der Übergabe der Kontrolle über einen US-Satelliten an ausländische Partner, sind immens.

So steht die wissenschaftliche Gemeinschaft vor einem düsteren Scheideweg. Entweder gelingt es, den politischen Willen zur Rettung dieses nationalen Schatzes zu mobilisieren, oder die USA vollziehen einen historischen Rückschritt. Sie würden nicht nur ein Investment von 750 Millionen Dollar vernichten, um Peanuts zu sparen. Sie würden sich selbst die Fähigkeit nehmen, fundierte Entscheidungen zu treffen, ihre Bürger vor Katastrophen zu schützen und ihrer globalen Verantwortung gerecht zu werden.

Der Kampf um diese beiden stillen Beobachter im All ist somit zu einem Stellvertreterkrieg geworden. Es ist der Kampf zwischen Wissen und Ignoranz, zwischen Weitsicht und Kurzsichtigkeit, zwischen einer Gesellschaft, die den Herausforderungen der Zukunft mit offenen Augen begegnet, und einer, die lieber im Dunkeln tappt. Die Entscheidung, die in Washington getroffen wird, wird weit über die Umlaufbahnen dieser Satelliten hinaus nachhallen. Sie wird darüber bestimmen, ob die größte Macht der Welt bereit ist, die Realität zu akzeptieren – oder ob sie den Weg der selbstgewählten Blindheit weitergeht, mit allen katastrophalen Folgen, die dieser Kurs unweigerlich nach sich ziehen wird.

Nach oben scrollen