
Wenn Donald Trump, der 47. Präsident der Vereinigten Staaten, den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Washington mit einem Staatsdinner ehrt, ist das mehr als ein diplomatischer Akt. Es ist die öffentliche Rehabilitierung eines Mannes, den US-Geheimdienste für die brutale Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich machten. Aber es ist auch das Treffen eines Immobilienentwicklers mit dem Vorsitzenden des mächtigsten Staatsfonds der Welt. Wenn Trump kurz darauf selbst nach Riad reist und sichtlich beeindruckt das milliardenschwere „Giga-Projekt“ Diriyah besichtigt, verschwimmt die Szene endgültig: Spricht hier der Präsident der Vereinigten Staaten oder der „Chief Crypto Advocate“, der Gründer eines globalen Immobilienimperiums?
In der zweiten Amtszeit von Donald Trump ist die Trennlinie zwischen öffentlichem Amt und privatem Profit nicht nur unscharf geworden; sie scheint systematisch aufgelöst zu werden. Die Präsidentschaft wird zur Kulisse, die US-Außenpolitik zum Brandbeschleuniger für das globale Wachstum der Trump Organization. Es ist die Vollendung einer Entwicklung, bei der die amerikanische Verfassung und ethische Normen nicht länger als Leitplanken, sondern bestenfalls als lästige Hindernisse auf dem Weg zum nächsten Deal erscheinen.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Ein Ethikplan, der keine Ethik schützt
Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit präsentierte die Trump Organization einen Ethikplan, der die Kritiker der ersten Amtszeit beruhigen sollte. Das Kernversprechen: Man werde keine neuen Abkommen mit ausländischen Regierungen schließen, solange Donald Trump im Amt ist. Ein externer Anwalt soll zudem Transaktionen überwachen. Doch für Ethikexperten ist dieser Plan ein semantisches Feigenblatt, das entworfen wurde, um die Kernfrage bewusst zu umgehen.
Das Problem liegt tiefer, im Herzen der US-Verfassung. Die sogenannte „Emoluments Clause“ verbietet es Amtsträgern, jegliche Geschenke oder Profite von ausländischen Staaten anzunehmen. Sie zielt nicht auf neue Deals, sondern auf den fortlaufenden Profit aus bestehenden. Wenn ausländische Würdenträger in Trump-Hotels übernachten, wenn staatliche Entwickler Trump-Lizenzgebühren zahlen, ist das aus Sicht von Kritikern wie Richard Painter, dem ehemaligen Chef-Ethiker von George W. Bush, ein klarer Verfassungsbruch.
Die einzige saubere Lösung, die Experten wie Walter Shaub, der ehemalige Direktor des US-Amts für Regierungsethik, seit Jahren fordern, wäre die vollständige Veräußerung (Divestment) des Unternehmensimperiums. Ein Schritt, den die Trump-Familie kategorisch ablehnt. Warum auch, könnte man zynisch fragen? Die zahlreichen Klagen während der ersten Amtszeit sind allesamt im Sande verlaufen, ohne eine gerichtliche Klärung der Kernfrage zu erzielen. Diese Erfahrung scheint in der zweiten Amtszeit nicht zu Vorsicht, sondern zu einer neuen, ungenierten Offenheit geführt zu haben. Das Versprechen, keine neuen Auslandsgeschäfte zu tätigen – ein zentraler Punkt des ersten Ethikplans – wurde stillschweigend kassiert.
Der Rote Teppich: Diplomatie als Verkaufsgespräch
Nirgendwo ist diese neue Offenheit deutlicher sichtbar als im Nahen Osten. Während die Marke Trump in liberalen Hochburgen wie New York City toxisch geworden ist – die Organisation verlor jüngst die prestigeträchtige Ausschreibung zum Betrieb der Wollman-Eisbahn im Central Park an einen Konkurrenten – erlebt sie in den Golfmonarchien einen beispiellosen Boom.
