Der Preis des Patriotismus: Wie Trumps „America First“ die Nationalparks umzäunt

Illustration: KI-generiert

Die amerikanische Wildnis war einst das Versprechen von Freiheit für alle, doch ab 2026 verwandelt die Trump-Administration die Nationalparks in eine Festung, die ökonomisch und ideologisch abgeriegelt wird. Wer nicht zum „Volk“ gehört, muss zahlen – und wer hineindarf, bekommt eine gesäuberte Geschichte serviert.

Die ökonomische Mauer: Eintritt nur für Auserwählte

Es ist ein tiefer Einschnitt in das Selbstverständnis der Vereinigten Staaten, der am 1. Januar 2026 vollzogen wird. Die Nationalparks, oft als „Amerikas beste Idee“ gefeiert, werden neu definiert. Unter der Doktrin von „America First“ errichtet die Regierung unter Präsident Donald Trump und Innenminister Doug Burgum Hürden, die weit über Schlagbäume an Parkeingängen hinausgehen. Das neue Preisregime gleicht einer Strafsteuer für Nicht-Amerikaner. Ausländische Touristen sehen sich ab dem Jahreswechsel mit einer drastischen Kostenexplosion konfrontiert: Der Preis für den beliebten Jahrespass „America the Beautiful“ verdreifacht sich für sie beinahe von 80 auf 250 Dollar. Wer auf diesen Pass verzichtet, muss für den Zutritt zu elf der ikonischsten Parks – darunter Yellowstone, Yosemite und der Grand Canyon – zusätzlich zum regulären Eintritt einen Zuschlag von 100 Dollar pro Person entrichten.

Die Begründung der Administration klingt nach simpler Haushaltslogik, ist aber politisch aufgeladen: US-Steuerzahler, die das System bereits finanzieren, sollen weiterhin günstigen Zugang genießen, während internationale Gäste ihren „fairen Anteil“ leisten müssten. Innenminister Burgum rahmt dies als Schutzmaßnahme für amerikanische Familien. Doch diese Argumentation trifft auf eine ökonomische Realität, die komplexer ist, als es der Ruf nach Gerechtigkeit vermuten lässt.

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Die neuen Gebühren treffen den Tourismussektor zu einer Zeit, in der die Anziehungskraft der USA ohnehin schwindet. Im Yellowstone-Nationalpark etwa hat sich der Anteil internationaler Besucher von 30 Prozent im Jahr 2018 auf knapp 15 Prozent im Jahr 2024 halbiert. Lokale Tourismusverbände, wie jener im Mariposa County vor den Toren des Yosemite-Parks, schlagen Alarm. Dort hängt jeder zweite Arbeitsplatz am Tourismus, und ein Viertel der Gäste kommt aus dem Ausland. Die Befürchtung ist greifbar: Die aggressiven Preiserhöhungen könnten jene Gäste endgültig verprellen, auf die die ländliche Wirtschaft rund um die Parks angewiesen ist.

Der Kampf um die Erinnerung: Geschichte ohne Schatten

Doch die Umgestaltung beschränkt sich nicht auf Kassenhäuschen. Parallel zur finanziellen Abschottung vollzieht sich eine inhaltliche Säuberung, die das Bild der amerikanischen Geschichte glätten soll. Unter dem Vorwand, „unangemessene parteiische Ideologie“ zu entfernen, lässt die Administration Hinweisschilder und Ausstellungen abbauen.

Die Definition dessen, was als „parteiisch“ gilt, ist dabei entlarvend weit gefasst. Sie trifft Themen wie den Klimawandel, die Sklaverei, die Rechte von Indigenen und die Internierung japanischstämmiger Amerikaner im Zweiten Weltkrieg. Im Acadia National Park in Maine wurden Schilder entfernt, die den Zusammenhang zwischen Klimawandel und extremen Wetterereignissen erklärten – Phänomene, die den Park durch steigende Meeresspiegel und Stürme physisch bedrohen. Selbst Hinweise auf Shuttlebusse zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks mussten weichen.

Besonders gravierend ist der Eingriff in die historische Erinnerung: Im Fort Pulaski National Monument in Georgia wurde ein ikonisches Foto entfernt, das die vernarbten Rücken eines ehemals versklavten Mannes zeigte. Im Jamaica Bay Wildlife Refuge in New York verschwand eine Ausstellung, die die Internierungslager für Japaner und Massaker an amerikanischen Ureinwohnern als mahnende Beispiele der US-Geschichte benannte. Die offizielle Lesart des Innenministeriums lautet, dass eine „unverhältnismäßige Betonung negativer Aspekte“ das Verständnis verzerre, statt es zu bereichern. Eine Sprecherin bezeichnete wissenschaftliche Fakten zum Klimawandel gar als „Lügen des wahnhaften Green New Scam“. Kritiker sehen darin jedoch einen „ungeheuerlichen Angriff“ auf die Redefreiheit und den Versuch, die Bevölkerung „dumm zu halten“.

