Der Auktionator und das Amt: Wie Trumps Griff nach der Steuerbehörde das System erschüttert

Illustration: KI-generiert

Es war ein Bild, wie für die Geschichtsbücher inszeniert: Donald Trump, in seiner zweiten Amtszeit als Präsident, an der Seite von Billy Long im goldenen Oval Office. Die feierliche Vereidigung des neuen Chefs der mächtigsten Steuerbehörde der Welt, des Internal Revenue Service (I.R.S.), sollte ein Triumph sein. Für Trump war es die Krönung des Bestrebens, eine der letzten Bastionen technokratischer Nüchternheit mit einem bedingungslos loyalen Gefolgsmann zu besetzen. Für Long, einen ehemaligen Kongressabgeordneten und Auktionator aus Missouri ohne Hochschulabschluss, war es die ultimative Belohnung für seine unerschütterliche, oft überzogene Unterstützung des Präsidenten. Ein politisches Comeback, das ihn an die Spitze einer Institution katapultierte, die jährlich rund fünf Billionen Dollar an Steuereinnahmen für den amerikanischen Staat eintreibt. Doch dieser Moment des Triumphs war trügerisch. Er markierte nicht den Beginn einer neuen Ära, sondern den Höhepunkt einer Krise, die das Fundament des amerikanischen Staates in seinen Grundfesten erschüttert. Die Geschichte von Billy Longs blitzschnellem Aufstieg und Fall ist mehr als nur eine Personalposse. Sie ist das Symptom einer gezielten politischen Strategie, die darauf abzielt, institutionelle Gewaltenteilung auszuhebeln und kritische Staatsapparate in Werkzeuge der Exekutive zu verwandeln. Es ist die Geschichte eines Machtkampfes, der die Frage aufwirft, was von einem Staat übrig bleibt, wenn Loyalität systematisch über Kompetenz gestellt wird.

Der loyale Soldat und der Kontrolleur

Kaum war die Tinte auf der Ernennungsurkunde getrocknet, prallten zwei unvereinbare Welten aufeinander. Auf der einen Seite stand Billy Long, der Charismatiker, der versuchte, die Führung einer hochkomplexen Behörde mit den Methoden eines Motivationsseminars zu meistern. Er verschickte verspielte E-Mails an die Belegschaft, nannte den Freitag „FriYay“ und pries seine Führungsphilosophie als „UFO“ an: „Upbeat, Friendly and Open“ (optimistisch, freundlich und offen). Er reiste durchs Land, hielt Sprechstunden für Mitarbeiter ab und versuchte, eine Aura der Zugänglichkeit zu schaffen. Doch hinter dieser fassadenhaften Kumpanei verbarg sich eine tiefgreifende Unkenntnis der Materie. Long hatte praktisch keine Erfahrung in der Steuerpolitik oder der Führung einer Großorganisation. Sein einziger Berührungspunkt mit dem Metier bestand darin, für dubiose Steuergutschriften geworben zu haben, von denen die I.R.S. selbst dringend abriet.

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Auf der anderen Seite stand Finanzminister Scott Bessent, ein ehemaliger Hedgefonds-Manager und Multimillionär, für den die I.R.S. kein politisches Experimentierfeld, sondern die größte und wichtigste Abteilung seines Ministeriums war. Bessent verstand die Steuerbehörde als das finanzielle Herzstück der Regierung, das mit Präzision und nach klaren Regeln zu führen war. Er forderte absolute Kontrolle und unterwarf Long einem strengen Regiment. Jede Entscheidung, so klagte Long gegenüber Kollegen, musste vom Finanzminister abgesegnet werden. Dieser fundamentale Konflikt war von Anfang an unlösbar: Long sah sich als direkter Abgesandter des Präsidenten, der eine eigenständige Agenda verfolgen sollte. Bessent hingegen sah in ihm einen untergeordneten Behördenleiter, der sich in die strikte Hierarchie des Finanzministeriums einzufügen hatte. Es war der klassische Zusammenstoß zwischen politischem Auftrag und institutioneller Logik, zwischen dem Wunsch nach direkter Machtausübung und der Notwendigkeit bürokratischer Ordnung.