Das Epizentrum dieser Entwicklung ist Saudi-Arabien. Die Trump-Administration verfolgt einen rein transaktionalen Ansatz, der die moralischen Bedenken der Biden-Jahre bezüglich des Mordes an Khashoggi als naives Hindernis betrachtet. Im Zentrum der erneuerten Partnerschaft steht die Hoffnung auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel, ein Kernanliegen der „Abraham Accords“. Doch parallel zu diesem offiziellen diplomatischen Strang verläuft ein zweiter, weitaus lukrativerer.
Bei Trumps Staatsbesuch in Riad im Mai 2025 wurde die Vermischung von Staatskunst und Geschäftsentwicklung zur Perfektion getrieben. Man präsentierte dem Präsidenten nicht nur militärische Ehren, sondern auch Architekturmodelle. Jerry Inzerillo, der CEO des 63-Milliarden-Dollar-Projekts Diriyah und ein alter Freund Trumps, beschrieb die Strategie unverblümt: Man habe an Trump „als Entwickler“ appelliert. Mit Erfolg.
Der Schlüsselpartner für diese Expansion ist Dar Global, der internationale Arm eines der größten saudischen Immobilienentwickler mit engen Regierungsbeziehungen. Dar Global lizenziert die Marke Trump für „Giga-Projekte“ in Saudi-Arabien, Oman, Katar und den Emiraten. Diese Lizenzdeals sind für die Trump Organization reiner Profit, ohne eigenes Risiko. Allein im letzten Jahr flossen so 21,9 Millionen Dollar an das Familienunternehmen. Es ist ein System, bei dem der saudische Staat de facto den Präsidenten der Vereinigten Staaten bezahlt, während dieser über Waffendeals, Sicherheitsgarantien und Nukleartechnologie verhandelt.
Die familiären Bande machen das Geflecht noch dichter. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, dessen Private-Equity-Firma kurz nach Trumps erster Amtszeit eine Zwei-Milliarden-Dollar-Investition vom saudischen Staatsfonds (PIF) erhielt, ist ein enger Partner von Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS). Wenn Donald Trump Jr. auf einer vom PIF gesponserten Konferenz in Miami spricht – die ironischerweise den G20-Gipfel bewirbt, der in Trumps privatem Golfclub in Doral stattfinden soll – schließt sich der Kreis.
Milliarden-Geschenke, Krypto-Deals und G20 im Golfclub
Die Verflechtungen beschränken sich nicht auf Immobilien. Sie umfassen Geschenke, die die Vorstellungskraft sprengen, und dringen in die opaken Welten digitaler Währungen vor. Katar, ein weiteres Land auf Trumps Reiseroute, bot dem Präsidenten Berichten zufolge eine Boeing 747-8 als „Geschenk“ an, die als Air Force One dienen und später an Trumps Präsidentenbibliothek übergehen soll. Ein „Palast im Himmel“ im Wert von 400 Millionen Dollar. Die ethischen Alarmsignale werden ohrenbetäubend, wenn man bedenkt, dass Trumps Generalstaatsanwältin Pam Bondi früher als Lobbyistin für ebenjenes Katar registriert war und nun an der juristischen Prüfung beteiligt ist, die dieses Geschenk als „rechtlich zulässig“ einstuft.
Gleichzeitig eröffnet die Trump-Familie ein neues, potenziell noch lukrativeres Geschäftsfeld: Kryptowährungen. Ein mit der Familie verbundenes Unternehmen, World Liberty Financial, bei dem Trump selbst als „Chief Crypto Advocate“ fungiert, steht im Zentrum eines milliardenschweren Deals. Eine staatlich gestützte Investmentfirma aus Abu Dhabi kündigte an, zwei Milliarden Dollar in das Unternehmen zu investieren. Dies schafft einen neuen, kaum regulierten Kanal für ausländisches Geld, das direkt in die Taschen der Präsidentenfamilie fließt, während die Administration über die Regulierung ebenjener Technologien entscheidet.
