
In den Korridoren der Macht in Washington wird eine neue Waffe im Kulturkampf geschmiedet. Sie zielt nicht auf Parlamente oder Gerichte, sondern auf das Herz der amerikanischen Wissensgesellschaft: ihre Universitäten. Das jüngste Manöver der Regierung unter Präsident Donald Trump, verpackt in das harmlos klingende Abkommen einer „Übereinkunft für akademische Exzellenz“, ist nichts Geringeres als der Versuch einer feindlichen Übernahme des freien Denkens. Es ist ein vergiftetes Angebot, das den Hochschulen finanzielle Sicherheit im Austausch für ihre intellektuelle Seele verspricht. Wer diesen Pakt unterzeichnet, kapituliert vor dem politischen Diktat und opfert die Autonomie, die über Jahrhunderte das Fundament westlicher Bildungsideale bildete. Dieser Vorstoß ist mehr als nur eine weitere Episode im andauernden Konflikt zwischen einer populistischen Regierung und den als liberale Eliten geschmähten Akademikern. Er markiert einen strategischen Wendepunkt: Wo rohe Konfrontation an ihre Grenzen stieß, soll nun die subtile Verführung durch Geld den Widerstand brechen und eine politisch domestizierte Hochschullandschaft schaffen.
Von der Peitsche zum Zuckerbrot
Die Strategie des Weißen Hauses hat eine perfide Evolution durchlaufen. Jahrelang versuchte die Regierung, unliebsame Universitäten durch offene Konfrontation auf Linie zu bringen. Die Blockade von Bundesmitteln in Milliardenhöhe für renommierte Institutionen wie Harvard oder Columbia war der weithin sichtbare Einsatz der sprichwörtlichen Peitsche. Es war ein Akt der Bestrafung, der darauf abzielte, den Willen der Hochschulen durch finanziellen Entzug zu brechen. Doch diese Methode erwies sich als nur bedingt erfolgreich. Sie provozierte nicht nur juristischen Widerstand, der – wie im Fall Harvards – die Regierung vor Gericht in ihre Schranken wies, sondern schuf auch Märtyrer für die Sache der akademischen Freiheit. Der offene Angriff schweißte die akademische Gemeinschaft zusammen und machte den Konflikt für jedermann sichtbar.

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Nun hat die Regierung ihre Taktik verfeinert. An die Stelle der Bestrafung tritt die Belohnung, das Zuckerbrot. Das „Abkommen für akademische Exzellenz“ ist kein Diktat mehr, sondern ein Angebot, eine Einladung in einen exklusiven Club der Privilegierten. Den neun ausgewählten Universitäten wird nicht mit Entzug gedroht, sondern mit „erheblichen und sinnvollen Bundeszuschüssen“ gelockt. Man verspricht ihnen eine Vorzugsbehandlung bei der Vergabe von Forschungsgeldern und eine großzügigere Erstattung von Verwaltungskosten. Dieser Ansatz ist ungleich gefährlicher, weil er die Dynamik des Konflikts verändert. Statt eines gemeinsamen Feindes von außen schafft er einen internen Wettbewerb um die Gunst der Regierung. Er sät Misstrauen und zielt darauf ab, die Solidarität unter den Hochschulen zu untergraben. Die Botschaft ist klar: Wer kooperiert, wird belohnt; wer sich widersetzt, schaut nicht nur in die Röhre, sondern muss zusehen, wie die gefügigeren Konkurrenten finanziell davonziehen. Es ist eine klassische Taktik des Teilens und Herrschens, die darauf abzielt, den Widerstand von innen heraus zu zersetzen.
Ein politisches Bekenntnis als Vertrag
Ein genauer Blick auf den Zehn-Punkte-Plan des Abkommens entlarvt dessen wahren Charakter. Es handelt sich nicht um einen Fahrplan zu mehr „Exzellenz“, sondern um einen politischen Treueschwur, der die ideologischen Prioritäten der Regierung in die Satzungen der Universitäten einschreiben soll. Die Forderungen sind ein Frontalangriff auf die Grundpfeiler einer liberalen und offenen Bildungsstätte. Die Begrenzung ausländischer Studierender auf 15 Prozent ist nicht nur ein Schlag gegen die internationale Vernetzung und den wissenschaftlichen Austausch, sondern auch ein Akt des intellektuellen Protektionismus, der Amerikas Rolle als globaler Magnet für Talente untergräbt.
