
Es sollte der Triumphzug einer zweiten Ära werden, doch im November 2025 gleicht die Republikanische Partei einem Haus, in dem die Bewohner beginnen, das Mobiliar zu zertrümmern. Während im Weißen Haus die Sektkorken der Silicon-Valley-Elite knallen, fühlt sich die Basis an der Wahlurne und in den Supermärkten verraten. Der spektakuläre Bruch mit Marjorie Taylor Greene ist dabei nur das grelle Warnsignal für eine tiefere Erschütterung: Die Allianz zwischen populistischem Zorn und technokratischer Macht droht zu zerreißen.
Es ist eine Szene von beinahe shakespearescher Tragik, die sich in diesen Tagen im politischen Washington abspielt. Marjorie Taylor Greene, einst die glühendste Fackelträgerin des „Make America Great Again“-Kults, hat ihre politische Rüstung abgelegt und das Schlachtfeld verlassen. Ihr Rücktritt, vollzogen in einem elfminütigen Video, das weniger wie eine Kapitulation und mehr wie ein Manifest wirkt, markiert weit mehr als nur das Ende einer einzelnen Karriere. Er ist das Symptom einer Krankheit, die den Körper der republikanischen Partei erfasst hat. Denn wenn selbst die treuesten Prätorianer den Kaiser als Verräter bezeichnen, dann ist im Reich etwas faul.
Die Erzählung, die Greene und eine wachsende Zahl von Dissidenten weben, handelt von einem gebrochenen Versprechen. Sie handelt von einem Präsidenten, der einst antrat, um den „Sumpf“ auszutrocknen, und nun dabei beobachtet wird, wie er ihn mit neuen, glänzenden Ungeheuern aus dem Silicon Valley neu bevölkert. Es ist die Geschichte einer Bewegung, die zwischen ihrer populistischen Seele und den technokratischen Ambitionen ihres Führers zerrissen wird.

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Die Entfremdung der Basis: Wenn die „Vergessenen“ erneut vergessen werden
Man muss verstehen, was in den Köpfen jener vorgeht, die Trump 2016 und 2024 ins Amt hoben. Sie wählten ihn als Rammbock gegen eine Elite, die sie verachtete. Doch im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit blicken diese Wähler nach Washington und sehen ein Kabinett, das weniger nach Rostgürtel und mehr nach Risikokapital aussieht. Trump hat sich mit einer neuen Kaste von Beratern umgeben – Tech-Milliardäre, KI-Unternehmer und Krypto-Enthusiasten wie David Sacks, die nun als die Architekten der neuen amerikanischen Wirtschaft fungieren.
Diese Hinwendung ist nicht nur ästhetisch, sie ist substanziell. Während der Präsident stolz auf die Milliardeninvestitionen verweist, die in neue Rechenzentren und KI-Startups fließen, und dies als Beweis für den Erfolg seiner „America First“-Agenda feiert, kommt dieser Boom bei der Basis nicht an. Im Gegenteil: Die Inflation bleibt hartnäckig hoch, die Lebenshaltungskosten drücken die Familien, und die Sorge vor der eigenen Ersetzbarkeit wächst.
Es entsteht eine gefährliche Diskrepanz zwischen der makroökonomischen Euphorie im Oval Office und der mikroökonomischen Realität am Küchentisch. Die Börsen mögen dank der KI-Fantasien auf Rekordhochs klettern, doch für den Arbeiter in Ohio oder die Mutter in Georgia fühlt sich dieser Aufschwung abstrakt, ja fast zynisch an. Umfragen zeigen deutlich, dass die Hälfte der Erwachsenen der zunehmenden Präsenz von Künstlicher Intelligenz mit Sorge statt Begeisterung begegnet. Wenn Elon Musk prophezeit, dass Roboter die Armut beseitigen werden, klingt das für viele nicht nach Utopie, sondern nach einer Drohung – und nach einer Realitätsverweigerung, die man früher den liberalen Küsteneliten vorwarf.
