Der Klima-Krieg der Regierung Trump: Ein Frontalangriff auf die Zukunft

Illustration: KI-generiert

Es ist mehr als nur eine politische Kurskorrektur. Was sich derzeit in den Korridoren der US-Umweltbehörde EPA vollzieht, ist ein fundamentaler Angriff auf das wissenschaftliche und rechtliche Fundament des amerikanischen Klimaschutzes. Die Regierung unter Präsident Donald Trump hat nicht weniger vor, als die größte Deregulierungsaktion in der Geschichte der Vereinigten Staaten durchzusetzen. Im Fadenkreuz steht dabei eine unscheinbar wirkende, aber juristisch gewaltige Feststellung aus dem Jahr 2009: das sogenannte „Endangerment Finding“. Es ist der Dreh- und Angelpunkt, der es der Regierung überhaupt erst erlaubt, den Ausstoß von Treibhausgasen als Gefahr für die menschliche Gesundheit zu regulieren.

Die aktuelle Administration will diesen Grundpfeiler nun einreißen. Ihr Ziel ist es, eine neue Realität zu schaffen – eine Realität, in der die Regierung nicht nur die Augen vor den Gefahren des Klimawandels verschließt, sondern sich selbst die rechtliche Fähigkeit nimmt, überhaupt noch hinzusehen. Dies ist kein bloßes Zurückdrehen von Verordnungen, wie es bei Regierungswechseln üblich ist. Es ist der Versuch, den gesamten Mechanismus der Klimapolitik dauerhaft zu demontieren und zukünftigen Generationen von Politikern ein ausgehöhltes Instrumentarium zu hinterlassen. Eine Analyse der Strategie, der Akteure und der weitreichenden Konsequenzen zeigt ein Manöver, das die USA auf einen Kollisionskurs mit der wissenschaftlichen Realität und der globalen Staatengemeinschaft schickt.

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Das Endangerment Finding: Das juristische Herzstück des Klimaschutzes

Um die Dimension des Vorhabens zu verstehen, muss man die Bedeutung des „Endangerment Finding“ begreifen. Man kann es sich wie ein medizinisches Gutachten vorstellen: Nach einer langen und gründlichen Untersuchung kam die US-Umweltbehörde 2009 zu dem Schluss, dass Treibhausgase wie Kohlendioxid die öffentliche Gesundheit und das Wohlergehen der Amerikaner gefährden. Diese Feststellung, die auf einem Urteil des Supreme Courts aus dem Jahr 2007 in der Sache Massachusetts v. EPA fußt, war die juristische Lizenz zum Handeln. Sie ermächtigte die EPA, im Rahmen des „Clean Air Act“ – einem der wichtigsten US-Umweltgesetze – Emissionsgrenzwerte für Autos, Kraftwerke und andere Industriezweige festzulegen.

Genau dieses Fundament will die von EPA-Administrator Lee Zeldin geführte Behörde nun mit rechtlichen und ideologischen Argumenten erschüttern. Die zentrale Behauptung lautet, der Kongress habe der EPA niemals die weitreichende Befugnis erteilt, den Klimawandel zu bekämpfen. Man habe sich diese Macht selbst angemaßt. Es ist eine Argumentation, die das Rad der Zeit zurückdrehen will, indem sie die Interpretation eines Gesetzes infrage stellt, das seit über einem Jahrzehnt die Grundlage für weitreichende Regulierungen bildet. Sollte dieser Vorstoß Erfolg haben, würde dies nicht nur unmittelbar die aktuellen Emissionsvorschriften für Fahrzeuge kippen, sondern auch die Basis für Regeln zur Methan-Reduktion im Öl- und Gassektor sowie für Kraftwerke vernichten.

