Der einsame Quarterback: Trumps radikaler Umbau der amerikanischen Macht und die globalen Risiken des Loyalitätsprinzips

Illustration: KI-generiert

Stellen Sie sich ein Huddle vor, jenen engen Kreis aus Vertrauten, in dem Football-Spieler flüsternd den nächsten Spielzug beraten. Im Zentrum steht der Quarterback, der die Strategie vorgibt. In der zweiten Amtszeit von Donald Trump ist dieses Huddle, das einst den nationalen Sicherheitsapparat der USA symbolisierte, auf eine winzige, fast private Runde geschrumpft. Der Präsident, so beschreibt es ein ehemaliger Beamter, will sich selbst als den alleinigen Quarterback sehen – und er duldet nur noch wenige Spieler um sich, die den von ihm angesagten Spielzug ohne Fragen ausführen. Diese radikale Zentralisierung ist mehr als eine personelle Umbesetzung; sie ist der Umbau des Maschinenraums amerikanischer Weltpolitik. Ein System, das über Jahrzehnte auf institutionalisierter Expertise, kontroverser Debatte und bürokratischer Bremsschwellen aufgebaut war, wird durch einen personalisierten Apparat ersetzt, dessen oberste Währung nicht mehr Erfahrung, sondern bedingungslose Loyalität ist. Die These, die sich aus den internen Beobachtungen ergibt, ist ebenso klar wie beunruhigend: Mit diesem Umbau kauft sich die Trump-Administration eine vermeintliche Effizienz und Agilität, bezahlt dafür aber mit einem dramatisch erhöhten Risiko von strategischen Fehlkalkulationen, politischer Instabilität und einem tiefen Vertrauensverlust bei Verbündeten. Es ist ein Experiment mit unabsehbaren Folgen, das die Grundfesten der amerikanischen Außenpolitik erschüttert.

Das Echo des ersten Akts: Warum das alte System sterben musste

Um die Gegenwart zu verstehen, muss man einen Blick zurückwerfen, auf die chaotische Symphonie von Trumps erster Amtszeit. Damals versuchten seine Berater noch, einen traditionellen, geordneten Prozess der Politikfindung aufrechtzuerhalten. Der Nationale Sicherheitsrat (NSC), ein weitverzweigtes Netzwerk von Experten, sollte Optionen abwägen, Empfehlungen ausarbeiten und die impulsiven Instinkte des Präsidenten in eine kohärente Strategie kanalisieren. Doch Trump empfand diesen Apparat von Beginn an als Fessel. Er sah im NSC einen schwerfälligen, bürokratischen Moloch, durchsetzt mit Vertretern einer republikanischen Orthodoxie, der er zutiefst misstraute.

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Die Folge war ein ständiges Ringen, ein permanenter Kampf zwischen dem Präsidenten und seinen eigenen Beratern. Gestalten wie H.R. McMaster oder John Bolton erlebten eine „Adhokratie“, in der entscheidende Sitzungen eher an „Essensschlachten im College“ erinnerten als an sorgfältige politische Abwägungsprozesse. Sie versuchten, gemeinsam mit anderen Schwergewichten wie James Mattis oder Mike Pence, die als am gefährlichsten empfundenen Impulse des Präsidenten abzufedern – etwa den Ausstieg aus der NATO. Diese Erfahrung hat in Trump eine tiefe Überzeugung reifen lassen: Expertise ist eine potenzielle Form des Verrats, und institutionelle Prozesse sind Hindernisse, die es zu schleifen gilt. Die Rückkehr ins Weiße Haus war daher von Anfang an von dem Vorsatz geprägt, die Fehler der ersten Amtszeit nicht zu wiederholen und die Kontrolle endgültig an sich zu reißen. Der Schatten des Impeachment-Verfahrens von 2019 und die Rolle von NSC-Mitarbeitern wie Alexander Vindman wirkten dabei als Katalysator für den Wunsch, den sogenannten „tiefen Staat“ endgültig zu entmachten und das „Gespenst von Vindman“ zu jagen.

Die neue Architektur der Macht: Ein Clubhaus statt eines Kabinetts

Der Umbau in der zweiten Amtszeit erfolgte schnell und rücksichtslos. Der anfänglich ernannte Nationale Sicherheitsberater Michael Waltz, ein ehemaliger Green Beret, der noch versuchte, einen konventionellen Beratungsprozess aufrechtzuerhalten, wurde als Fremdkörper wahrgenommen und systematisch isoliert. Sein Rauswurf, beschleunigt durch eine peinliche Sicherheitslücke, war nur der letzte Akt in einem längst entschiedenen Machtkampf. An seine Stelle trat eine Struktur, die das Machtzentrum endgültig ins Oval Office verlagert. Außenminister Marco Rubio übernahm in einer überraschenden Doppelfunktion auch die Rolle des Nationalen Sicherheitsberaters und orchestrierte die Zerschlagung des alten NSC. Über 100 Mitarbeiter wurden entlassen, ganze Abteilungen geschlossen oder zusammengelegt.