Patriotismus als Marke und Barriere

Die Nationalparks werden zunehmend als Bühne für eine spezifische politische Bildsprache genutzt. Dies manifestiert sich in den neuen digitalen „America the Beautiful“-Pässen, die ab 2026 eingeführt werden. Diese sollen „patriotische Designs“ tragen, darunter Porträts von George Washington Seite an Seite mit Donald Trump. Der Militärpass zeigt Trump, wie er Truppen salutiert. Die Parks werden so visuell mit der Person des Präsidenten verschmolzen.

Diese Symbolik setzt sich im Kalender fort. Die Anzahl der gebührenfreien Tage wird zwar erhöht, doch das Privileg des freien Eintritts gilt künftig exklusiv für US-Einwohner. Internationale Gäste sind von diesen „patriotischen gebührenfreien Tagen“ ausgeschlossen. Besonders pikant: Der 14. Juni, der Flag Day, wurde als neuer freier Tag aufgenommen – ein Datum, das Innenminister Burgum explizit auch als Geburtstag von Donald Trump hervorhob. Andere Gedenktage, wie der Martin Luther King Jr. Day oder der Juneteenth, wurden hingegen aus der Liste der freien Tage gestrichen.

Die Kluft zwischen Einnahmen und Realität

Die Administration rechtfertigt die Preiserhöhungen mit der Notwendigkeit, Einnahmen für Investitionen, Upgrades und die Instandhaltung der Infrastruktur zu generieren. Tatsächlich bleiben laut dem Federal Lands Recreation Enhancement Act mindestens 80 Prozent der Einnahmen in dem Park, in dem sie erhoben wurden. Doch dieses Versprechen auf bessere Parks steht in scharfem Kontrast zur personellen Ausblutung des National Park Service (NPS).

Seit Trump im Amt ist, hat die Behörde fast ein Viertel ihres Personals verloren. Routineaufgaben wie die Reinigung von Toiletten bleiben liegen, Besucherzentren kürzen ihre Öffnungszeiten, und es gibt weniger Ranger für Führungen. Kritiker befürchten, dass die Mehreinnahmen durch die Gebühren kaum die Lücken füllen können, die durch massive Budgetkürzungen und Entlassungen gerissen wurden. Zudem fehlt dem NPS eine solide Datengrundlage, um die Einnahmeeffekte überhaupt verlässlich zu prognostizieren, da systematische Daten über die Anzahl internationaler Besucher bislang kaum erhoben wurden.

Logistischer Albtraum an den Toren

Die Umsetzung der „America First“-Preise droht zudem, die berühmten Staus an den Parkeingängen massiv zu verschärfen. Um den vergünstigten Tarif für Einheimische zu erhalten oder den 100-Dollar-Zuschlag zu vermeiden, müssen Besucher künftig ihren Wohnsitz nachweisen. US-Bürger müssen beim Online-Kauf ihre Postleitzahl angeben und am Tor einen amtlichen Lichtbildausweis vorzeigen. Wer keinen solchen Ausweis besitzt, wird zur Kasse gebeten.

Lokale Vertreter warnen vor Verkehrschaos und Verzögerungen, da diese Identitätskontrollen deutlich zeitaufwendiger sind als das bloße Vorzeigen eines Tickets. Dies gilt insbesondere für internationale Reisende, die sich bereits im Land befinden oder in Bussen anreisen, da der Zuschlag pro Person und nicht pro Fahrzeug erhoben wird. Für Ausländer, die dauerhaft in den USA leben, gibt es zwar die Möglichkeit, den günstigeren Pass zu erwerben, doch auch dies erfordert bürokratische Nachweise.

Fazit: Die Identität der Parks auf dem Prüfstand

Zwar ist die Praxis, von Ausländern höhere Eintrittspreise zu verlangen, international nicht unüblich; Länder wie Thailand, Tansania, Chile oder Ruanda nutzen ähnliche Modelle. Doch die Dimension der US-Preiserhöhung sucht ihresgleichen. Die Maßnahmen der Trump-Administration markieren einen Paradigmenwechsel: Die Nationalparks, einst Orte der Inklusion, werden zu Instrumenten eines Kulturkampfes. Am Ende bleibt die Frage, was von der Idee der Nationalparks übrig bleibt, wenn sie hinter finanziellen Mauern und ideologischen Filtern verschwindet. Die Wildnis mag noch dieselbe sein, doch der Zugang zu ihr und die Geschichte, die über sie erzählt wird, werden radikal neu verhandelt.

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