Das Schweigen der Spötter: Warum das Ende von Stephen Colbert mehr als nur das Ende einer Show ist

Illustration: KI-generiert

Wenn das grellste Licht auf Amerikas politischer Bühne erlischt, geschieht dies selten durch einen plötzlichen Stromausfall. Meistens ist es ein leises, methodisches Dimmen, ein Drehen am Regler durch unsichtbare Hände, bis nur noch die Erinnerung an die Helligkeit bleibt. Das Ende der „Late Show with Stephen Colbert“ ist ein solches Ereignis. Es ist nicht nur der Schlusspunkt einer Ära der politischen Satire, sondern ein beunruhigendes Lehrstück über die Anatomie der Macht, die Fragilität der Pressefreiheit und das Echo einer Geschichte, die sich auf gespenstische Weise zu wiederholen scheint.

Der Vorhang fällt: Ein Abschied und zwei Geschichten

Die offizielle Version klingt, wie solche Nachrichten immer klingen: vernünftig, unumgänglich, beinahe banal. CBS, der Sender-Gigant, verkündete im Juli, dass die Show im Mai 2026 enden werde. Man sprach von einer „finanziellen Entscheidung vor einem herausfordernden Hintergrund im Late-Night-Fernsehen“. Ein nüchternes Statement, das ein Bild von schwindenden Werbeeinnahmen und den unerbittlichen Gesetzen des Marktes zeichnet. Es ist eine plausible Erzählung in einer Medienlandschaft, die sich im steten Wandel befindet. Doch hinter dieser Fassade aus unternehmerischer Logik verbirgt sich eine zweite, weitaus beunruhigendere Geschichte – eine, die nicht in den Bilanzen, sondern in den Korridoren der Macht geschrieben wurde.

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Diese zweite Geschichte beginnt mit der scharfen Zunge eines Satirikers und den empfindlichen Nerven eines Präsidenten. Nur wenige Tage vor der überraschenden Ankündigung hatte Stephen Colbert den umstrittenen Vergleich seiner Muttergesellschaft Paramount mit Donald Trump als „fetten Schmiergeldbetrag“ bezeichnet. Paramount hatte dem Präsidenten 16 Millionen Dollar gezahlt, um eine Klage wegen der Bearbeitung eines „60 Minutes“-Interviews beizulegen. Ein Funke, der ein Feuer entzündete.

Denn zur selben Zeit schwebte ein Damoklesschwert über Paramount: die geplante 8-Milliarden-Dollar-Fusion mit dem Filmstudio Skydance. Ein Deal dieser Größenordnung bedurfte der Zustimmung der Trump-Administration. Die Federal Communications Commission erteilte ihre Genehmigung Ende Juli; die Fusion wurde Anfang August abgeschlossen. Hier verdichten sich die Indizien zu einem erdrückenden Muster. Ein kritischer Moderator, der die finanziellen Verstrickungen der Konzernmutter mit dem Präsidenten anprangert, genau in dem Moment, in dem ebendieser Konzern auf das Wohlwollen der Regierung angewiesen ist. Zufall? Wohl kaum. Es ist das unsichtbare Netz der Abhängigkeiten, in dem sich journalistische Unabhängigkeit verfängt und erstickt. Der Verdacht, dass hier nicht nur eine Show, sondern eine unbequeme Stimme abgewickelt wurde, liegt schwer in der Luft.

Echos der Vergangenheit: Wenn CBS die eigene Geschichte vergisst

Um die volle Tragweite dieses Moments zu verstehen, muss man die Archive öffnen und zurückblättern, fast 70 Jahre. Denn CBS stand schon einmal an einem solchen Scheideweg. Damals hieß der unbequeme Geist nicht Colbert, sondern Edward R. Murrow, eine Legende des amerikanischen Journalismus. Murrows sonore Stimme hatte die Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs aus dem Londoner Bombenhagel begleitet. Er war ein Pionier des Fernsehens, ein Mann von unbestechlicher Integrität, der in seiner Sendung „See It Now“ die Welt erklärte.

Sein entscheidender Moment kam, als er es wagte, sich mit der damals übermächtigen Figur des Senators Joseph McCarthy anzulegen, dem fanatischen Kommunistenjäger, dessen Hexenjagden ein Klima der Angst über das Land gelegt hatten. Am 9. März 1954 demontierte Murrow in einer historischen Sendung die Lügen und Verdrehungen des Senators, indem er ihn mit seinen eigenen Worten entlarvte. Es war ein Akt journalistischen Mutes, der maßgeblich zu McCarthys politischem Ende beitrug.

Doch der Triumph hatte seinen Preis. Murrows Stern bei CBS begann zu sinken. Der Senderchef Bill Paley, einst sein Förderer, distanzierte sich. Der unerbittliche Journalismus Murrows passte nicht mehr in eine Zeit, in der die seichte Fernsehunterhaltung ihren Siegeszug antrat und politische Kontroversen als geschäftsschädigend galten. 1958 wurde „See It Now“ abgesetzt und durch eine Comedy-Show ersetzt. Offiziell ging es um Sendeplätze und Quoten. Inoffiziell war eine der mutigsten Stimmen des Landes zum Schweigen gebracht worden.