Ein Krieg an zwei Fronten: Der Angriff auf Recht und Wissenschaft

Die Strategie der Trump-Regierung ist ein Zweifrontenkrieg – gegen etabliertes Recht und gegen den wissenschaftlichen Konsens. Juristisch stützt sich die EPA auf eine ganze Reihe von Argumenten, die von Rechtsexperten als „chaotisch“ und wie mit der Schrotflinte abgefeuert beschrieben werden. Man hofft offenbar, dass irgendeines der Argumente vor Gericht Bestand haben wird. Befürworter der Deregulierung sehen hingegen eine reelle Chance. Sie verweisen auf neuere Urteile des Supreme Court, der in seiner aktuellen Besetzung dazu neigt, die Macht von Bundesbehörden eng auszulegen. Die Hoffnung ist, dass die Richter entscheiden werden, dass für eine so weitreichende Aufgabe wie die Klimaregulierung eine explizite Anweisung des Kongresses nötig sei – eine Anweisung, die im Clean Air Act so nicht formuliert ist.

Noch direkter ist der Angriff auf die Wissenschaft. Die EPA-Argumentation zitiert nicht nur die angeblich untragbaren Kosten der Regulierung von über einer Billion Dollar, sondern stellt auch den wissenschaftlichen Konsens über den Klimawandel infrage. Als Beleg dient unter anderem ein Bericht des Energieministeriums, der von bekannten Klimaskeptikern verfasst wurde und die Computermodelle zur Klimaerwärmung kritisiert. Die Kernaussage dieses Berichts: Die Erwärmung durch CO₂ sei wirtschaftlich weniger schädlich als angenommen, und die Maßnahmen der USA hätten ohnehin kaum messbare Auswirkungen auf das globale Klima.

Wissenschaftler und Umweltorganisationen bezeichnen diese Argumente als haltlose Randthesen, die im Widerspruch zu Tausenden Seiten von Beweisen stehen, etwa aus dem National Climate Assessment. Sie verweisen auf die sichtbaren und spürbaren Folgen der Erderwärmung, die Millionen von Amerikanern durch Extremwetterereignisse wie Waldbrände, Überschwemmungen und Hitzewellen bereits heute erleben. Es ist ein Konflikt zwischen einer politisch motivierten Neuinterpretation und einem Berg von wissenschaftlichen Daten, die eine ganz andere Sprache sprechen.

Das ökonomische Kalkül: Wer trägt die wahren Kosten?

Die Debatte wird von beiden Seiten mit gewaltigen Summen geführt, die jedoch auf fundamental unterschiedlichen Rechnungen basieren. Die Regierung und ihre Unterstützer argumentieren mit den direkten Kosten der Regulierung für die Wirtschaft. EPA-Chef Zeldin spricht von einer „Billionen-Dollar-Belastung“, die amerikanische Unternehmen und Verbraucher erdrücke und die Wettbewerbsfähigkeit gefährde. Das Ziel sei es, die Wirtschaft von diesen Fesseln zu befreien und für Wachstum zu sorgen.

Die Gegenseite hält eine andere Bilanz dagegen. Die EPA unter der Vorgängerregierung von Joe Biden hatte errechnet, dass der Nutzen der Klimaregulierungen die Kosten bis 2055 um eine Billion Dollar übersteigen würde. Dieser Nutzen ergibt sich aus vermiedenen Schäden: weniger vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung, weniger Krankenhausaufenthalte, eine stabilere Landwirtschaft und der Schutz von Eigentum vor klimabedingten Katastrophen. Wissenschaftler warnen, dass ein ungebremster Klimawandel das Wirtschaftswachstum verlangsamen, die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben und die Produktivität der Arbeitskräfte senken würde. Die Frage, die sich stellt, ist also nicht, ob Kosten anfallen, sondern welche Kosten die Gesellschaft tragen soll: die Kosten der Transformation oder die ungleich höheren Kosten der Untätigkeit.

Die Industrie im Zwiespalt: Zwischen kurzfristiger Erleichterung und langfristiger Unsicherheit

Auf den ersten Blick scheint die Industrie ein geschlossener Befürworter der Deregulierungsagenda zu sein. Die Öl-Lobby und konservative Interessengruppen preisen die Maßnahmen als Befreiungsschlag. Doch bei genauerem Hinsehen offenbart sich ein differenzierteres Bild, insbesondere in der Automobilindustrie. Zwar begrüßen Konzerne wie Ford die Aufweichung strenger Emissionsstandards, gleichzeitig fordern sie aber einen „einzigen, stabilen Standard“. Die Industrie fürchtet ein regulatorisches Chaos und die Unsicherheit, die entsteht, wenn jede neue Regierung die Spielregeln komplett ändert.