Der Verrat durch die Maschine: KI als neuer Kulturkampf
Dieser wirtschaftliche Graben weitet sich zu einem tiefen kulturellen und politischen Riss aus. Trump, der in seiner ersten Amtszeit jede Regulierung als Teufelszeug brandmarkte, wendet diese Logik nun auf eine Technologie an, die vielen Konservativen unheimlich ist. Er hat Bidens Sicherheitsvorkehrungen für KI kassiert und drängt auf eine aggressive Deregulierung, um den Wettbewerb mit China zu gewinnen. Doch damit hat er eine Front eröffnet, die quer durch seine eigene Partei verläuft.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet republikanische Gouverneure – darunter Schwergewichte wie Ron DeSantis in Florida oder Sarah Huckabee Sanders in Arkansas – nun den Schutz des Staates gegen die Übermacht der Konzerne fordern. Sie warnen davor, dass die „Wild-West“-Mentalität des Weißen Hauses amerikanische Kinder gefährdet und Arbeitsplätze vernichtet.
Der Konflikt eskalierte, als die Trump-Regierung versuchte, den Bundesstaaten das Recht zu nehmen, eigene KI-Gesetze zu erlassen – ein klassischer Angriff auf das föderale Prinzip, das Konservativen eigentlich heilig ist. DeSantis verglich diesen Eingriff in die staatliche Souveränität sogar mit den verhassten Maskenpflichten der Pandemie-Zeit. Hier zeigt sich die ideologische Verrenkung: Um die Interessen seiner neuen Freunde im Silicon Valley zu schützen, ist Trump bereit, das konservative Dogma der „States’ Rights“ zu opfern. Für Politiker wie die texanische Senatorin Angela Paxton geht es dabei nicht um abstrakte Prinzipien, sondern um den Schutz von Kindern vor Deepfake-Pornografie und den Erhalt menschlicher Würde.
Marjorie Taylor Greene: Die Kanarienvögel sterben zuerst
In diesem aufgeheizten Klima wirkt der Abgang von Marjorie Taylor Greene wie ein Fanal. Sie, die einst bereit war, jede noch so abwegige Verschwörungstheorie zu verteidigen, solange sie Trump nützte, hat ihre Loyalität aufgekündigt. Dass sie sich dabei öffentlich als „misshandelte Ehefrau“ bezeichnete, die hofft, dass „alles besser wird“, ist ein vernichtendes Urteil über den internen Zustand der MAGA-Bewegung.
Greenes Bruch entzündete sich nicht nur an persönlichen Beleidigungen – Trump nannte sie eine „Verräterin“ und „wahnsinnig“ –, sondern an substanziellen Fragen. Sie rebellierte gegen die Weigerung der Regierung, die Jeffrey-Epstein-Akten vollständig freizugeben, und gegen eine Gesundheitspolitik, die ihre eigenen Wähler belastet hätte. Die Causa Epstein dient hier als mächtiger Katalysator: Sie symbolisiert für die Basis den ultimativen Verrat. Wenn Trump, der versprach, die korrupten Eliten zu entlarven, nun selbst Informationen über deren dunkelste Machenschaften zurückhält, ist das Vertrauensband zerschnitten.
Greene positioniert sich mit ihrem Rücktritt strategisch klug. Sie verlässt das sinkende Schiff des Kongresses, den sie als machtlos und vom Präsidenten marginalisiert ansieht, um sich als Stimme der „wahren“ Bewegung von außen neu zu erfinden. Sie spekuliert darauf, dass die Republikaner ihre Mehrheit verlieren und Trump zur „Lame Duck“ wird. Es ist der Versuch, den Trumpismus ohne Trump zu retten – eine Wette auf die Zukunft, die 2028 eingelöst werden könnte.
