
Er startete als Hoffnungsträger und Star in Donald Trumps zweiter Administration. Pete Hegseth, der ehemalige Fox-News-Moderator, sollte als neuer Verteidigungsminister die Agenda des Präsidenten mit eiserner Hand durchsetzen: die Abkehr von Diversitätsinitiativen im Militär, ein harter Kurs an der Grenze, eine neue Konfrontationsbereitschaft gegenüber etablierten republikanischen Doktrinen. Doch die anfängliche Aura des Machers ist nach wenigen Monaten einer Serie von Skandalen, hausgemachten Krisen und beispiellosem internem Chaos gewichen. Seine Amtszeit wirft tiefgreifende Fragen über sein Urteilsvermögen, seine Führungsqualitäten und die Stabilität der nationalen Sicherheitsarchitektur der USA auf.
Die Vorkommnisse im Pentagon sind mehr als nur eine Kette unglücklicher Pannen. Sie zeichnen das Bild eines Ministers, der zwischen Geltungsdrang und Überforderung gefangen scheint und dessen proklamierte Mission, den „Kriegerethos“ im Militär wiederherzustellen, in einem grotesken Widerspruch zu seinem eigenen Handeln steht. Die Analyse seiner bisherigen Amtszeit, basierend auf Berichten und Aussagen zahlreicher Insider, enthüllt eine gefährliche Mischung aus persönlicher Loyalität über Kompetenz, performativer Härte und einem Mangel an strategischem Weitblick, die das mächtigste Verteidigungsministerium der Welt in eine schwere Führungskrise gestürzt hat.

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„Signalgate“ und Geltungsdrang: Ein Minister als Sicherheitsrisiko
Der Wendepunkt, an dem die vielversprechende Fassade des „goldenen Kindes“ der Regierung zu bröckeln begann, war eine scheinbar beiläufige Begegnung in den Gängen des Weißen Hauses. Mitte März lud Pete Hegseth den Tech-Milliardär Elon Musk zu einem exklusiven Militär-Briefing ins Pentagon ein. Die Idee, einen Geschäftsmann mit weitreichenden Wirtschaftsinteressen in China ausgerechnet über Pläne für einen potenziellen Krieg mit Peking zu informieren , sollte in der heiligsten und sichersten Konferenzzentrale des Militärs, dem „Tank“, stattfinden. Präsident Trump war außer sich, als er davon erfuhr. Er bezeichnete den Plan als „verrückt und dumm“ und machte Hegseth unmissverständlich klar, dass die Aktion ein „schlechter Look“ für die gesamte Regierung sei.
Dieser Vorfall war mehr als nur ein diplomatischer Fauxpas. Er offenbarte ein grundlegendes Problem in Hegseths Amtsverständnis, das von Insidern als Geltungsdrang oder „Flex“ beschrieben wird. Es ist die Tendenz, den Zugang zu sensibelsten Informationen und die immense Macht seines Amtes zur persönlichen Inszenierung zu nutzen. Ein Vertrauter formulierte es drastisch: „Er hat diesen 180.000-Dollar-Ferrari. Das ist das Pentagon für ihn. Und er zeigt ihn gerne vor“.
Was beim Musk-Briefing noch als katastrophales Fehlurteil durchging, eskalierte kurz darauf zu einem handfesten Sicherheitsskandal, der als „Signalgate“ bekannt wurde. In einem Gruppenchat auf dem unverschlüsselten Messenger-Dienst Signal, dem versehentlich auch der Chefredakteur von The Atlantic hinzugefügt worden war, teilte Hegseth präzise Details zu einem bevorstehenden Luftangriff auf Houthi-Stellungen im Jemen – inklusive der genauen Flugzeiten amerikanischer Jets. Solche Informationen gelten als streng geheim, ihre Offenlegung stellt eine unmittelbare Gefahr für die Piloten dar. Das Vertrauen in Hegseths Fähigkeit, mit den Staatsgeheimnissen der Nation verantwortungsvoll umzugehen, war damit nachhaltig erschüttert.
Palastintrigen und Personalchaos: Der „kalte Krieg“ im Pentagon
Während nach außen das Bild des starken Mannes projiziert wird, herrscht im Inneren von Hegseths Führungszirkel ein Zustand, den Beteiligte als „kalten Krieg“ beschreiben. Ein erbitterter Machtkampf zwischen zwei seiner engsten Berater legt die Arbeit des Ministeriums lahm und ist symptomatisch für die tiefgreifende Instabilität seiner Führung. Auf der einen Seite steht Eric Geressy, ein pensionierter Soldat, den Hegseth als seinen Mentor aus gemeinsamen Einsatztagen im Irak preist. Auf der anderen Seite Ricky Buria, ein ehemaliger Marine-Pilot, der als ehrgeizig und machthungrig gilt und versucht, Kollegen zu marginalisieren, um seine eigene Stellung zu stärken. Die Spannungen eskalierten so weit, dass Geressy offen über seinen Rücktritt nachdachte und die Reibungen als Sinnbild für die allgegenwärtige Instabilität im Pentagon gelten.
