Der Holzspanhäcksler-Moment: Wie die Trump-Regierung Amerikas globale Hilfe zerschlug und dabei mehr als nur Geld vernichtete

Illustration: KI-generiert

Die humanitäre Krise, die sich heute in Ländern wie dem Sudan abspielt, hat einen klaren Ausgangspunkt, der nur wenige Monate zurückliegt und von einem Tweet in ein brutales Bild gegossen wurde. Am frühen Morgen des 3. Februar 2025 schrieb Elon Musk: „Wir haben das Wochenende damit verbracht, U.S.A.I.D. in den Holzspanhäcksler zu füttern.“ Diese brutale Metapher markierte den Schlusspunkt eines beispiellosen Feldzugs gegen eine der wichtigsten Säulen amerikanischer Außenpolitik. Angetreten, um angebliche „virale Verschwendung“ auszumerzen, hinterließ die Trump-Administration in einem nur zweiwöchigen Zerstörungsakt eine Spur aus Chaos, realer Verschwendung und menschlicher Tragödie. Die Demontage der U.S. Agency for International Development (USAID) war keine politische Reform; sie war ein Akt ideologisch getriebener Regierungsgewalt, der auf Missverständnissen, Machtkämpfen und einer kalkulierten Gleichgültigkeit gegenüber den Konsequenzen beruhte. Das Ergebnis ist eine Farce, in der die Jäger der Verschwendung ein Millionengrab aus bereits bezahlten Hilfsgütern schufen und Amerikas globale Position nachhaltig beschädigten. Vor allem aber hat dieser Akt Entscheidungen, die in Washingtoner Büros getroffen wurden, direkt in vermeidbare Todesfälle in den ärmsten Regionen der Welt übersetzt.

Ein Abrisskommando aus Amateuren und Eiferern

Der Untergang von USAID begann nicht mit einem Masterplan, sondern mit einem bewusst vage formulierten Befehl. Am Tag seiner Amtseinführung unterzeichnete Präsident Trump eine Exekutivanordnung, die einen sofortigen Stopp neuer Ausgaben für Entwicklungshilfe verlangte. Innerhalb der Behörde, die seit über 60 Jahren als Instrument amerikanischer „Soft Power“ fungierte, löste dies vor allem eines aus: Konfusion. Niemand, nicht einmal Trumps eigene Beauftragte, schien genau zu wissen, was der Befehl bedeutete. Blockierte er nur neue Projekte oder auch Zahlungen für bereits geleistete Arbeit – ein potenziell illegaler Schritt?

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Diese Unsicherheit war der Nährboden, auf dem die Eskalation gedieh, und sie rief Akteure auf den Plan, deren persönliche Motive und mangelnde Expertise die Katastrophe erst ermöglichten. Die Schlüsselfigur in den ersten Tagen war Pete Marocco, ein Mann mit einer Vorgeschichte. Bereits während der ersten Trump-Amtszeit war er bei USAID für seinen konfrontativen Stil bekannt und wurde damals von seinen eigenen Vorgesetzten kaltgestellt. Nun zurück an der Macht im Außenministerium, schien er auf einem persönlichen Rachefeldzug zu sein. Er witterte sofort Subversion und beschuldigte die erfahrenen Beamten, die Anordnungen des Präsidenten zu untergraben, obwohl seine Anschuldigungen, wie sich herausstellte, auf einem mangelnden Verständnis der komplexen Zahlungssysteme der Behörde basierten.

Die Situation explodierte mit dem Eintreffen von Elon Musks „Department of Government Efficiency“ (DOGE). Dies war kein Expertengremium, sondern ein Abrisskommando, besetzt mit loyalen, aber völlig unerfahrenen Akteuren. Unter ihnen befanden sich ein 23-jähriger Programmierer ohne Studienabschluss und ein 19-jähriger High-School-Absolvent. Ihre Mission war nicht die sorgfältige Analyse, sondern die Jagd nach „viral waste“ – nach leicht verspottbaren Ausgaben, die sich medial ausschlachten ließen. Ein frühes Beispiel war die falsche Behauptung, man habe die Finanzierung von 50 Millionen Dollar für Kondome für die Hamas in Gaza gestoppt. Tatsächlich ging es um Familienplanung in der Provinz Gaza in Mosambik. Die Korrektur durch USAID-Mitarbeiter wurde ignoriert; die schlagzeilenträchtige Lüge war politisch nützlicher als die Wahrheit.

