Der kulturelle Staatsstreich: Wie Donald Trump das Kennedy Center zur Bühne seiner Macht umbaut

Illustration: KI-generiert

Es war mehr als nur eine Gala. Als Donald Trump im Dezember 2025 die Bühne des Kennedy Center Honors betrat, tat er dies nicht als Gast, sondern als Gastgeber – und vollzog damit symbolisch die endgültige Übernahme einer Institution, die einst für den parteiübergreifenden kulturellen Konsens Amerikas stand. Eine Analyse der Verwandlung eines Nationalheiligtums in eine politische Arena.

Es gibt Momente, in denen sich der schleichende Wandel politischer Kulturen in einem einzigen Abend verdichtet. Ein solcher Moment ereignete sich an einem Sonntag im Dezember in Washington D.C., als sich der Vorhang im Opernhaus des John F. Kennedy Center for the Performing Arts hob. Doch statt wie seine Vorgänger – von Ronald Reagan bis Barack Obama – demütig in der Präsidentenloge Platz zu nehmen und den Künstlern die Bühne zu überlassen, trat Donald Trump selbst ins Rampenlicht. Er, der die Veranstaltung während seiner ersten Amtszeit boykottiert hatte, machte sich nun zu ihrem Zentrum. Ich werde versuchen, mich wie Johnny Carson zu verhalten, scherzte er am Rednerpult. Doch was sich an diesem Abend abspielte, war keine bloße Late-Night-Show-Hommage. Es war die Zelebrierung einer feindlichen Übernahme.

Die diesjährigen Kennedy Center Honors markieren einen historischen Bruch. Sie sind der vorläufige Höhepunkt einer strategischen Neuausrichtung, die weit über eine einzelne Preisverleihung hinausgeht. Unter dem Deckmantel der Rettung und Erneuerung vollzieht die Administration Trump einen radikalen Umbau der bedeutendsten kulturellen Einrichtung der Vereinigten Staaten. Was als Trump Kennedy Center – mal scherzhaft, mal ernst gemeint – durch die Flure hallt, ist längst mehr als ein verbaler Ausrutscher. Es ist Realität geworden.

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Die Architektur der Macht: Säuberung und Neubesetzung

Um zu verstehen, wie tiefgreifend der Wandel ist, muss man hinter die Kulissen der glanzvollen Gala blicken. Die administrative Maschinerie, die diesen Abend erst möglich machte, arbeitet seit Monaten auf Hochtouren. Trump hat das traditionell parteiübergreifende Fundament des Centers zertrümmert, indem er Demokraten aus dem Kuratorium entfernte und das Gremium mit politischen Loyalisten besetzte. An der Spitze dieser Bewegung steht Richard Grenell, ein Veteran der ersten Trump-Administration und bekennender Kämpfer gegen das, was er als Woke-Propaganda bezeichnet.

Die Methoden sind dabei so rigoros wie transparent. Unter der Ägide des neuen Vorstands wurden Dutzende Mitarbeiter entlassen oder zum Rücktritt gedrängt. Es ist ein Exodus an Fachwissen: Langjährige Experten für Fundraising und Programmplanung, die das logistische Puzzle solcher Großevents über Jahre beherrschten, sind verschwunden. Ersetzt wurden sie durch Figuren, deren Qualifikation weniger in der Kulturmanagement-Expertise als in ihrer ideologischen Nähe zum Weißen Haus liegt. So finden sich nun ehemalige Wahlkampfberater und Kommunikationsstrategen in Schlüsselpositionen, die von der Belegschaft hinter vorgehaltener Hand wenig schmeichelhaft tituliert werden.

Diese personelle Säuberung wird von Grenell als notwendige Maßnahme zur fiskalischen Gesundung verkauft. Er argumentiert, er habe einen aufgeblähten Personalapparat vorgefunden und das Center erstmals seit Jahrzehnten zu einem ausgeglichenen Haushalt geführt. Doch diese Erzählung hat Risse. Kritiker und ehemalige Mitarbeiter beschreiben die Maßnahmen weniger als Sanierung, denn als gezielte Demontage der institutionellen Integrität, begleitet von Vorwürfen des Betrugs gegen die alte Führung, die bis heute unbelegt bleiben.

Die Ökonomie der Polarisierung: Rekordeinnahmen trifft auf leere Ränge

Ein paradoxes Bild zeichnet sich bei den Finanzen ab, das symptomatisch für die Ära Trump ist: Während die Basis bröckelt, floriert das Geschäft mit der Elite. Die Gala selbst war ein finanzieller Triumphzug. Mit Einnahmen von 23 Millionen Dollar verdoppelte die Veranstaltung fast das Ergebnis des Vorjahres und setzte eine neue Bestmarke. Es scheint, als hätten Grenell und Trump erfolgreich die Schleusen für Großspender geöffnet, die bereit sind, für den Zugang zur Macht tief in die Tasche zu greifen.