Die Unverfrorenheit setzt sich im Inland fort. Die Entscheidung, den G20-Gipfel, ein Treffen der mächtigsten Staatschefs der Welt, in Trumps privatem Golfclub in Doral abzuhalten, sprengt jeden Rahmen. Dass die Veranstaltung auch noch prominent vom saudischen Staatsfonds gesponsert wird, macht aus der Farce eine offene Provokation. Die Optik ist verheerend, aber die Administration scheint darauf zu vertrauen, dass die Öffentlichkeit längst abgestumpft ist.
Ein Apfel, ein Birnbaum und der Sündenfall
Bei jeder Kritik an diesen Verflechtungen ertönt reflexartig der Verweis auf Hunter Biden. Doch dieser Vergleich, so oft er auch bemüht wird, ist intellektuell unredlich. Es ist der Versuch, einen Apfel mit einem ganzen Birnbaum zu vergleichen. Die Geschäfte von Hunter Biden mögen dubios gewesen sein und ethische Fragen aufwerfen, insbesondere im Hinblick auf seinen Vater. Doch die Quellen zeichnen ein Bild, das sich fundamental von den Vorgängen im Trump-Imperium unterscheidet. Jeff Hauser, Direktor des Revolving Door Project, bringt es auf den Punkt: Es ist ein Unterschied im Ausmaß und in der Qualität. Die Trump-Familie generiert potenziell Milliarden von Dollar von ausländischen Regierungen, nicht „nur“ genug Geld, um eine Drogensucht zu finanzieren.
Wichtiger noch ist der Unterschied im Segen: Hunter Biden war der „verlorene Sohn“, dessen Geschäfte zwar geduldet, aber nicht als offizielles Familienunternehmen gesegnet und gefeiert wurden. Die Trump-Söhne hingegen sind exekutive Vizepräsidenten, die im Auftrag und zum Ruhm des Imperiums handeln, während ihr Vater im Oval Office sitzt. Sie sind nicht der Sündenfall, sie sind das Geschäftsmodell.
Die öffentliche Wahrnehmung scheint diesen Unterschied zu spiegeln und gleichzeitig zu ignorieren. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Amerikaner Trump als „korrupt“ wahrnimmt. Doch diese Wahrnehmung hat ihre politische Sprengkraft verloren. Sie ist eingepreist, ein bekanntes Merkmal der Marke Trump, das von seinen Anhängern akzeptiert und von seinen Gegnern ohnmächtig beklagt wird.
Was bleibt, wenn die Linien verschwimmen?
Was also geschieht mit einer Demokratie, deren höchster Amtsträger sein Amt derart offen mit privaten Interessen vermischt? Was geschieht mit dem „heiligen Vertrauen“, von dem Historiker sprechen – dem Glauben, dass ein Präsident dem Volk dient und nicht dem eigenen Bankkonto? Es scheint, als würde dieser Grundpfeiler amerikanischer Demokratie nicht nur Risse bekommen, sondern Stück für Stück abgetragen. Die Trump-Administration befeuert diesen Prozess durch eine gezielte Intransparenz. Reisepläne des Präsidenten werden geheim gehalten, Teilnehmerlisten von Treffen mit ausländischen Führern nicht veröffentlicht. Es ist eine Dunkelheit, in der Deals gedeihen können.
In den Golfstaaten mag diese Vermischung von Macht und Reichtum, von staatlichen Interessen und Familienclans, als normal gelten. „Wenn die Amerikaner Bedenken wegen eines Interessenkonflikts haben“, so zitiert eine Quelle einen Geschäftsmann aus der Region, „ist es ihre Verantwortung, ihre eigenen Gesetze durchzusetzen.“
Genau hier liegt der Kern des Problems. Die Gesetze sind entweder zu schwach, oder der politische Wille, sie gegen einen amtierenden Präsidenten durchzusetzen, ist gebrochen. Übrig bleibt ein System, in dem die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten im Stil eines globalen Immobilien-Franchise betrieben wird. Das Weiße Haus ist die Zentrale, die Außenpolitik das Marketing, und die Verfassung? Vielleicht nur noch ein historisches Dokument, das einer dringenden Renovierung bedarf.