Ein Präsident als Schatten-Kommissar

Dieser Konflikt wurde durch die direkte Einmischung aus dem Weißen Haus zusätzlich befeuert. Das private Mittagessen zwischen Trump und Long nach der Vereidigung war weit mehr als eine Geste der Freundschaft. Es war eine strategische Sitzung, in der die formale Befehlskette gezielt untergraben wurde. Der Präsident gab Long direkte Anweisungen, welche Mitarbeiter der I.R.S. entlassen werden sollten. Long wiederum besprach seine Personalpläne für die Behördenspitze direkt mit Trump, unter Umgehung seines eigentlichen Vorgesetzten, des Finanzministers. Diese direkte Kommunikationslinie zwischen dem Präsidenten und dem I.R.S.-Chef machte deutlich, dass Long seine Legitimation nicht aus seiner Position innerhalb der Regierungsstruktur, sondern allein aus seiner persönlichen Beziehung zu Trump bezog.

Diese Art der Schattenregierung höhlt die Integrität staatlicher Institutionen aus. Wenn Personalentscheidungen und strategische Richtlinien in informellen Gesprächen im Oval Office getroffen werden, verlieren formale Prozesse und Verantwortlichkeiten ihre Bedeutung. Die Behörde wird zu einem verlängerten Arm des Präsidenten, dessen politische Launen und Ziele über die sachlichen Notwendigkeiten der Institution gestellt werden. Dieser Mechanismus zeigte sich bereits zuvor, als Trump die I.R.S. öffentlich aufforderte, der Universität Harvard den Status der Gemeinnützigkeit zu entziehen – ein klarer Versuch, die Prüfungsbefugnisse der Behörde als Waffe gegen einen politischen Gegner einzusetzen. Die Episode um Billy Long war somit kein Einzelfall, sondern die konsequente Fortsetzung einer Politik, die darauf abzielt, unabhängige Institutionen zu brechen und sie dem Willen des Präsidenten zu unterwerfen.

Chaos als Methode: Die Erosion von innen

Die Folgen dieser Führungskrise waren für die I.R.S. verheerend und manifestierten sich auf allen Ebenen. Während Long versuchte, die Moral mit lockeren Sprüchen und verfrühten Wochenenden zu heben, kämpfte die Belegschaft mit den realen Auswirkungen einer beispiellosen Zerstörung von innen. Unter der Trump-Regierung hatte die Behörde bereits rund 25.000 Mitarbeiter verloren – ein Viertel ihrer gesamten Belegschaft. Dieser Aderlass an Erfahrung und Arbeitskraft traf die I.R.S. in einer Zeit, in der sie komplexe neue Steuergesetze umsetzen und gleichzeitig riesige Rückstände bei der Bearbeitung von Steuererklärungen bewältigen musste.

In diese ohnehin angespannte Lage platzte Long mit einer Reihe öffentlicher Fehltritte, die seine mangelnde Eignung für das Amt schonungslos offenbarten. Auf einer Konferenz von Steuerexperten kündigte er fälschlicherweise eine Verschiebung des Beginns der Steuersaison an – eine Nachricht, die für Millionen Amerikaner, insbesondere Geringverdiener, eine verzögerte Auszahlung ihrer wichtigen Steuerrückerstattungen bedeutet hätte. Kurz darauf erklärte er das kostenlose Online-Steuererklärungsprogramm der Behörde für tot. In beiden Fällen musste die I.R.S. offiziell zurückrudern und die Aussagen ihres eigenen Chefs korrigieren. Diese Pannen waren mehr als nur peinliche Ausrutscher. Sie sendeten ein fatales Signal der Desorganisation und Inkompetenz an die Öffentlichkeit und untergruben das Vertrauen in eine der wichtigsten staatlichen Institutionen. Das Chaos an der Spitze – Long war bereits der siebte Behördenleiter seit Januar – lähmte die Organisation und machte es den verbliebenen Mitarbeitern nahezu unmöglich, ihre Kernaufgaben verlässlich zu erfüllen.

Wenn die Brandmauer fällt: Die Steuerbehörde als Waffe

Die Politisierung der I.R.S. beschränkt sich nicht nur auf Personalquerelen und interne Führungsschwäche. Sie öffnet auch Tür und Tor für den Missbrauch der weitreichenden Befugnisse der Behörde durch andere Teile der Regierung. Der im Text geschilderte Vorstoß des Ministeriums für Innere Sicherheit (Department of Homeland Security), Zugriff auf die streng vertraulichen Steuerdaten von undokumentierten Einwanderern zu erhalten, ist ein alarmierendes Beispiel für diese Entwicklung. Die Steuerbehörde sammelt sensibelste Finanzinformationen von Bürgern unter der Prämisse strikter Vertraulichkeit. Diese Brandmauer ist essenziell für die Funktionsfähigkeit des Steuersystems, da sie die Bereitschaft der Bürger zur ehrlichen Offenlegung ihrer Finanzen sichert.