Der Konflikt zwischen den neuen Machthabern und der Belegschaft spitzte sich zu, als DOGE die Suspendierung von 57 hochrangigen Mitarbeitern forderte. Als ein für Arbeitsrecht zuständiger Beamter, Nick Gottlieb, sich weigerte, diese Anweisung ohne Beweise umzusetzen, und stattdessen Zivilcourage bewies, indem er ankündigte, die Angelegenheit einer unabhängigen Aufsichtsstelle zu melden, wurde dies als der ultimative Akt der „Insubordination“ gebrandmarkt. Es war der Vorwand, auf den die Zerstörer gewartet hatten. Gottlieb wurde umgehend aus seinem Büro eskortiert. Die Weigerung des amtierenden Direktors Jason Gray, auf Musks persönliche Anweisung hin die weltweite Kommunikation für alle USAID-Mitarbeiter – auch in Krisengebieten – abzuschalten und damit deren Leben zu riskieren, führte zu seiner sofortigen Absetzung. Innerhalb von 14 Tagen war aus einer unklaren Anweisung ein offener Krieg gegen die eigene Behörde geworden, der in ihrer faktischen Zerschlagung gipfelte.

Die Anatomie der Zerstörung: Willkür statt Strategie

Der zentrale Widerspruch im Vorgehen der Trump-Administration könnte größer nicht sein: Eine Kampagne, die unter der Flagge der Sparsamkeit und Effizienz segelte, verursachte am Ende eine beispiellose Verschwendung von Steuergeldern und Hilfsgütern. Während man symbolische Ausgaben anprangerte, ließ man reale Werte im großen Stil verrotten. Die Ironie ist bitter: Die Jagd auf fiktive Verschwendung schuf ein sehr reales Millionengrab.

Die Entscheidungen folgten keiner strategischen Logik, sondern reiner Willkür. Ein besonders entlarvendes Detail war die von Außenminister Marco Rubio ausgegebene Obergrenze von „ungefähr 1.000“ Programmen, die weiterlaufen dürften. Diese Zahl war politisch griffig, aber inhaltlich leer und diente als Rechtfertigung für einen Kahlschlag ohne qualitative Prüfung. Eine Datenanalyse der Vorgänge offenbarte zudem ein entscheidendes Paradox: Während Tausende von kleineren, oft günstigeren und lokal verankerten Projekten gestrichen wurden, blieben einige der größten milliardenschweren Verträge mit etablierten Washingtoner Firmen erhalten. Offenbar wurden gut vernetzte Großauftragnehmer geschützt, während die Basisarbeit geopfert wurde. Die absurdeste Pointe des Feldzugs gegen Verschwendung war jedoch, dass sogar die Verträge für die eigenen Kontrolleure – Inspektoren, die Betrug und Missbrauch in den Programmen aufdecken sollten – gekündigt wurden. Im Namen der Betrugsbekämpfung entließ man die Betrugsbekämpfer.

Das prominenteste Beispiel für die reale Verschwendung sind fast 500 Tonnen energiereicher Kekse, speziell für mangelernährte Kinder entwickelt. Gekauft für rund 800.000 Dollar und gelagert in Dubai, waren sie für Kinder in Afghanistan und Pakistan bestimmt. Monatelang hatten USAID-Mitarbeiter gewarnt, dass die Kekse bald ablaufen würden. Ihre Memos blieben unbeantwortet. Nun stehen die Kekse kurz vor dem Verfallsdatum und müssen für weitere 130.000 Dollar vernichtet werden. Ein ähnliches Schicksal droht medizinischen Hilfsgütern im Wert von über 12 Millionen Dollar. Verhütungsmittel und HIV-Präventionsmedikamente lagern in Europa, doch Verhandlungen über eine Weitergabe scheiterten an absurden Hürden. Die Bürokratie, die man angeblich bekämpfen wollte, wurde zum Werkzeug der Vernichtung.

Vom Aktenvermerk zur Tragödie: Die tödlichen Folgen in Sudan und Afghanistan

Die bürokratische Zerstörungswut in Washington hatte unmittelbare und tödliche Konsequenzen am anderen Ende der Welt. Die abstrakten Entscheidungen über Verträge und Budgets materialisierten sich in den entlegensten Dörfern als fehlende Medikamente, geschlossene Suppenküchen und vermeidbare Todesfälle. Die Fallbeispiele Sudan und Afghanistan illustrieren auf erschütternde Weise die Kluft zwischen der politischen Rhetorik in den USA und der lebensbedrohlichen Realität, die sie für Millionen Menschen schuf.

