Die Axt am Fundament: Eine Woche, in der Amerikas Institutionen ins Wanken gerieten

Illustration: KI-generiert

Es gibt Momente in der Politik, die sich wie ein Riss in einer Fassade anfühlen; sie legen den Blick frei auf das bröckelnde Fundament darunter. Die vergangene Woche war gefüllt mit solchen Momenten. Es war eine Woche, in der die ungeschriebenen Gesetze des politischen Anstands und die geschriebenen Regeln des Rechtsstaats nicht nur gebogen, sondern mit einer demonstrativen Geste zerbrochen wurden. Von den obersten Etagen der Statistikbehörden über die eisige Weite der Arktis bis in die stickige Hitze der texanischen Politik hat sich ein Muster verfestigt: der systematische Angriff auf unabhängige Institutionen, auf eine gemeinsame Faktenbasis und auf die grundlegenden Spielregeln der Demokratie selbst.

Was wir erleben, ist weit mehr als der übliche politische Streit. Es ist, als würde ein Spieler, der zu verlieren droht, nicht einfach nur die Regeln infrage stellen, sondern das gesamte Spielbrett umstoßen, die Figuren durch die Luft schleudern und den Schiedsrichter des Feldes verweisen, weil ihm das Ergebnis nicht gefällt. Die Ereignisse dieser Woche erzählen die Geschichte einer Supermacht, die sich gezielt dafür zu entscheiden scheint, blind zu werden, und einer Regierung, die im Begriff ist, das Vertrauen zu zermahlen, auf dem eine stabile Marktwirtschaft und eine funktionierende Demokratie ruhen. Es ist der Blick in den Maschinenraum der Macht, wo die Axt an die Wurzeln der staatlichen Ordnung gelegt wird.

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Erst die Zahl, dann der Job: Der Feldzug gegen die unbestechliche Wahrheit

Nichts illustriert den Krieg gegen die Fakten so scharf wie die Ereignisse, die sich in den vermeintlich unpolitischen Behörden für Statistik und Finanzen abspielten. Es begann mit einem nüchternen Dokument, dem monatlichen Arbeitsmarktbericht des Bureau of Labor Statistics (BLS). Die Zahlen waren für Präsident Trump eine persönliche Beleidigung: ein schwacher Stellenzuwachs von nur 73.000 im Juli und, weitaus verheerender, eine drastische Abwärtskorrektur von 258.000 Jobs für die Vormonate. Das Bild eines robusten Arbeitsmarktes, das die Regierung wochenlang gezeichnet hatte, erwies sich als Illusion.

Die Reaktion des Weißen Hauses war nicht Analyse, sondern Aggression. Anstatt die Politik zu hinterfragen, wurde der Spiegel zerschlagen, der das unerwünschte Bild zeigte. Trump bezeichnete die Zahlen als „Betrug“ und „manipuliert“. Wenige Stunden später war Erika McEntarfer, die hoch angesehene und mit überwältigender überparteilicher Mehrheit bestätigte Leiterin des BLS, entlassen. Die offizielle Begründung, man wolle „seine eigenen Leute“ im Amt, um die Zahlen „transparenter“ zu machen, entbehrte jeder Grundlage. Experten und ehemalige Behördenleiter nannten die Vorstellung, eine einzelne Person könne die auf der Arbeit von Hunderten basierenden und nach strengen Prozeduren erstellten Zahlen manipulieren, schlichtweg „absurd“.

Die Ironie liegt darin, dass die viel gescholtenen Revisionen kein Fehler, sondern ein notwendiger und geplanter Prozess sind, um aus schnellen Schätzungen präzisere Endzahlen zu machen. Dass die Korrekturen zuletzt stärker ausfielen, sehen Experten als Zeichen für die erhöhte wirtschaftliche Unsicherheit – eine Unsicherheit, die durch Trumps unberechenbare Handelspolitik selbst befeuert wird. Der Präsident erntet also die statistischen Früchte der Unruhe, die er selbst gesät hat.

Dieser Vorfall steht nicht isoliert da. Er ist der bisherige Höhepunkt einer systematischen Kampagne gegen jede Informationsquelle, die der eigenen Version der Realität widerspricht. Nur wenige Tage zuvor ereilte Billy Long, den Chef der US-Steuerbehörde IRS, ein ähnliches Schicksal. Nach nur 58 Tagen im Amt wurde der loyale, aber fachlich völlig unerfahrene Ex-Kongressabgeordnete gefeuert. Der mutmaßliche Grund: Long hatte sich geweigert, dem Druck des Weißen Hauses nachzugeben und die hochsensiblen Steuerdaten von Millionen Menschen für die Jagd auf undokumentierte Einwanderer freizugeben. Seine Weigerung war kein politischer Akt, sondern die Erfüllung einer gesetzlichen Kernpflicht zum Schutz der Bürger. In beiden Fällen wurde die Wahrung von Recht und fachlicher Integrität offenbar als Illoyalität ausgelegt und mit dem Rauswurf bestraft.

