Der lange Arm des Präsidenten: Wie Amerikas Justiz zur Waffe wird

Illustration: KI-generiert

In den Korridoren des US-Justizministeriums herrscht eine fieberhafte Anspannung, die weit über die übliche Geschäftigkeit hinausgeht. Es ist der Wettlauf gegen einen unerbittlichen Gegner: die Zeit. Eine Verjährungsfrist droht, die strafrechtliche Verfolgung des ehemaligen FBI-Direktors James Comey zu vereiteln, und das Weiße Haus lässt keinen Zweifel daran, dass ein Scheitern inakzeptabel wäre. Was sich hier, in den letzten Septembertagen des Jahres 2025, abspielt, ist jedoch weit mehr als ein juristisches Tauziehen. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer systematischen Kampagne, die darauf abzielt, das Fundament der amerikanischen Rechtsstaatlichkeit zu erschüttern und die unabhängige Justiz in ein gefügiges Instrument des präsidialen Willens zu verwandeln. Die parallel verlaufenden, aber ebenso politisch aufgeladenen Ermittlungen gegen den früheren CIA-Chef John O. Brennan fügen sich nahtlos in dieses beunruhigende Mosaik ein. Beide Fälle, so unterschiedlich ihre Details auch sein mögen, erzählen die gleiche Geschichte: die einer Regierung, die nicht mehr zwischen Recht und politischer Vergeltung unterscheidet und bereit ist, institutionelle Leitplanken einzureißen, um ihre Ziele zu erreichen.

Ein Exempel der Loyalität

Das Drama im Bundesanwaltsbezirk Eastern District of Virginia entfaltet sich mit der Präzision eines Lehrstücks über die Unterordnung des Rechts unter die Politik. Im Zentrum steht Lindsey Halligan, eine Juristin, deren berufliche Vita sie als Verteidigerin des Präsidenten ausweist, nicht aber als Staatsanwältin. Ihre eilige Ernennung zur amtierenden US-Anwältin folgte unmittelbar auf die erzwungene Demission ihres Vorgängers Erik S. Siebert. Dessen Vergehen bestand offenbar darin, professionelle Integrität über politische Erwartungen zu stellen. Mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen bestätigen, dass Siebert und sein Team aus Karriere-Staatsanwälten nach sorgfältiger Prüfung zum Schluss gelangt waren, die Beweislage gegen James Comey reiche für eine Anklage wegen Falschaussage vor dem Kongress nicht aus.

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Dieser nüchternen juristischen Einschätzung steht der unbedingte politische Wille des Präsidenten gegenüber, einen seiner prominentesten Kritiker zur Rechenschaft zu ziehen. Halligans Aufgabe ist es nun, binnen weniger Tage das zu vollbringen, was erfahrene Strafverfolger für unmöglich hielten: eine Anklageschrift zu formulieren und einem Grand Jury vorzulegen. Der Druck ist immens, die Deadline, die durch den fünften Jahrestag von Comeys Aussage vor dem Senatsjustizausschuss am 30. September gesetzt ist, unerbittlich. Doch selbst wenn es Halligan gelingt, den Fall vor die Geschworenen zu bringen, bleibt der Ausgang ungewiss. Die Hürden für eine Verurteilung wegen Meineids sind notorisch hoch. Es genügt nicht, die Unwahrheit einer Aussage nachzuweisen; die Anklage muss zweifelsfrei belegen, dass der Befragte wissentlich und willentlich gelogen hat. Ein ehemaliger US-Anwalt bezeichnete das Delikt treffend als eines der am schwierigsten zu beweisenden Verbrechen. Die Weigerung von Karriere-Staatsanwälten, einen solchen Fall zu vertreten, könnte Halligan oder einen anderen politischen Ernennungsträger zwingen, selbst vor Gericht zu erscheinen – ein seltener und vielsagender Vorgang, der die politische Natur des Verfahrens unterstreichen würde.

Ein Stolperstein namens Sicherheitsfreigabe

Während der Fall Comey die direkte Intervention des Weißen Hauses illustriert, offenbart die Causa John O. Brennan eine andere, subtilere und womöglich noch chaotischere Facette der Regierungspolitik. Auch hier lautet der Vorwurf, der ehemalige Geheimdienstchef habe den Kongress in die Irre geführt, insbesondere über die Rolle des umstrittenen Steele-Dossiers bei der Erstellung des Geheimdienstberichts zur russischen Wahleinmischung 2016. Ein von John Ratcliffe, dem amtierenden CIA-Direktor, initiierter Bericht legte den Grundstein für eine strafrechtliche Überweisung an das FBI. Doch die Ermittlungen, die im Eastern District of Pennsylvania angesiedelt sind, gerieten ins Stocken.