Die wohl aggressivste Forderung ist die nach der Abschaffung oder Umgestaltung von Fachbereichen, die angeblich „konservative Ideen gezielt bestrafen, herabwürdigen und sogar Gewalt gegen sie schüren“. Diese vage und anklagende Formulierung öffnet der politischen Willkür Tür und Tor. Sie ermächtigt die Regierung, über die Existenzberechtigung ganzer Disziplinen zu urteilen – ein beispielloser Eingriff in die curriculare Autonomie. Es ist der Versuch, kritische Geistes- und Sozialwissenschaften mundtot zu machen und durch regierungskonforme Lehre zu ersetzen. In dieselbe Kerbe schlägt das Verbot für Angestellte, im Namen der Universität politische Ansichten zu äußern. Dies kommt einem Maulkorb gleich, der die wichtige Rolle der Universitäten als kritische Stimmen im öffentlichen Diskurs negiert.
Auch die gesellschaftspolitischen Klauseln, wie die Festlegung auf eine rigide Zwei-Geschlechter-Definition oder das Verbot, Herkunft und Geschlecht bei Zulassungen zu berücksichtigen, dienen nicht der akademischen Qualität, sondern der Durchsetzung einer konservativen Agenda. Sie zielen darauf ab, jahrzehntelange Bemühungen um Diversität und Inklusion rückgängig zu machen und die Hochschulen zu Laboratorien einer reaktionären Gesellschaftspolitik zu machen. Jede einzelne Klausel dieses Vertrags ist ein Baustein in einem größeren Projekt: der Umformung der Universität von einem Ort der freien Forschung und des kritischen Diskurses zu einer Institution, die primär den politischen Zielen der amtierenden Regierung dient.
Die strategische Auswahl der Adressaten
Die Auswahl der neun Universitäten, die dieses Angebot erhielten, ist kein Zufall, sondern ein strategisches Meisterstück. Die Liste umfasst eine sorgfältig kuratierte Mischung aus öffentlichen und privaten Institutionen, aus vermeintlich „guten Akteuren“ und solchen, die man zu solchen machen will. Sie schließt Institutionen in republikanisch regierten Bundesstaaten wie die University of Texas ebenso ein wie Bastionen des liberalen Establishments an der Ostküste wie die Brown University oder das MIT.
Diese Diversität der Adressaten verfolgt mehrere Ziele. Erstens soll sie den Anschein von Repräsentativität erwecken und den Vorwurf entkräften, es handle sich um einen gezielten Angriff auf eine bestimmte Art von Universität. Zweitens dient sie dazu, erste, schnelle Erfolge zu erzielen. Die positive Reaktion der University of Texas, deren Führung das Abkommen als Ergänzung zur bereits existierenden konservativen Politik des Bundesstaates begrüßte, war ein einkalkulierter PR-Erfolg. Ein solcher „Leuchtturm“ der Kooperation soll Signalwirkung entfalten und andere zögernde Institutionen zum Einlenken bewegen.
Drittens erhöht die Auswahl den Druck auf die widerständigen Eliteuniversitäten, allen voran Harvard. Wenn renommierte Konkurrenten wie das MIT, die University of Pennsylvania oder Dartmouth College den Pakt unterzeichnen, gerät Harvard in die Isolation. Der Vorwurf, man stelle ideologische Verbohrtheit über das finanzielle Wohl der eigenen Institution, wird lauter werden. Die Regierung schafft ein Gefangenendilemma, in dem die kollektiv beste Strategie – geschlossener Widerstand – durch den individuell rationalen Anreiz zur Kooperation untergraben wird. Die Ankündigung von Präsident Trump, eine Einigung mit Harvard stehe kurz bevor, mag verfrüht sein, doch sie zeigt die klare Absicht: Der Widerstand der symbolträchtigsten aller amerikanischen Universitäten soll und muss gebrochen werden, um den Sieg im Kulturkampf zu vollenden.
