Der Bumerang-Effekt: Wie Trumps Kampf gegen „DEI“ seine eigene Wählerbasis trifft

Illustration: KI-generiert

In der schläfrigen Hügellandschaft von North Carolina, wo die Wälder dicht und die Wahlergebnisse verlässlich republikanisch sind, liegt Montgomery County. Ein Ort, der mit dem Motto „Eine goldene Gelegenheit“ für sich wirbt, ein Echo aus der Zeit des ersten amerikanischen Goldrausches, der die Region einst prägte. Doch der Glanz ist längst verblasst. Heute ist die Gegend ein Sinnbild für den postindustriellen Niedergang Amerikas; die Textilfabriken sind geschlossen, die gut bezahlten Jobs verschwunden. Das mittlere Haushaltseinkommen liegt bei kargen 55.000 Dollar, und der Staat hat den Bezirk offiziell als „wirtschaftlich notleidend“ eingestuft. In dieser konservativen Hochburg, die Donald Trump mit einer soliden Zweidrittelmehrheit ins Weiße Haus schickte, spielt sich nun ein leises Drama ab. Es ist die Geschichte eines politischen Bumerangs – eine Erzählung darüber, wie ein ideologischer Kreuzzug aus Washington mit voller Wucht auf die zurückschlägt, die ihn politisch erst ermöglicht haben. Im Zentrum steht die Streichung eines 21-Millionen-Dollar-Zuschusses, der die Schulen der Region retten sollte und nun zum Kollateralschaden in einem nationalen Kulturkampf geworden ist.

Ein Rettungsanker wird zum Fallstrick

Für das Schulsystem von Montgomery County war der „Teacher and School Leader Incentive Program Grant“ mehr als nur ein Geldsegen; er war ein Rettungsanker in stürmischer See. Die Lehrerfluktuation liegt hier 72 Prozent über dem Durchschnitt von North Carolina – ein alarmierender Wert, der bedeutet, dass Schüler ständig mit neuen, oft unerfahrenen Lehrkräften konfrontiert sind. Der Zuschuss, dessen Volumen etwa der Hälfte des operativen Budgets des Bezirks entsprach, sollte genau das ändern. Mit Prämien von bis zu 10.000 Dollar pro Jahr – ein Viertel des staatlichen Einstiegsgehalts – wollte man qualifizierte Pädagogen anlocken und halten.

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Eine von ihnen war Kylie Blankenship. Aufgewachsen in der Gegend, mit einem Biologie-Abschluss in der Tasche, verkörperte die 26-Jährige alles, was sich der Bezirk wünschte: eine junge, engagierte Lehrerin mit lokalen Wurzeln, die ihrer Gemeinschaft etwas zurückgeben wollte. Zwei Jahre lang unterrichtete sie an der East Middle School. Doch die zermürbenden Bedingungen in einem unterfinanzierten System und die Aussicht auf einen dringend benötigten Bonus von über 4.500 Dollar, der nun verschwunden war, ließen ihren Traum platzen. Sie kündigte und nahm eine Stelle in einem anderen Bezirk an, wo sie mehr verdient. Ihr Weggang ist kein Einzelfall, sondern ein Symptom für eine beginnende Erosion. Der Anker, der das System stabilisieren sollte, hatte sich in einen Fallstrick verwandelt, der genau die Menschen vertreibt, für die er gedacht war.

Ein Wort, zwei Welten: Der Kampf um die Deutungshoheit

Warum wurde dieser so entscheidende Zuschuss gestrichen? Offiziell hüllt sich das von der Trump-Regierung geführte Bildungsministerium in Schweigen. Doch die Verantwortlichen vor Ort haben einen klaren Verdacht, der tief in die ideologischen Gräben der amerikanischen Politik führt. Als sich der Bezirk 2023 um die Förderung bewarb, stimmte er der Erwartung der damaligen Biden-Regierung zu, eine „vielfältige Belegschaft“ zu rekrutieren. Für den ehemaligen Superintendenten Wade Auman war dies eine pragmatische Entscheidung, ein strategisches Ankreuzen eines Kästchens, um im Wettbewerb um die begehrten Mittel zusätzliche Punkte zu erhalten.