Die Ironie der Situation liegt in der Ursache für diese Blockade. Es war Tulsi Gabbard, die Direktorin der nationalen Nachrichtendienste, die mit einer weitreichenden Säuberungsaktion die Ermittlungen empfindlich behinderte. Im August entzog sie auf Anweisung des Präsidenten einer Reihe von amtierenden und ehemaligen Sicherheitsbeamten die Sicherheitsfreigaben. Darunter befanden sich auch Personen, die für die Staatsanwaltschaft als potenzielle Zeugen im Fall Brennan von entscheidender Bedeutung waren. Einige dieser Beamten, die indirekt an der Erstellung des Geheimdienstberichts beteiligt waren, verloren nach dem Entzug ihrer Freigabe sogar ihre Arbeitsplätze. Aus Kreisen der Regierung heißt es, diese Maßnahme habe die Untersuchung tiefgreifend beeinträchtigt. Zeugen, denen die Sicherheitsfreigabe entzogen wurde, dürften kaum noch zur Kooperation bereit sein, und ihre Glaubwürdigkeit vor einer Jury könnte nachhaltig beschädigt sein. Andere Regierungsvertreter weisen diese Darstellung zurück und vermuten, die Staatsanwälte suchten lediglich einen Sündenbock für ihre mangelnden Fortschritte in einem ohnehin schwachen Fall. Unabhängig von der wahren Motivation offenbart dieser Vorgang eine eklatante Koordinationsschwäche oder gar einen internen Widerspruch innerhalb der Exekutive: Ein Teil der Regierung torpediert aktiv, was ein anderer Teil mit Hochdruck zu verfolgen vorgibt.

Vom Ethos der Unabhängigkeit zum Diktat des Präsidenten

Die Fälle Comey und Brennan sind keine isolierten Ereignisse, sondern Symptome eines tiefgreifenden Wandels im Verhältnis zwischen dem Weißen Haus und dem Justizministerium. Präsident Trump hat in den vergangenen Wochen den Druck öffentlich und unmissverständlich erhöht. In Beiträgen in sozialen Medien forderte er die Justizministerin Pam Bondi direkt auf, nicht nur Comey, sondern auch die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James und den Kongressabgeordneten Adam Schiff anzuklagen. Diese öffentliche Zurschaustellung präsidialer Forderungen nach Strafverfolgung politischer Gegner markiert eine dramatische Abkehr von der traditionellen, zumindest nach außen gewahrten Unabhängigkeit des Justizministeriums.

Dieser Wandel erzeugt einen fundamentalen Zielkonflikt innerhalb der Behörde. Auf der einen Seite stehen die politischen Apparatschiks, deren Loyalität primär dem Präsidenten gilt und die gewillt sind, juristische Verfahren als Werkzeuge im politischen Kampf einzusetzen. Auf der anderen Seite stehen die Tausende von Karriere-Anwälten, deren professionelles Ethos auf den Prinzipien der Objektivität, der Beweislast und der Gleichheit vor dem Gesetz fußt. Die Absetzung von Erik S. Siebert zeigt exemplarisch, was geschieht, wenn diese beiden Kulturen aufeinanderprallen: Die professionelle Zurückhaltung wird als Illoyalität gebrandmarkt und personell sanktioniert. Attorney General Pam Bondi und ihr Stellvertreter Todd Blanche verteidigten Siebert intern zwar gegen Angriffe anderer Regierungsbeamter, konnten seine Entlassung durch den Präsidenten aber letztlich nicht verhindern. Dies demonstriert eine klare Machtverschiebung, in der fachliche Expertise und juristische Bedenken gegenüber dem politischen Diktat des Präsidenten an Gewicht verlieren.

Die Aushöhlung des Vertrauens als politisches Kalkül

Die langfristigen Folgen dieser Entwicklung sind verheerend und gehen weit über die Schicksale der beschuldigten Individuen hinaus. Jede Anklage, die unter dem sichtbaren Makel politischer Einflussnahme zustande kommt, untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit in das gesamte Rechtssystem. Die in den Quellen angedeuteten Reaktionen von Lesern, die die Vorgänge mit großer Skepsis und als politisch motivierte Racheakte betrachten, sind ein Indikator für diesen schleichenden Vertrauensverlust. Wenn die Strafverfolgung als willkürlich und parteiisch wahrgenommen wird, verliert sie ihre legitimierende Kraft.

Die von der Trump-Administration beklagte »Weaponization« der Justiz und der Geheimdienste durch die Vorgängerregierung wird nun zur selbsterfüllenden Prophezeiung, indem man eben jene Methoden in noch unverhohlenerer Form anwendet. Das Resultat ist eine gefährliche Spirale der Politisierung, in der jede Untersuchung, jede Anklage und jedes Urteil primär durch eine politische Brille interpretiert wird. Ein solches Klima höhlt nicht nur die Institutionen aus, sondern vergiftet auch den gesellschaftlichen Diskurs. Die Frage nach Schuld oder Unschuld wird zweitrangig gegenüber der Frage, auf welcher Seite man steht. Das amerikanische Rechtssystem, einst ein Pfeiler der demokratischen Ordnung, droht so zu einer weiteren Arena im unerbittlichen Kultur- und Machtkampf zu verkommen. Die Ereignisse dieser Tage sind mehr als nur eine Fußnote in der Geschichte der zweiten Trump-Administration; sie könnten der Punkt sein, an dem die Erosion der rechtsstaatlichen Prinzipien einen kritischen, möglicherweise unumkehrbaren Zustand erreicht.

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