
Es gibt Geschichten, die im politischen Lärm Washingtons untergehen, obwohl sie die Sprengkraft besitzen, ganze Weltbilder zu erschüttern. Sie liegen offen da, versteckt in den Fußnoten von Kanzlei-Websites oder den Registern von Zivilklagen, und warten darauf, erzählt zu werden. Dies ist eine solche Geschichte. Sie handelt von einem Pakt, geschlossen im Schatten einer der finstersten Affären unserer Zeit, und sie wirft ein grelles Licht auf die tiefen Widersprüche, die das politische Projekt von Donald Trump und seiner Bewegung durchziehen. Im Zentrum steht eine Personalie, die so brisant ist, dass ihre bisherige Unbekanntheit fast so bemerkenswert ist wie ihr Inhalt: Tim Parlatore, ein Star-Anwalt der MAGA-Welt und Vertrauter im innersten Zirkel der Macht, hat den langjährigen persönlichen Anwalt und Nachlassverwalter von Jeffrey Epstein eingestellt. Diese Entscheidung ist mehr als nur eine fragwürdige Personalwahl. Sie ist ein Fenster in die Seele einer Bewegung, die antrat, den Sumpf trockenzulegen, aber offenbar kein Problem damit hat, sich die Expertise derer zu sichern, die wussten, wie man darin navigiert.
Ein Mann für alle Fälle: Der Aufstieg des Tim Parlatore
Um die Tragweite dieses Vorgangs zu verstehen, muss man Tim Parlatore kennen. Er ist kein gewöhnlicher Anwalt. Parlatore ist ein Architekt und Verteidiger der Macht im Trump-Universum. Als die Bundesbehörden im Sommer 2022 Kisten mit geheimen Regierungsdokumenten aus Donald Trumps Anwesen in Mar-a-Lago trugen, war es Parlatore, der zur juristischen Verteidigung des ehemaligen Präsidenten eilte. Er vertrat prominente Trump-Verbündete im Untersuchungsausschuss zum 6. Januar und wurde so zu einer zentralen Figur an der juristischen Frontlinie. Sein Aufstieg ist untrennbar mit dem von Pete Hegseth verbunden, dem heutigen Verteidigungsminister der USA. Ihre Beziehung ist keine reine Geschäftsbeziehung; sie ist symbiotisch, eine Partnerschaft, die auf gegenseitigem Nutzen und ideologischer Übereinstimmung beruht.

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Schon während Trumps erster Amtszeit machte Hegseth als Moderator bei Fox News die Verteidigung von US-Soldaten, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen wurden, zu seiner persönlichen Mission. Parlatore war der Anwalt, der diese Fälle vor Gericht vertrat, wie im Fall des Navy Chief Eddie Gallagher, der von Trump begnadigt wurde. Parlatore wurde Hegseths persönlicher Anwalt, sein Schutzschild während des hitzigen Bestätigungsverfahrens zum Verteidigungsminister, bei dem er Journalisten scharf anging und die Anklägerin Hegseths mit potenziellen Klagen bedrohte. Heute ist Parlatore mehr als nur Hegseths Berater. Er ist eine Schlüsselfigur im Pentagon, ein wiederindienstgestellter Reserve-Kommandeur im JAG Corps, der von Hegseth persönlich vereidigt wurde. Beamte im Pentagon verweisen Journalisten an ihn; er ist der Mann, durch den der Zugang zum Minister führt. Er ist eine Macht im Zentrum der amerikanischen Verteidigungspolitik. Und genau dieser Mann traf im Herbst 2022 eine folgenschwere Entscheidung.
Die „wertvolle Erfahrung“ des Darren Indyke
In jenem Herbst heuerte Parlatore für seine Kanzlei Darren Indyke an. Ein Name, der nur Eingeweihten etwas sagt, aber dessen Resonanz gewaltig ist. Indyke war fast ein Vierteljahrhundert lang Jeffrey Epsteins persönlicher Anwalt, einer seiner engsten Vertrauten und Berater. Er ist heute Mitverwalter von Epsteins Nachlass, jenes Vermögens, aus dem über 100 Opfer des Sexualstraftäters Entschädigungen erhalten haben. Doch seine Rolle geht womöglich tiefer. Zwei Frauen verklagen Indyke und werfen ihm vor, das komplexe Netzwerk aus Bankkonten und Firmenmänteln administriert zu haben, das Epsteins Verbrechen überhaupt erst ermöglichte. Indyke selbst bestreitet jede Kenntnis oder Beteiligung an den Taten Epsteins.
Wie also rechtfertigt Parlatore, ein Anwalt im Zentrum der MAGA-Bewegung, die Einstellung eines Mannes mit einer solchen Vergangenheit? Die Antwort ist ebenso kurz wie entlarvend. Indyke, so Parlatore, habe „Fähigkeiten bei einer Reihe von Dingen, von denen ich keine Ahnung habe, was die Unternehmensarbeit angeht“. Seine „Erfahrung auf der juristischen Seite des Epstein-Geschäfts“ sei „wertvoll“. Konkret nannte er die Strukturierung von Finanzvereinbarungen und den Kauf von Flugzeugen. Auf seiner Website wirbt Indyke, ohne Epsteins Namen zu nennen, mit seiner Expertise in „komplexen Geschäfts- und Handelstransaktionen“ sowie im „Kauf, Verkauf und Betrieb von Luft-, See- und anderen exotischen Vermögenswerten“.