Im vom Bürgerkrieg zerrissenen Sudan war USAID für viele Menschen die letzte Lebensader. Als die US-finanzierten Programme abrupt gestoppt wurden, brach diese Verbindung ab. In einem Dorf starb der dreijährige Omran an einer Brustinfektion, die laut Ärzten mit einfachen Antibiotika heilbar gewesen wäre. Die Lieferung dieser Medikamente durch einen USAID-Partner war für Februar geplant, wurde aber durch den Stoppbefehl verhindert. Seine Mutter trug ihn zu elf verschiedenen Gesundheitseinrichtungen; keine hatte die nötige Medizin. Anderswo schlossen von USAID unterstützte Suppenküchen über Nacht. Für Familien, die auf diese eine tägliche Mahlzeit angewiesen waren, bedeutete das den Hungertod. Eine Mutter berichtete, wie ihre 18 Monate alte Tochter im Februar verhungerte, oft zu schwach, um zu weinen, und ihr dreijähriger Sohn im März folgte, nachdem er tagelang um Brei gebettelt hatte, den sie nicht zubereiten konnte.

In Afghanistan wiederholte sich das Desaster. Nach dem Abzug der US-Truppen 2021 waren die USA der mit Abstand größte humanitäre Geber geblieben. Mit den Kürzungen der Trump-Regierung versiegte diese Quelle. Über 420 Gesundheitseinrichtungen mussten laut WHO ihren Betrieb einstellen. Ärzte berichteten von leeren Medikamentenregalen und eingestellten mobilen Kliniken. Das Welternährungsprogramm (WFP), das über ein Drittel seiner Mittel für Afghanistan aus den USA erhielt, konnte plötzlich nur noch einen von zehn Afghanen versorgen, die dringend Nahrungsmittelhilfe benötigten. Die Behauptung der US-Regierung, die Hilfe würde von den Taliban abgezweigt, wies das WFP zurück und warnte vor einer massiven Zunahme der Sterblichkeit.

Ein strategisches Eigentor, das Amerikas Macht untergräbt

Die Zerschlagung von USAID ist mehr als eine humanitäre Katastrophe; sie ist ein strategisches Eigentor von historischem Ausmaß. Sie untergräbt nicht nur die moralische Stellung der USA in der Welt, sondern auch ihre fundamentalen nationalen Interessen. Die Behörde war seit ihrer Gründung durch John F. Kennedy ein zentrales Instrument amerikanischer „Soft Power“ – die Fähigkeit, durch Anziehung und Kooperation Einfluss auszuüben. Mit dem Rückzug der USA aus diesem Feld entsteht ein Vakuum, das von geopolitischen Rivalen, allen voran China, bereitwillig gefüllt wird.

Eine besondere Rolle in diesem Drama spielte Außenminister Marco Rubio. Einst ein profilierter Unterstützer von USAID, trat er im entscheidenden Moment als weitgehend machtloser oder unwilliger Akteur auf. Während DOGE und Musk die Agenda setzten, wirkte er wie ein Zuschauer, der von seinem eigenen Apparat überrollt wurde. Sein Fall zeigt die Machtverschiebung innerhalb der Administration, weg von etablierten Institutionen hin zu ideologischen Taskforces. Doch die Zerstörung traf nicht auf passive Opfer. Hinter den Kulissen gab es ein Ringen. Der ehemalige Präsident George W. Bush rief bei Rubio an, um das von ihm gegründete HIV/AIDS-Programm PEPFAR zu retten. Bauernverbände und glaubensbasierte Gruppen versuchten, Druck aufzubauen. Es zeigt, dass Rettung oft davon abhing, wer die mächtigsten Fürsprecher hatte, was die Willkür des Prozesses erneut unterstreicht.

Die vielleicht tragischste Erkenntnis ist die interne Verletzlichkeit von USAID. Ein ehemaliger Kommunikationschef der Behörde argumentiert, dass das größte Versäumnis der Agentur ihre eigene Kommunikationsstrategie war. Man habe sich darauf konzentriert, den Kongress zu überzeugen, und dabei die amerikanische Öffentlichkeit vernachlässigt. Weil die Geschichten über gerettete Leben nie erzählt wurden, gab es kaum öffentlichen Widerstand, als der „Holzspanhäcksler“ angeworfen wurde. Eine in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte Studie prognostiziert, dass die Kürzungen in den nächsten fünf Jahren zu mehr als 14 Millionen zusätzlichen, vermeidbaren Todesfällen führen könnten. Die Zerschlagung von USAID war somit kein Akt der Haushaltskonsolidierung, sondern die bewusste Entscheidung, ein System zur Rettung von Menschenleben abzuschalten. Die Lücke, die Amerika hinterlässt, wird sich mit Leid füllen. Der Holzspanhäcksler-Moment hat gezeigt, wie schnell eine Supermacht ihre eigene globale Stellung demontieren und dabei einen unvorstellbaren menschlichen Preis in Kauf nehmen kann.

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