Dieser Angriff auf die Faktenbasis setzt sich in der Wissenschaft fort. Die Trump-Regierung wies die NASA an, die Missionen der beiden OCO-Klimasatelliten zu beenden. Diese „Augen im All“ liefern unschätzbar wertvolle Daten nicht nur über CO2-Quellen, sondern auch über die Gesundheit von Wäldern und die Vorhersage von Ernten – eine Frage der nationalen Sicherheit. Die Begründung, man wolle die jährlichen Kosten von 15 Millionen Dollar sparen, ist absurd angesichts der bereits investierten 750 Millionen Dollar. Es ist, als würde man ein funktionierendes Fabrikgebäude abreißen, um die Stromkosten zu sparen. Die Stilllegung fügt sich in ein Muster ein: die Einstellung von Klimadatenbanken der NOAA, die Schließung legendärer Messstationen wie Mauna Loa und der Stopp des Nationalen Klimaberichts. Die Strategie scheint zu sein, dass der Klimawandel verschwindet, wenn man aufhört, ihn zu messen. Es ist der Versuch, eine Supermacht sehenden Auges blind zu machen.

Gipfel der Illusionen: Trumps riskantes Spiel mit Putin und die Kälte für Europa

Die Logik des Eigennutzes und der Realitätsverweigerung setzt sich nahtlos in der Außenpolitik fort. Die Ankündigung eines möglichen Gipfeltreffens zwischen Donald Trump und Wladimir Putin am 15. August in Alaska hat die Hauptstädte der Welt in eine Mischung aus Nervosität und Alarmbereitschaft versetzt. Vordergründig geht es um Frieden für die Ukraine, doch hinter den Kulissen entfaltet sich ein diplomatisches Vabanquespiel, das vor allem von den persönlichen Ambitionen seiner Protagonisten getrieben wird.

Für Wladimir Putin ist der Gipfel schon jetzt ein enormer diplomatischer Sieg. Nach Jahren der Isolation wird er vom US-Präsidenten wieder auf Augenhöhe empfangen, was sein Weltbild bestätigt, wonach globale Geschicke von einer Handvoll Großmächte gelenkt werden. Sein eigentliches Ziel ist nicht die Annexion weiterer Gebiete, sondern die von den USA garantierte, dauerhafte Neutralisierung der Ukraine: kein NATO-Beitritt und eine massive militärische Beschränkung. Putin ist bereit, über Land zu verhandeln, um die geopolitische Seele der Ukraine zu gewinnen.

Auf der anderen Seite sitzt Donald Trump, der nach dem ultimativen „Deal“ strebt und sich nach dem Friedensnobelpreis sehnt. Seine Ungeduld und sein Wille, den Krieg schnell zu beenden („getting it settled“), machen ihn anfällig für Putins Inszenierung. Der Kreml nutzt Trumps Drohkulisse aus Sanktionen geschickt, um die eigene Verhandlungsbereitschaft als Entgegenkommen zu verkaufen, ohne in der Sache nachzugeben.

Die Hauptleidtragenden dieses Spiels sind die Ukraine und Europa. Sie werden zu Objekten der Verhandlung degradiert, die nicht mit am Tisch sitzen. Der von Trump vorgeschlagene „Austausch von Gebieten“ ist eine rhetorische Vernebelung für eine einseitige Abtretung ukrainischen Territoriums. Für Präsident Wolodymyr Selenskyj ist die Lage eine unlösbare Zwickmühle: Lehnt er den Deal ab, riskiert er die überlebenswichtige US-Hilfe; gibt er nach, gilt er im eigenen Land als Verräter. In Europa herrscht die Furcht vor einem zweiten Jalta, bei dem Großmächte über die Köpfe der Europäer hinweg entscheiden.