Wenn diese Daten jedoch für politische Zwecke, wie die Verfolgung von Einwanderern, instrumentalisiert werden, erodiert dieses Vertrauen fundamental. Die I.R.S. verwandelt sich von einer neutralen Verwaltungsinstanz in ein Überwachungsinstrument. Dies birgt enorme Risiken für die Steuergerechtigkeit und den Rechtsstaat. Eine politisch gesteuerte Steuerbehörde könnte selektiv gegen politische Gegner vorgehen, unliebsame Organisationen mit Prüfungen überziehen oder sensible Informationen an politische Verbündete weitergeben. Die Neutralität der Steuererhebung ist ein Eckpfeiler einer funktionierenden Demokratie. Der Versuch, diese Neutralität aufzuweichen, ist ein Angriff auf das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz und droht, die Behörde in eine Waffe im politischen Kampf zu verwandeln.

Ein unlösbarer Konflikt? Loyalität versus Kompetenz

Letztlich scheiterte Billy Long nicht nur an seiner eigenen Unerfahrenheit oder am Widerstand des Finanzministers. Er scheiterte an einem unlösbaren Zielkonflikt, der die gesamte Trump-Regierung prägt: dem Konflikt zwischen dem unbedingten politischen Willen zur Besetzung von Schlüsselpositionen mit loyalen Akteuren und der sachlichen Notwendigkeit, hochkomplexe Organisationen kompetent und unparteiisch zu führen. Eine Zusammenarbeit zwischen Long und dem etablierten Apparat des Finanzministeriums war von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil ihre grundlegenden Ziele und Funktionsweisen unvereinbar waren. Longs Auftrag war politischer Natur – er sollte die Behörde im Sinne des Präsidenten umgestalten. Bessents Auftrag war institutioneller Natur – er musste die Funktionsfähigkeit und Integrität seines Ministeriums sichern.

Strukturell hätte eine solche Konstellation nur dann funktionieren können, wenn der politisch ernannte Kommissar die fachliche Expertise und die etablierten Prozesse der Behörde respektiert und sich als Teil der institutionellen Hierarchie versteht. Doch genau das war nicht gewollt. Die Ernennung Longs war ein gezielter Akt der Disruption, ein Versuch, die bürokratische Logik durch politische Willkür zu ersetzen. In einem solchen Umfeld kann es keinen Kompromiss geben, sondern nur Sieg oder Niederlage. In diesem Fall siegte die institutionelle Beharrungskraft des Finanzministers, der es schaffte, Long ebenso schnell zu entfernen wie zuvor schon einen anderen, von außen installierten Kandidaten. Doch dieser Sieg ist trügerisch, denn der nächste Versuch, die Behörde politisch zu kapern, ist nur eine Frage der Zeit.

Das Beben, das noch kommt: Die Zukunft des Steuersystems

Billy Longs Abgang war so unspektakulär, wie sein Amtsantritt triumphal wirken sollte. Er wurde mit dem Botschafterposten in Island abgefunden und zeigte sich auf sozialen Medien unbeeindruckt. Doch die Erschütterungen, die seine kurze Amtszeit ausgelöst hat, werden noch lange nachwirken. Die Episode legt die Fragilität zentraler staatlicher Institutionen in einer Zeit offen, in der politische Loyalität als oberste Tugend gilt. Die hohe Fluktuation an der Spitze der I.R.S., gepaart mit der massiven Aushöhlung des Personalkörpers und der ständigen politischen Einmischung, birgt langfristige Gefahren für die Stabilität des gesamten US-amerikanischen Staatswesens.

Eine handlungsunfähige Steuerbehörde kann das Steueraufkommen nicht mehr effizient sichern, was die Staatsfinanzierung gefährdet. Eine politisierte Behörde verliert das Vertrauen der Bürger, was die Steuermoral untergräbt. Eine als Waffe missbrauchte Behörde bedroht die Grundprinzipien des Rechtsstaats. Das Chaos bei der I.R.S. ist kein Betriebsunfall, sondern die logische Konsequenz einer Politik, die Institutionen nicht als Garanten von Stabilität, sondern als Hindernisse auf dem Weg zur uneingeschränkten Machtausübung betrachtet. Die Frage ist nicht, ob die nächste Krise kommt, sondern nur, wie viel Substanz bis dahin noch zerstört wird. Es ist, als würde man dabei zusehen, wie am Motorraum des Staates geschraubt wird – nicht um ihn zu reparieren, sondern um zu sehen, was passiert, wenn man ein paar entscheidende Teile entfernt.

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