Hier erstarrt einem der Atem. Die Rechtfertigung für die Anstellung ist eine exakte Beschreibung des Mechanismus, den die Klägerinnen als Motor von Epsteins kriminellem Unternehmen bezeichnen. Es ist, als würde man einen Brandstifter für seine umfassenden Kenntnisse der Brandbeschleunigung loben. Die „wertvolle Erfahrung“ ist nicht von den Vorwürfen zu trennen; sie ist deren Kern. Parlatore sieht darin offenbar kein Problem. Die „Epstein-Sache“, sagte er, sei für ihn „irrelevant“ gewesen, als er Indyke einstellte.
Der Widerspruch als System
Doch für die politische Bewegung, in der Parlatore eine so tragende Rolle spielt, ist die Epstein-Sache alles andere als irrelevant. Sie ist ein Gründungsmythos, der heilige Gral der Erzählung vom Kampf gegen eine korrupte, pädophile Elite. Für unzählige Trump-Anhänger ist der Fall Epstein der ultimative Beweis dafür, wie die Reichen und Mächtigen sich gegenseitig decken und ihre Verbrechen vertuschen – genau jene Art von korrupter Kungelei, die Trump zu zerschlagen versprach. Wochenlang war Trump selbst bemüht, sich von seinem einstigen Freund Epstein zu distanzieren. Und nun stellt einer seiner wichtigsten juristischen Weggefährten, ein Mann mit direktem Draht ins Pentagon, eine Schlüsselfigur aus Epsteins innerstem Kreis ein. Wie passt das zusammen?
Die Antwort ist: gar nicht. Und genau das macht den Vorgang so entlarvend. Die Anstellung von Indyke ist nicht nur eine politische Unachtsamkeit, sie ist der Verrat an einer zentralen Botschaft. Sie entlarvt die Anti-Elite-Rhetorik als das, was sie oft ist: eine flexible Erzählung, die je nach Bedarf eingesetzt oder ignoriert wird. Die moralische Empörung über den Sumpf gilt offenbar nicht für jene, deren technische Expertise man für die eigenen Geschäfte als nützlich erachtet.
Das Paradox wird noch bizarrer, wenn man Parlatores eigene öffentliche Äußerungen zum Fall Epstein betrachtet. In einem Podcast spekulierte er, Epstein sei es „erlaubt worden, sich umzubringen“, weil ein Prozess „peinliche Dinge über Menschen an der Macht“ hätte enthüllen können. Dunkle Kräfte hätten im Hintergrund gewirkt. Es ist eine Ironie, die an Zynismus grenzt: Derselbe Mann, der Verschwörungstheorien über eine Vertuschung in der Epstein-Affäre verbreitet, holt sich einen der engsten Vertrauten Epsteins an Bord, der von Opfern beschuldigt wird, genau diese Machenschaften ermöglicht zu haben.
Mehr als nur ein Job: Der mögliche Lohn der Vergangenheit
Die Verflechtungen enden hier nicht. Darren Indyke ist nicht nur Angestellter in Parlatores Kanzlei. Als Mitverwalter des Epstein-Nachlasses, der kürzlich eine Steuerrückerstattung von fast 112 Millionen Dollar erhielt, könnte Indyke selbst zu den finanziellen Nutznießern gehören. Ein Teil des Geldes könnte, nachdem die meisten Opferforderungen beglichen sind, an von Epstein benannte Begünstigte fließen – zu denen auch Indyke zählen könnte. Konfrontiert mit dieser Tatsache, zeigte sich Parlatore überrascht. Das sei ihm neu, sagte er, und fügte hinzu, wenn Indyke zu viel Geld komme, würde er die Kanzlei vielleicht verlassen. Eine bemerkenswert gleichgültige Haltung gegenüber einem potenziellen Interessenkonflikt von gewaltigem Ausmaß.
Was bleibt, ist ein beunruhigendes Bild. Die Anstellung von Darren Indyke durch Tim Parlatore ist kein Ausrutscher. Sie ist ein Symptom. Sie zeigt eine Welt, in der die Grenzen zwischen politischer Ideologie, aggressiver Rechtsvertretung und dem Management von Superreichen fließend sind. Sie offenbart eine Mentalität, in der die Fähigkeit, komplexe Finanzströme zu lenken und Vermögen zu verschleiern, eine wertfreie, rein technische Kompetenz ist, deren moralischer Ursprung keine Rolle spielt.
Die wahre Geschichte hier ist nicht nur die der Heuchelei. Es ist die Geschichte der Normalisierung des Ungeheuerlichen. Sie zeigt, wie die Werkzeuge, die zur Ermöglichung von Verbrechen gedient haben sollen, im politischen Machtgefüge als „wertvolle Erfahrung“ recycelt werden können. Der Pakt, den Tim Parlatore mit Darren Indyke schloss, mag im Verborgenen stattgefunden haben. Aber seine Implikationen reichen bis ins Zentrum der Macht und stellen eine fundamentale Frage: Wenn dies die Leute sind, die den Sumpf trockenlegen sollen, mit welchem Wasser füllen sie ihn dann wieder auf?