Dieser Trend zur unilateralen Machtpolitik zeigt sich auch an anderen Fronten. Mit einer geheimen Direktive hat Trump dem Pentagon die Lizenz für einen regelrechten Krieg gegen Drogenkartelle erteilt, auch auf dem Territorium souveräner Staaten wie Mexiko. Dieser Schritt, der als „flagrante Verletzung des Völkerrechts“ gilt, riskiert, die für die Migrations- und Drogenbekämpfung essenzielle Kooperation mit Mexiko zu zerstören. Ähnlich riskant ist der Handelskrieg gegen Indien. Als Reaktion auf Indiens Importe russischen Öls wurden die Strafzölle auf 50 Prozent verdoppelt. Diese Entscheidung bestraft einen wichtigen strategischen Partner härter als den Systemrivalen China und droht, die langfristige Vision einer Allianz gegen Peking für einen kurzfristigen Impuls zu opfern. In all diesen Fällen werden komplexe globale Krisen auf simple, bilaterale Transaktionen reduziert und das Völkerrecht sowie langjährige Allianzen für den Anschein von Stärke aufs Spiel gesetzt.

Zoll-Roulette und Geisterhaine: Wer die Rechnung für die neue Weltordnung zahlt

Die wirtschaftlichen Folgen dieser impulsiven Handelspolitik sind bereits jetzt spürbar und zeichnen ein düsteres Bild. Die von Trump verhängten Strafzölle gegen mehr als 90 Nationen haben ein globales Katz-und-Maus-Spiel entfesselt. Im Zentrum steht der Konflikt mit China, wo ein Strafzoll von 30 Prozent die Handelsbilanz korrigieren soll. Doch chinesische Unternehmen weichen dem geschickt aus, indem sie ihre Waren über Drittländer in Südostasien und Afrika verschiffen (sogenanntes „Transshipment“), um ihre Herkunft zu verschleiern. Während Chinas direkte Exporte in die USA einbrachen, explodierten die Ausfuhren in diese Transitregionen. Die Zollmauern erweisen sich als porös.

Doch wer zahlt am Ende die Rechnung? Ökonomen sind sich einig: Es sind die amerikanischen Unternehmen und Verbraucher. Die Zölle wirken wie eine unsichtbare Steuer. Produkte wie Haushaltsgeräte, Kleidung und Möbel werden bereits teurer. Konzerne wie Procter & Gamble, Nike und Hasbro haben angekündigt, die Kosten an die Kunden weiterzugeben. Das Budget Lab der Universität Yale rechnet vor, dass die Zölle einen durchschnittlichen Haushalt jährlich 2.400 Dollar kosten könnten. Gleichzeitig verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum, und der Arbeitsmarkt zeigt erste Risse – genau jene schlechten Nachrichten, die zur Entlassung der BLS-Chefin führten.

Ein exemplarisches Drama spielt sich derweil in Florida ab, wo eine amerikanische Ikone zerfällt: der Orangensaft. Die dortige Industrie kollabiert in einem perfekten Sturm aus der unheilbaren „Gelben Drachenkrankheit“ (HLB), die fast 90 Prozent aller Haine infiziert hat, immer heftigeren Hurrikans als Folge des Klimawandels und einem radikal veränderten Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher. Einst als Gesundheitselixier gefeiert, gilt Orangensaft heute vielen wegen seines hohen Zuckergehalts als kritisch. Die einst blühenden Plantagen verwandeln sich in „Ghost Groves“, Zehntausende Arbeitsplätze sind verloren gegangen. Der Niedergang ist eine Parabel darauf, wie fragil unsere modernen Lebens- und Ernährungssysteme sind – eine Krise, die durch eine volatile Wirtschaftspolitik noch verschärft wird.

Die Schwäche des Systems zeigt sich auch beim Verbraucherschutz. Eine Welle gefährlicher Produktrückrufe überrollt die USA, von explodierenden Wasserflaschen bei Walmart, deren Risiko seit sieben Jahren bekannt war, bis hin zu tödlichen Bakterien in Fertiggerichten. Die Aufsichtsbehörden wie die CPSC sind oft zahnlose Tiger, die auf die Kooperation der Unternehmen angewiesen sind. Gleichzeitig hat der Oberste Gerichtshof den Weg freigemacht, die Leiter dieser unabhängigen Kommissionen aus rein politischen Gründen zu entlassen, was ihre Autorität weiter untergräbt.

Vom Kapitol ins Exil: Der Grabenkampf um Amerikas Identität

Dieser Angriff auf Regeln und Institutionen findet seine schärfste Ausprägung im Inneren. Der Kampf um die Neueinteilung von Wahlkreisen in Texas ist zu einem nervenzerreißenden Test für die Belastbarkeit der Demokratie geworden. Auf Drängen Trumps wollen die Republikaner die Wahlkreiskarte mitten im Jahrzehnt neu zeichnen, um sich bis zu fünf zusätzliche Sitze im US-Kongress zu sichern. Dieser Tabubruch, der das als „Gerrymandering“ bekannte Zuschneiden von Bezirken zum eigenen Vorteil auf die Spitze treibt, soll die hauchdünne Mehrheit in Washington zementieren.