Diese Dysfunktion wird durch ein fundamentales Personalchaos verschärft. Seit dem abrupten Abgang von Stabschef Joe Kasper im April ist die wichtigste Schaltzentrale im Büro des Ministers unbesetzt. Hegseths Versuch, seinen Protegé Buria auf diesen Posten zu hieven, wurde von Präsident Trump persönlich blockiert , unter anderem wegen Burias guten Kontakten zur vorherigen Biden-Administration. Das Ergebnis ist ein Führungsvakuum an entscheidender Stelle, das durch einen Mangel an qualifiziertem Personal weiter verstärkt wird. Hegseth hat sich mit loyalen, aber weithin als unerfahren geltenden Beratern umgeben. Gleichzeitig feuerte er mehrere hochrangige Offiziere, darunter den zweiten schwarzen Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs und die erste weibliche Chefin der Navy, denen er unterstellte, aufgrund von Rasse und Geschlecht befördert worden zu sein.
Die Grenzen zwischen professioneller Amtsführung und privaten Beziehungen verschwimmen zusehends. Hegseths Ehefrau Jennifer spielt eine „inoffizielle und unorthodoxe Rolle“, nimmt an Treffen mit ausländischen Würdenträgern teil und erteilt Anweisungen bezüglich der Medienauftritte ihres Mannes, was bei etablierten Beamten für erhebliche Unruhe sorgt. Zudem installierte Hegseth seinen jüngeren Bruder in einer hohen Position im Pentagon und genehmigte die Einrichtung eines teuren Make-up-Studios. Diese Mischung aus Vetternwirtschaft und Personalchaos untergräbt nicht nur die Moral, sondern auch die Professionalität und die etablierte Kommandostruktur des Militärs.
Ein goldener Jet und eine eiserne Faust: Zwischen Korruptionsvorwürfen und Konfrontation
Nichts verdeutlicht die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Hegseths Amtszeit so sehr wie die Affäre um ein Luxusflugzeug aus Katar. Hegseth akzeptierte formell einen Boeing-747-Jetliner als Geschenk der katarischen Regierung, damit Präsident Trump diesen als neue Air Force One nutzen kann. Der Vorgang ist politisch und ethisch hochbrisant. Während die Regierung argumentiert, das Geschenk gehe an den Staat und nicht an den Präsidenten persönlich , warnen Kritiker vor einem klaren Verstoß gegen die Verfassung und Gesetze, die Regierungsbeamten die Annahme wertvoller Geschenke von ausländischen Mächten verbieten. Der Vorwurf des versuchten Stimmenkaufs oder gar der Bestechung steht im Raum. Darüber hinaus werfen Sicherheitsexperten die Frage auf, welche Risiken (etwa durch Abhörgeräte) ein von einer fremden Macht bereitgestelltes Flugzeug birgt und ob der Zeitdruck bei den nötigen Sicherheits-Upgrades zu gefährlichen Kompromissen führt.
Die Affäre steht im scharfen Kontrast zu Hegseths ständig wiederholtem Ziel, den „Kriegerethos“ wiederherzustellen. Stattdessen vermittelt er den Eindruck, sein Amt vor allem mit Privilegien und Statussymbolen zu verbinden. Dieser konfrontative Stil setzt sich im Umgang mit den Institutionen fort, die zur Kontrolle der Macht da sind. Hegseth hat eine strategische Neuausrichtung der Medienarbeit eingeleitet: Etablierte Journalisten werden aus dem Pentagon verdrängt, der freie Zugang zu weiten Teilen des Gebäudes wurde beendet. Stattdessen werden Trump-nahe Medien bevorzugt. Offiziell dient dies dem Schutz der nationalen Sicherheit , doch die Pentagon Press Association sieht darin einen „direkten Angriff auf die Pressefreiheit“. Ähnlich widersprüchlich ist sein Kampf gegen Informationslecks. Während er hochrangige Beamte mit Lügendetektortests bedroht , stammen die peinlichsten Enthüllungen, wie der „Signalgate“-Skandal, aus seinem eigenen, engsten Umfeld.
Trumps gefährliche Wette auf einen loyalen Kämpfer
Trotz der beispiellosen Kette von Fehltritten und Skandalen hält Präsident Trump bislang an seinem Verteidigungsminister fest. Für Trump ist Hegseth ein „harter Hund“ („tough cookie“) , dessen kämpferischer und medienfeindlicher Stil ihm imponiert. Nach einer knappen und politisch kostspieligen Bestätigung im Senat ist Trump zudem abgeneigt, seinen Kritikern in den Medien einen schnellen Sieg zu gönnen.
Doch diese Unterstützung hat ihre Grenzen. Trump hat Hegseth bereits zu einem ernsten Gespräch zitiert und ist bekannt dafür, Minister schnell auszutauschen, wenn sie zur Belastung werden. Die bevorstehenden Budgetanhörungen im Kongress, bei denen Hegseth mit scharfen Fragen der Demokraten konfrontiert wird, gelten als entscheidender Test für seine Zukunft.
Die Causa Hegseth offenbart ein tieferliegendes Problem der Administration. Während sie sich komplexen strategischen Zielen wie der Eindämmung Chinas und der Reform des milliardenschweren Beschaffungswesens gegenübersieht, lähmt die Inkompetenz und das Chaos an der Spitze des Pentagons jede ernsthafte Politikgestaltung. Ein Kämpfer an der Front mag für Trump attraktiv sein, aber wie ein Vertrauter es ausdrückt: „Man kann kein eindimensionales Spiel spielen. Irgendwann wird das alt“. Die Frage ist nicht, ob, sondern wann der Präsident zu dem Schluss kommt, dass die riskante Wette auf Pete Hegseth zu einer Belastung geworden ist, die er sich nicht länger leisten kann. Bis dahin bleibt das Pentagon im Krisenmodus.