Das neue Machtzentrum ist ein kleiner, verschworener Zirkel. Neben Trump selbst sind es Vizepräsident J.D. Vance, Rubio und Stabschefin Susie Wiles, die den Kern bilden. Je nach Thema werden Spezialisten wie Stephen Miller für Heimatschutz oder Verteidigungsminister Pete Hegseth für militärische Fragen hinzugezogen. Doch die grundlegende Dynamik hat sich verändert. An die Stelle des institutionalisierten Widerspruchs, der einst Barack Obamas „Team of Rivals“ prägte und der trotz seiner Langwierigkeit eine 360-Grad-Analyse von Problemen ermöglichte, ist ein Echokammer-Prinzip getreten. Die zentrale Qualifikation für den Zugang zu diesem Kreis ist nicht mehr die Tiefe des Fachwissens, sondern die unbedingte Übereinstimmung mit dem Weltbild des Präsidenten.

Geschwindigkeit gegen Weisheit: Die riskante Wette auf den Instinkt

Die Verteidiger dieses neuen Modells preisen seine Vorzüge. Entscheidungen würden schneller getroffen, die Umsetzung der präsidentiellen Agenda sei effektiver, und die operative Sicherheit, wie bei den Schlägen gegen iranische Nuklearanlagen, sei höher. Doch die Liste der Kollateralschäden und unbeabsichtigten Konsequenzen wächst. Das abrupte Hin und Her bei der Aussetzung von Militärhilfen für die Ukraine im Juli verwirrte nicht nur die eigene Bürokratie, sondern untergrub auch die Druckkulisse gegenüber Moskau in einem kritischen Moment. Es ist der Tausch von Seekarten und erfahrenen Navigatoren gegen die reine Geschwindigkeit eines Kapitäns, der nach Instinkt steuert.

Noch alarmierender war die öffentliche Ankündigung Trumps, er habe als Reaktion auf russische Drohungen zwei Atom-U-Boote neu positioniert. Diese Aussage, die viele im Pentagon völlig unvorbereitet traf, verstößt gegen eine eiserne Regel der nuklearen Abschreckung: Die Stärke der U-Boot-Flotte liegt in ihrer Unsichtbarkeit. Ein Geheimnis, das die strategische Grundlage einer ganzen Waffengattung ausmacht, wird zur beiläufigen Drohgebärde degradiert – ein perfektes Beispiel dafür, wie das Fehlen institutioneller Bremsen zu potenziell katastrophalen Fehlern führen kann. Die administrative Umsetzung wird zur Achillesferse. Selbst eine wohlwollende Beobachterin wie Victoria Coates, eine ehemalige Vize-Sicherheitsberaterin, räumt ein, dass dem neuen System der „Muskel“ fehlt, um die oft widerstrebende Regierungsbürokratie zur Umsetzung der präsidentiellen Befehle zu zwingen. Wenn der formale Prozess ausgehebelt wird, verliert das System seine Fähigkeit, komplexe Anordnungen über die Befehlskette hinweg durchzusetzen.

Die Welt im Nebel: Verbündete auf der Suche nach einem Anker

Für Amerikas Verbündete gleicht die neue Situation einer Irrfahrt im Nebel. Wo früher klare Zuständigkeiten und verlässliche Ansprechpartner existierten, herrscht nun eine undurchsichtige Struktur, in der selbst hochrangige Beamte keine verlässlichen Auskünfte mehr geben können. Da fast jede wichtige Entscheidung letztlich im Oval Office von einem als unberechenbar geltenden Präsidenten getroffen wird, verlieren diplomatische Kanäle an Wert. Initiativen, die in der ersten Amtszeit noch aus den verschiedenen Behörden aufstiegen – etwa zur Eindämmung Chinas –, versanden nun, weil alles auf eine explizite Anweisung des Präsidenten wartet.

Diese Intransparenz erodiert das Vertrauen und lähmt die Handlungsfähigkeit internationaler Partnerschaften. Wie soll man eine langfristige Strategie entwickeln, wenn die Politik der wichtigsten westlichen Führungsmacht von den Impulsen eines einzelnen Mannes abhängt? Die Abkehr von historischen Allianzen, die schon immer Teil von Trumps politischer DNA war, wird durch diese strukturelle Veränderung zementiert. Das System ist nicht mehr darauf ausgelegt, Partnerschaften zu pflegen, sondern den Willen des Präsidenten durchzusetzen – selbst wenn dies die Isolation bedeutet.

Die entscheidende Frage, die über allem schwebt, ist die nach der Belastbarkeit dieses Modells in einer echten, unvorhergesehenen Krise. Ein System, das abweichende Meinungen gezielt unterdrückt, beraubt sich seiner eigenen Frühwarnsysteme. Probleme, so warnt der pensionierte Admiral Mark Montgomery, werden erst dann sichtbar, wenn sie bereits eskaliert sind. Was passiert, wenn eine Situation eintritt, die nicht mit einem Deal oder einer Machtdemonstration gelöst werden kann, sondern tiefes institutionelles Wissen, sorgfältige Abwägung und eine reibungslose Koordination des gesamten Regierungsapparates erfordert? Das Experiment des einsamen Quarterbacks mag bei Schönwetter funktionieren. Doch die Geschichte lehrt, dass Stürme unangekündigt aufziehen – und ein Kapitän, der seine erfahrensten Navigatoren über Bord geworfen hat, riskiert nicht nur sein eigenes Schiff, sondern die Stabilität der gesamten Flotte.

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