Doch dieser Geldsegen steht in einem scharfen Kontrast zur Realität des täglichen Spielbetriebs. Die Ticketverkäufe für reguläre Aufführungen sind eingebrochen, die Zahl der Abonnenten ist drastisch gesunken. Selbst populäre Broadway-Produktionen wie Spamalot mussten in kleinere Säle verlegt werden, weil das große Opernhaus nicht mehr gefüllt werden konnte. Es ist ein Warnsignal: Das Kennedy Center droht, seine Verbindung zum breiten Publikum zu verlieren. Die Resident-Companies, wie das National Symphony Orchestra oder die Washington National Opera, spüren diesen Druck bereits; ihre Budgets sind angespannt, die Planungssicherheit für kommende Spielzeiten schwindet.

Die Diskrepanz zwischen dem glanzvollen Fundraising-Erfolg der Gala und der tristen Kassenlage des Alltags offenbart eine gefährliche Abhängigkeit. Wenn das Überleben der Institution zunehmend von politischen Gönnern und weniger von einem diversen Publikum abhängt, wird die Kunst zur Geisel der Ideologie.

Tiffany statt Regenbogen: Die Symbolik der neuen Ära

Nichts illustriert den kulturellen Paradigmenwechsel so greifbar wie das physische Erscheinungsbild der Ehrungen selbst. Über fast fünf Jahrzehnte waren die regenbogenfarbenen Bänder der Ehrenmedaillen das visuelle Markenzeichen der Veranstaltung – ein Symbol für die Vielfalt und das Spektrum der Künste. Diese Tradition wurde nun entsorgt.

Die neuen Medaillen, gefertigt von dem Luxusjuwelier Tiffany & Co. – dessen Eigentümer Bernard Arnault an diesem Abend anwesend war –, hängen nun an einem marineblauen Band. Der Regenbogen, oft auch als Chiffre für LGBTQ-Rechte gelesen, wurde auf ein subtiles Detail auf der Medaille selbst reduziert. Es ist eine ästhetische Bereinigung, die perfekt in das Narrativ einer Rückkehr zu konservativen Werten passt.

Auch die Garderobe der First Lady sprach eine deutliche Sprache. Melania Trump erschien in einer Robe von Givenchy, einem französischen Label, anstatt die Plattform zu nutzen, um amerikanische Designer zu würdigen. In einer Nacht, die theoretisch das amerikanische Kulturschaffen feiern sollte, wirkte dies wie eine kühle Distanzierung – oder vielleicht wie der subtile Hinweis, dass in dieser neuen Ära globale Luxusmarken und politische Allianzen schwerer wiegen als patriotische Gesten der Modeindustrie.

Der Kurator im Oval Office

Bei der Auswahl der Preisträger ließ der Präsident keinen Zweifel daran, wer nun der oberste Kritiker im Land ist. Trump prahlte damit, zu 98 Prozent involviert gewesen zu sein und Kandidaten, die er als Wokesters identifizierte, persönlich von der Liste gestrichen zu haben. Das Ergebnis war eine Hommage an die Popkultur der 1980er Jahre, maßgeschneidert auf den Geschmack des Mannes im Weißen Haus: Sylvester Stallone, der Rocky und Rambo verkörperte; die Rockband Kiss mit ihren pyrotechnischen Exzessen; Michael Crawford, der ewige Phantom der Oper-Darsteller.

Es ist bezeichnend, dass Trump nicht davor zurückschreckt, seinen persönlichen Geschmack zur Staatsdoktrin zu erheben. Seine Liebe zum Phantom der Oper ist legendär, Songs aus dem Musical sind fester Bestandteil seiner Wahlkampfveranstaltungen. Dass Crawford nun geehrt wurde, wirkt weniger wie eine objektive Anerkennung seines Lebenswerks, sondern wie die Erfüllung eines Fan-Traums des Präsidenten. Selbst die musikalischen Darbietungen wurden kuratiert: Als Gloria Gaynors Disco-Hymne I Will Survive erklang, wurde sie in ein Gospel-Gewand gekleidet – eine Transformation, die seltsam anmutet für einen Song, der als queer-feministische Hymne gilt, aber im Kontext der neuen glaubensbasierten Ausrichtung des Centers Sinn ergibt.

Ein Haus für (manche) Menschen: Die neue Programmatik

Die ideologische Neuausrichtung beschränkt sich nicht auf die Gala. Unter der Oberfläche hat eine Verschiebung der Programmatik begonnen, die das Kennedy Center zu einem Ort für konservative und religiöse Veranstaltungen macht. Wo früher künstlerische Avantgarde und Vielfalt im Vordergrund standen, finden nun Gebetswachen, Premieren christlicher Dokumentationen und Events statt, die eng mit der konservativen CPAC-Konferenz verknüpft sind.