Der Bruch mit der amerikanischen Tradition
Dieser Vorstoß der Regierung ist mehr als nur eine aggressive Politik; er ist ein fundamentaler Bruch mit der Tradition der akademischen Selbstverwaltung, die das amerikanische Hochschulwesen groß gemacht hat. Seit jeher beruht die Stärke dieses Systems auf einem dezentralen Modell, in dem die Bundesregierung zwar als wichtiger Geldgeber, aber nicht als inhaltlicher Vormund auftritt. Die Freiheit von Lehre und Forschung, die Autonomie bei Personal- und Zulassungsentscheidungen und die Fähigkeit zur Selbstkritik waren die Garanten für Innovation und Exzellenz.
Das nun vorgeschlagene Abkommen verkehrt dieses Prinzip ins Gegenteil. Es etabliert die Regierung als obersten Schiedsrichter über das, was an einer Universität gedacht, gelehrt und gesagt werden darf. Kritiker wie der Bildungshistoriker Jonathan Zimmerman von der University of Pennsylvania warnen eindringlich vor dieser beispiellosen Zentralisierung der Macht. Selbst wenn man einigen Zielen der Regierung, wie der Eindämmung der Studiengebühren oder der Förderung ideologischer Vielfalt, prinzipiell zustimmen könnte, sei der Weg dorthin verheerend. Wenn die Bundesregierung anfängt, die Bedingungen für intellektuellen Pluralismus zu dekretieren, schafft sie ihn nicht, sondern sie zerstört ihn. Sie ersetzt den organischen „Marktplatz der Ideen“ durch einen staatlich lizenzierten Kiosk, an dem nur noch genehmigte Meinungen verkauft werden dürfen.
Die juristischen Bedenken sind ebenso gravierend. Organisationen wie die Foundation for Individual Rights and Expression (FIRE) sehen in dem Abkommen einen klaren Verstoß gegen den Ersten Verfassungszusatz, der die Meinungsfreiheit schützt. Eine Regierung, die heute für wohlgefällige Meinungen belohnt, kann morgen für unliebsame bestrafen. Professorenverbände bezeichnen den Pakt als „Loyalty Oath“, einen Treueeid, der die wissenschaftliche Unabhängigkeit untergräbt und genau jene „viewpoint discrimination“ betreibt, die er zu bekämpfen vorgibt. Die Drohung des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom, jedem Unterzeichner die staatlichen Mittel zu streichen, zeigt, dass der Konflikt das Potenzial hat, das föderale System der USA bis an seine Belastungsgrenze zu spannen.
Ein faustischer Pakt mit ungewissem Ausgang
Die Universitätsleitungen befinden sich in einer fast ausweglosen Lage. Sie stehen vor einer Wahl, bei der es nur Verlierer zu geben scheint. Unterzeichnen sie das Abkommen, sichern sie kurzfristig ihre Budgets, verraten aber die fundamentalen Werte ihrer Institutionen. Sie geben ihre Autonomie preis, unterwerfen sich einer politischen Agenda und riskieren ihre langfristige Reputation als unabhängige Stätten des Wissens. Sie würden zu Erfüllungsgehilfen einer Regierung, die ihre Existenzberechtigung infrage stellt.
Verweigern sie die Unterschrift, wahren sie ihre Integrität, riskieren aber empfindliche finanzielle Nachteile in einem ohnehin schon angespannten Umfeld. Sie müssen ihren Studenten, Forschern und Geldgebern erklären, warum sie auf potenziell Hunderte von Millionen Dollar verzichten und damit Forschungsprojekte, Stipendien und die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Es ist ein faustischer Pakt, der ihnen angeboten wird: materieller Reichtum im Tausch gegen die Seele.
Der Ausgang dieses Kampfes wird die Zukunft der amerikanischen und damit auch der globalen Wissenschaftslandschaft prägen. Sollte es der Regierung gelingen, eine kritische Masse an Universitäten zur Unterzeichnung zu bewegen, droht eine Ära der intellektuellen Gleichschaltung. Die Hochschulen würden zu Orten der Orthodoxie, an denen kritisches Denken nicht gefördert, sondern gefürchtet wird. Die USA würden ihre globale Anziehungskraft für die klügsten Köpfe der Welt verlieren. Es steht weit mehr auf dem Spiel als nur die Verteilung von Fördergeldern. Es geht um die Frage, ob die Universität der Zukunft ein offenes Forum für die Suche nach Wahrheit bleibt oder zu einem Instrument der politischen Macht verkommt. Die Antwort, die die neun auserwählten Universitäten in den kommenden Wochen geben, wird ein entscheidendes Signal senden.