Für die Demokraten im texanischen Parlament blieb nur eine radikale Option: der Entzug des Quorums. Mehr als 50 Abgeordnete flohen aus dem Bundesstaat, um die Abstimmung zu blockieren, und verschanzten sich in einem Hotel außerhalb von Chicago. Für sie ist es ein Akt des zivilen Ungehorsams, die letzte Verteidigungslinie gegen einen als „illegal“ und „rassistisch“ empfundenen Machtmissbrauch. Die Republikaner unter Gouverneur Greg Abbott reagierten mit der Mobilisierung des Staatsapparates, drohten mit Haftbefehlen und der Amtsenthebung – Schritte, die Rechtsexperten als Angriff auf die Gewaltenteilung werten.

Der Konflikt hat sich längst zu einem nationalen Flächenbrand entwickelt. Demokratische Gouverneure in Kalifornien und New York drohen, mit gleichem Feuer zurückzuschlagen und ihrerseits die Karten parteiisch neu zu zeichnen. Es ist die Logik des Wettrüstens, übertragen auf das Wahlsystem. Eric Holder, Obamas ehemaliger Justizminister und einst Vorkämpfer für faire Wahlkreise, vollzog eine radikale Kehrtwende und argumentiert nun, man müsse selbst zu den Waffen greifen, um die Demokratie kurzfristig zu retten. Es ist ein Krieg der Nerven, der eine unkontrollierbare Eskalationsspirale in Gang setzen könnte.

Diese kulturkämpferische Auseinandersetzung tobt an allen Fronten. Die Anordnung der Trump-Regierung, die gestürzte Statue des Konföderierten-Generals Albert Pike in Washington D.C. wieder aufzustellen, reißt alte Wunden des Bürgerkriegs auf. Sie ist Teil einer Agenda, Symbole einer revisionistischen Geschichtsschreibung, die die Rebellion zur Verteidigung der Sklaverei zu einem ehrenhaften Erbe umdeutet, im öffentlichen Raum zu zementieren. Gleichzeitig verwandelt Trump eine simple Jeans-Werbung des Konzerns American Eagle in eine politische Waffe. Der Slogan „Sydney Sweeney has great jeans“, der bewusst mit der Doppeldeutigkeit von „Jeans“ und „genes“ (Gene) spielte, wurde von Trump zum Manifest im Kampf gegen die „woke culture“ erklärt, nachdem bekannt wurde, dass die Schauspielerin als Republikanerin registriert ist. Die Episode ist eine Blaupause dafür, wie aus Empörung politisches Kapital geschlagen wird.

Die menschlichen Kosten dieser Politik werden am brutalsten in der Einwanderungspolitik sichtbar. Eine mit der Effizienz von Verhaftungsquoten laufende Abschiebemaschinerie zermahlt Recht und Menschlichkeit. Afghanische Helfer, denen für ihren Dienst an der Seite des US-Militärs Schutz versprochen wurde, werden verhaftet und wie Kriminelle behandelt. Ein beschleunigtes Abschiebungsverfahren („expedited removal“) wird massiv ausgeweitet, um Menschen ohne Anhörung vor einem Richter des Landes zu verweisen. Und in einer besonders radikalen Neuerung werden Menschen in sogenannte Drittländer abgeschoben – Nationen, zu denen sie keinerlei Verbindung haben, ein Vorgehen, das gegen internationales Recht verstoßen könnte. Diese unerbittliche Härte beginnt sogar, Risse in den eigenen republikanischen Reihen zu erzeugen, wo hispanische Abgeordnete fürchten, dass die Bilder willkürlicher Verhaftungen ihre Wähler verprellen könnten.

Was nach dieser Woche bleibt, ist das beunruhigende Bild einer Demokratie am Scheideweg. Das Vertrauen in Institutionen ist weiter erodiert, die Gräben sind tiefer geworden, und ein neues, zerstörerisches Repertoire an politischen Kampftechniken wurde erfolgreich erprobt. Wenn Fakten zur Meinung werden, wenn internationale Verträge zu Verhandlungsmasse verkommen und wenn die Regeln des demokratischen Wettbewerbs selbst zum Spielball der Macht werden, stellt sich eine fundamentale Frage: Was bleibt vom Fundament übrig, wenn der Staub sich gelegt hat? Der Riss in der Fassade ist offen sichtbar. Die Frage ist nur, wie tief er bereits reicht.

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