Interessanterweise hatten sich große Wirtschaftsverbände wie die US-Handelskammer in den letzten Jahren mit dem „Endangerment Finding“ arrangiert und es als „geltendes Recht“ bezeichnet, dessen Aufhebung man nicht aktiv anstrebe. Die radikale Stoßrichtung der Trump-Regierung scheint hier sogar über die Wünsche mancher Industrievertreter hinauszugehen. Während einige Unternehmen kurzfristige Profite durch gelockerte Auflagen wittern, fürchten andere um die langfristige Planbarkeit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit, gerade in Zukunftsfeldern wie der Elektromobilität. Das Ende der Anreize für E-Fahrzeuge und der Strafzahlungen für die Nichteinhaltung von Flottenverbräuchen könnte die Transformation der Branche verlangsamen und amerikanische Hersteller im globalen Rennen zurückwerfen.

Die Salamitaktik der Deregulierung: Ausnahmen werden zur Regel

Parallel zum Frontalangriff auf das „Endangerment Finding“ hat die Regierung eine zweite, subtilere Strategie etabliert: die Aushöhlung von Umweltgesetzen durch die Hintertür. Ein neu geschaffenes System erlaubt es Unternehmen, per einfacher E-Mail an die EPA Ausnahmen von Umweltauflagen zu beantragen. Dokumente zeigen, dass auf diesem Weg bereits zahlreiche Kohlekraftwerke, Stahlwerke und Chemiefabriken von den Pflichten zur Reduzierung von hochgiftigen Schadstoffen wie Quecksilber oder Ethylenoxid befreit wurden.

Diese Praxis, die mit nationalen Sicherheitsinteressen oder fehlender Technologie begründet wird, schafft Fakten, noch bevor die Gesetze selbst geändert sind. Sie untergräbt den Schutz lokaler Gemeinschaften, die den Emissionen dieser Anlagen ausgesetzt sind, und zeigt ein Muster, bei dem die Interessen der Industrie systematisch über den Umweltschutz gestellt werden. Diese Ausnahmen sind nicht nur Einzelfälle, sondern Teil einer umfassenderen Strategie, die darauf abzielt, den Geltungsbereich von Umweltgesetzen schleichend zu verkleinern.

Das politische Endspiel: Eine Hypothek auf die Zukunft

Die treibende Kraft hinter dieser Agenda ist EPA-Administrator Lee Zeldin, dessen politische Wandlung bemerkenswert ist. Einst ein moderater Republikaner aus einem Küstenwahlkreis, der die Gefahren des Klimawandels anerkannte, hat er sich zu einem kompromisslosen Verfechter der Deregulierung entwickelt. Seine Rhetorik, er wolle „einen Dolch ins Herz der Klimawandel-Religion stoßen“, verdeutlicht die ideologische Aufladung des Themas.

Das eigentliche Ziel dieser Politik ist strategischer und weitreichender als der kurzfristige politische Erfolg. Es geht darum, das ständige „Ping-Pong“ zwischen demokratischen und republikanischen Administrationen zu beenden, indem man das Spielfeld selbst zerstört. Durch die Aufhebung des „Endangerment Finding“ würde einer zukünftigen, klimafreundlicheren Regierung die wichtigste rechtliche Handhabe entzogen. Ein Neuaufbau dieser Grundlage würde Jahre dauern und wäre mit enormen juristischen Hürden verbunden.

Am Ende steht ein historischer Scheideweg. Die Trump-Administration versucht nicht nur, die Scheinwerfer des Autos abzuschalten, die vor den Gefahren des Klimawandels warnen. Sie will die Scheinwerfer ausbauen und die Kabel durchschneiden. Es ist eine Wette auf eine Zukunft, in der die Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Fakten zur offiziellen Regierungspolitik erhoben wird – mit potenziell unumkehrbaren Folgen für die Umwelt, die Wirtschaft und die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten.

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