Diese Öffnung nach Rechtsaußen bringt handfeste Interessenkonflikte mit sich. Demokratische Senatoren untersuchen bereits, ob bei der Vermietung von Räumlichkeiten an politisch genehme Organisationen, wie etwa die CPAC, auf Gebühren verzichtet wurde – ein Vorwurf, der den Verdacht der Vetternwirtschaft nährt. Auch der Deal mit der FIFA, die das Center für Wochen für die WM-Auslosung belegte, wirft Fragen auf, da er den regulären Spielbetrieb massiv störte und Konzerte verdrängte.

Die Reaktion der künstlerischen Gemeinschaft auf diese Vereinnahmung ist gespalten, aber spürbar. Während einige, wie Sylvester Stallone, den Präsidenten als zweiten George Washington preisen, ziehen andere klare Grenzen. Renommierte Ensembles wie das Alvin Ailey American Dance Theater haben entschieden, dem Center fernzubleiben, um an Orten aufzutreten, wo sich jeder willkommen fühlt. Es ist ein stiller, aber wirkungsvoller Boykott, der die Frage aufwirft, wie viel kulturelle Relevanz eine Institution behalten kann, wenn sie von den Kreativen, die sie eigentlich beheimaten soll, gemieden wird.

Der Verlust des Glanzes und der Reality-Faktor

Der Abend selbst atmete weniger den Geist einer staatstragenden Zeremonie als den einer Wahlkampfveranstaltung. Der Saal war gefüllt mit Kabinettsmitgliedern, politischen Influencern und Spendern; die traditionelle Hollywood-Prominenz glänzte weitgehend durch Abwesenheit. Wenn der Verteidigungsminister Pete Hegseth auf dem roten Teppich als Prominenter durchgeht, hat sich die Definition von Starpower in Washington fundamental verschoben.

Trump nutzte die Bühne, um das Publikum zu beschimpfen und gleichzeitig zu umarmen – eine Taktik, die eher an seine Rallys erinnerte als an die würdevolle Zurückhaltung früherer Präsidenten. Viele von euch sind miserable, schreckliche Menschen, rief er in den Saal, um im nächsten Atemzug ihre Hartnäckigkeit zu loben. Es war die Trump Show in Reinkultur, eine Inszenierung, bei der die geehrten Künstler fast zu Statisten degradiert wurden.

Diese Transformation in eine Reality-Show mag kurzfristig Aufmerksamkeit und Einschaltquoten generieren – Trump selbst prognostizierte die besten Quoten aller Zeiten –, doch sie höhlt die Substanz der Ehrung aus. Wenn der Gastgeber wichtiger ist als die Geehrten, wird die Kunst zum bloßen Accessoire der Macht.

Das steinerne Erbe

Vielleicht ist der physische Umbau des Gebäudes das langlebigste Vermächtnis dieser Ära. Mit 257 Millionen Dollar an staatlichen Mitteln, die Trump trotz seiner sonstigen Sparrhetorik für die Renovierung gesichert hat, wird das Center nicht nur saniert, sondern auch ästhetisch dem Geschmack des Präsidenten angepasst. Marmorplatten werden ausgetauscht, Säulen gestrichen – wir haben das Kennedy Center repariert, verkündete Trump stolz.

Die Diskussion, das Gebäude auch namentlich in Trump Kennedy Center umzuwidmen, mag offiziell noch im Bereich des Scherzes oder der Vorschläge von Hinterbänklern liegen, doch die faktische Aneignung ist längst vollzogen. Trump bezeichnet sich selbst als den besseren Baumeister im Vergleich zu JFK. Es geht hier nicht nur um Instandhaltung; es geht um das Überschreiben von Geschichte.

Fazit: Ein Spiegelbild der Nation

Die Kennedy Center Honors 2025 waren mehr als eine Preisverleihung. Sie waren eine Demonstration. Sie zeigten, wie schnell Normen erodieren können, wenn sie auf einen unbedingten Willen zur Macht treffen. Die einst heilige Trennung zwischen Staat und Kunst, die Präsidenten beider Parteien dazu brachte, politische Differenzen für einen Abend ruhen zu lassen – wie einst Bill Clinton für Charlton Heston –, ist Geschichte.

An ihre Stelle ist eine Polarisierung getreten, die das Kennedy Center von einem nationalen Leuchtturm in eine Festung verwandelt hat, die von der einen Hälfte des Landes gefeiert und von der anderen gemieden wird. Kurzfristig mag die Strategie der finanziellen Maximierung durch Politisierung aufgehen. Doch der Preis ist hoch: Der Verlust der Seele einer Institution, die einst dafür geschaffen wurde, alle Amerikaner zu repräsentieren. Wenn der letzte Vorhang fällt und die Kameras von CBS abgeschaltet sind, bleibt ein Haus zurück, das zwar renoviert und liquide ist, aber in dem das Echo der Einheit verklungen ist. Es ist, wie Oscar Wilde sagte: Es gibt zwei Tragödien im Leben. Die eine ist, nicht zu bekommen, was man will. Die andere ist, es zu bekommen. Trump hat das Kennedy Center bekommen. Ob das Publikum ihm folgen wird, steht auf einem ganz anderen Blatt.

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