Die Erosion der Institutionen: Wenn Loyalität das Recht ersetzt
Doch der Umbau der Partei beschränkt sich nicht auf Personalien und Wirtschaftspolitik. Er greift tief in die intellektuelle DNA des Konservatismus ein. Über Jahrzehnte war die Federalist Society der verlässliche Lieferant für konservative Richter, eine Institution, die Texttreue und Originalismus predigte. In Trumps zweiter Amtszeit jedoch gilt diese intellektuelle Strenge als Hindernis.
Der Präsident fordert keine Richter mehr, die das Gesetz auslegen, sondern solche, die seinen Willen exekutieren. Der Konflikt mit Leonard Leo, dem einstigen Königsmacher der konservativen Justiz, verdeutlicht diesen Wandel. Trump beschimpfte ihn als „Sleazebag“, weil die von ihm empfohlenen Richter nicht immer im Sinne des Präsidenten urteilten.
Die neue Garde im Justizministerium, vertreten durch Figuren wie Chad Mizelle, spricht eine andere Sprache. Mizelle verglich Richter, die der Administration im Weg stehen, mit streunenden Katzen, die man „beseitigen“ müsse – eine Metapher von brutaler Eindeutigkeit, die selbst hartgesottene Juristen schockierte. Es geht nicht mehr um die Herrschaft des Rechts („Rule of Law“), sondern um den Sieg im politischen Krieg. Etablierte Konservative wie Edward Whelan sehen darin eine fundamentale Spannung zu den Prinzipien der Verfassung. Wenn Loyalität zum einzigen Qualifikationsmerkmal wird, erodiert die institutionelle Kompetenz, die für eine stabile Regierungsführung notwendig wäre.
Ein Identitätsvakuum für 2028
Was bleibt also von der „Grand Old Party“ im Jahr 2025? Sie ist zerrissen zwischen Trumps Personenkult und den realen Sorgen ihrer Wähler. Die aggressive Rhetorik gegen Parteifreunde, die öffentliche Demütigung einstiger Verbündeter und die unkritische Umarmung einer technologischen Elite, die den Durchschnittsbürger verachtet, haben ein Vakuum geschaffen.
In diesem Vakuum beginnt bereits das Ringen um die Zeit nach Trump. JD Vance, der Vizepräsident, wird von verschiedenen Lagern umworben, die die künftige Ausrichtung der Partei beeinflussen wollen. Andere, wie Ted Cruz, versuchen, sich als Bewahrer traditioneller Werte zu profilieren, indem sie sich gegen antisemitische Tendenzen abgrenzen, die am rechten Rand der Bewegung aufkeimen. Und Figuren wie Vivek Ramaswamy sprechen offen davon, dass die Partei an einer Weggabelung steht: Soll sie sich in Identitätspolitik verlieren oder zu klassischen Werten wie Leistungsgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit zurückkehren?
Trumps Strategie, die enttäuschte Basis durch reine Machtdemonstration und Einschüchterung bei der Stange zu halten, stößt an ihre Grenzen. Der Rücktritt von Marjorie Taylor Greene zeigt, dass selbst die Angst vor Trumps Rache nicht mehr ausreicht, um die Risse zu kitten. Wenn die wirtschaftlichen Versprechen der KI-Revolution sich als hohle Phrasen für die Arbeiterklasse erweisen und die Inflation weiter am Wohlstand nagt, könnte sich die Koalition, die Trump einst schmiedete, endgültig auflösen.
Wir erleben nicht nur das Ende einer politischen Freundschaft zwischen einem Präsidenten und einer Abgeordneten. Wir erleben den Moment, in dem eine populistische Bewegung feststellen muss, dass ihr Anführer die Seiten gewechselt hat. Die Frage ist nicht mehr, ob Trump die Partei kontrolliert – seine Macht zur Zerstörung ist unbestritten. Die Frage ist, ob es noch eine Partei geben wird, die es wert ist, kontrolliert zu werden, wenn er fertig ist. Es scheint, als würde die Revolution ihre eigenen Kinder nicht fressen, sondern sie einfach gelangweilt gegen einen neuen Algorithmus austauschen.