Die Umsetzung war ebenso pragmatisch: Man wollte bei Jobmessen an historisch schwarzen Colleges und Universitäten präsenter sein, Lehrassistenten zu vollwertigen Lehrern weiterqualifizieren und Mentorenprogramme einführen. In Aumans Augen hatte nichts davon mit einer bevorzugten Behandlung aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft zu tun. Es war der simple Versuch, den Teich, in dem man nach qualifizierten Kandidaten fischt, zu vergrößern. Doch in der Logik der zweiten Trump-Administration, die am ersten Amtstag per Dekret den Kampf gegen „Diversity, Equity, and Inclusion“ (DEI) zur Priorität erklärte, wurde diese pragmatische Zusage offenbar als ideologisches Bekenntnis fehlinterpretiert. Der Bezirk, so die bittere Vermutung, wird nun dafür bestraft, sich auf die Spielregeln der Vorgängerregierung eingelassen zu haben. Ein Widerspruch wurde abgeschmettert, die Begründung sei wieder nur „das ganze DEI-Zeug“ gewesen, so Auman.

Kollateralschaden im Klassenzimmer

Die Konsequenzen dieser ideologisch motivierten Entscheidung sind im Alltag der 3.500 Schüler von Montgomery County schmerzhaft spürbar. Das Schuljahr begann mit zehn fehlenden Lehrern. Das bedeutet unweigerlich größere Klassen, weniger individuelle Betreuung und gestrichene Nachmittagsangebote. Eltern wie Lauri Russell, deren Sohn seit Jahren von einem nicht zertifizierten Lehrer unterrichtet wird, sind verzweifelt. Der Zuschuss war für sie die erste greifbare Hoffnung auf Besserung. Nun herrscht Resignation. „Niemand Neues will hierherkommen“, sagt sie.

Die finanzielle Kürzung trifft das System an seiner empfindlichsten Stelle: bei den erfahrenen Lehrkräften. Für sie war der jährliche Bonus nicht nur eine Anerkennung ihrer Arbeit, sondern auch ein wichtiger Baustein für ihre Altersvorsorge, da die Renten in North Carolina auf Basis der bestbezahlten Berufsjahre berechnet werden. Nun erwägen einige, früher in den Ruhestand zu gehen. Es ist eine stille Kapitulation vor Umständen, die sie nicht kontrollieren können. Die Botschaft, die in den Klassenzimmern ankommt, ist verheerend: Bildung ist verhandelbar, die Zukunft der Kinder ist eine Variable im politischen Kalkül.

Ein Riss geht durch die Gemeinschaft

Das vielleicht tragischste Kapitel dieser Geschichte ist der Riss, der durch die Gemeinschaft selbst geht. Während Lehrer und Eltern die direkten Folgen spüren, gibt es unter den Bewohnern auch Zustimmung zu Trumps hartem Kurs. Die erfahrene Lehrerin Katie Kimrey berichtet von Nachrichten in sozialen Medien, in denen sich Nachbarn darüber freuten, dass die Förderung gestrichen wurde. Der Bonus von 1.500 Dollar, den sie im einzigen Jahr des Programms erhielt, war für sie nach 20 Jahren im Beruf die erste echte Anerkennung. Nun fühlt sie sich als „Staatsverschwendung“ abgestempelt.

Diese Haltung, repräsentiert durch Anwohner wie Rhonda Perkins, die Trump zwar für „schrecklich“ hält, aber seine Politik zum Schutz ihrer Werte unterstützt, legt den Kern des Problems frei. Die abstrakte, nationale Ideologie des Kampfes gegen „Regierungsverschwendung“ und „DEI“ wiegt für manche schwerer als der konkrete, sichtbare Schaden in der eigenen lokalen Schule. Es ist ein Loyalitätskonflikt, in dem die Treue zur politischen Bewegung über dem Wohl der eigenen Gemeinschaft steht. Diese Spaltung lähmt und macht eine gemeinsame, pragmatische Lösungssuche nahezu unmöglich. Der Schulbezirk steht allein da, gefangen zwischen einer unnachgiebigen Bundesregierung und einer teilweise zustimmenden eigenen Bevölkerung. Der Fall Montgomery County ist somit mehr als nur eine Lokalposse. Er ist eine Lektion darüber, was passiert, wenn Politik den Kontakt zur Lebensrealität der Menschen verliert und ideologische Reinheit über praktische Notwendigkeiten stellt – eine Lektion, deren Preis am Ende die Kinder zahlen.

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