Die Parallelen sind frappierend. In beiden Fällen opfert derselbe Sender eine seiner profiliertesten kritischen Stimmen auf dem Altar des unternehmerischen Pragmatismus, just in dem Moment, als diese Stimme den Mächtigen gefährlich wird. Damals wie heute wird die Entscheidung in die Sprache des Geschäfts gekleidet, doch das politische Motiv scheint unübersehbar. Es ist, als hätte der Sender aus seiner eigenen, ruhmreichen und doch tragischen Geschichte nichts gelernt. Die Strategie bleibt dieselbe: Wenn der Wind aus Washington zu scharf weht, wird das kritische Segel eingeholt, um das Konzern-Schiff nicht in Gefahr zu bringen.

Das System Trump: Mehr als nur ein Groll gegen Komiker

Die Absetzung der „Late Show“ ist jedoch kein isolierter Akt der Feigheit. Sie ist vielmehr das prominenteste Symptom einer umfassenden Strategie, die weit über den Groll eines Präsidenten gegen bissige Komiker hinausgeht. Die Trump-Administration hat in ihrer zweiten Amtszeit methodisch damit begonnen, die intellektuellen und kulturellen Institutionen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen und jede Form von kritischer Auseinandersetzung zu untergraben.

Das Vorgehen ist systematisch. Ein Brief des Weißen Hauses an das renommierte Smithsonian-Institut, das 21 Museen und zahlreiche Forschungseinrichtungen umfasst, ordnet unter dem Titel „Wahrheit und gesunder Menschenverstand in der amerikanischen Geschichte wiederherstellen“ eine umfassende Überprüfung an. Museen müssen innerhalb von 30 Tagen Listen geplanter Ausstellungen vorlegen; Regierungsteams sollen vor Ort „Besuchererfahrungen und visuelle Botschaften“ dokumentieren. Dies ist die Sprache der Zensur, verpackt in bürokratische Anordnungen. Es ist ein Einschüchterungsversuch, der darauf abzielt, eine genehme, patriotische Geschichtserzählung durchzusetzen.

Ähnliches geschieht in den Nationalparks, wo Besucher aufgefordert werden, jede Informationstafel zu melden, die „die Nation oder ihre Geschichte auf negative Weise“ darstellt. Im John F. Kennedy Center for the Performing Arts, einem nationalen Kulturheiligtum, wurde mit Richard Grenell ein loyaler Gefolgsmann als Interimsdirektor eingesetzt, um sicherzustellen, dass nur noch aufgeführt wird, was der Präsident für gut befindet. Das Programm wurde prompt auf harmlose Musicals und Familienunterhaltung umgestellt.

In diesem Kontext ist der mutmaßliche Druck auf CBS nicht nur ein Angriff auf einen einzelnen Satiriker. Er ist die logische Fortsetzung einer Politik, die Expertise verachtet und unabhängiges Denken als Bedrohung ansieht. Das Ziel ist die Schaffung eines kulturellen Raums, in dem es keine kritische Reibung mehr gibt, keine unbequemen Fragen, keine Satire, die den Kaiser ohne Kleider zeigt. In diesem System ist ein Stephen Colbert nicht nur ein Ärgernis – er ist ein Systemfehler, der behoben werden muss.

Die Stille danach: Wenn die Hofnarren das Schloss verlassen

Was geht verloren, wenn eine solche Stimme aus dem reichweitenstarken Abendprogramm verschwindet? Mehr als nur ein paar Lacher. Stephen Colbert füllte die Rolle des modernen Hofnarren aus: Jener Figur, die dem König Wahrheiten sagen darf, die andere nicht einmal zu denken wagen. Satire, wie er sie betrieb, ist das Immunsystem einer Demokratie. Sie entlarvt Absurditäten, bricht die Inszenierungen der Macht auf und schafft durch Humor eine kritische Distanz, die es den Bürgern erlaubt, das Geschehen neu zu bewerten. Sein Wegfall ist ein Verlust für die politische Debattenkultur.

Die Reaktionen auf die Absetzung zeugen von diesem Bewusstsein. Fans versammelten sich protestierend vor dem Ed Sullivan Theater. Kollegen wie Jimmy Fallon und Andy Cohen äußerten sich schockiert und solidarisch. Politiker wie die Senatoren Adam Schiff und Elizabeth Warren warnten vor politischer Einflussnahme und nannten den Paramount-Deal einen Akt, der „wie Bestechung aussieht“. Diese Stimmen zeigen, dass der Vorgang nicht als normale Geschäftsentscheidung wahrgenommen wird, sondern als Angriff auf ein öffentliches Gut.

Die größte Gefahr liegt jedoch im Unsichtbaren: im sogenannten „Chilling Effect“, der lähmenden Kälte, die sich über die Kreativbranche legen könnte. Welcher Sender wird es sich in Zukunft zweimal überlegen, einem scharfzüngigen Kritiker eine Plattform zu geben? Welcher Moderator wird seine Pointen unbewusst abschwächen, um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden? Der Smithsonian-Direktor Lonnie Bunch formulierte in einem Brief an seine Mitarbeiter bereits kryptisch, die Sammlungen müssten sich entwickeln, um „neue Erkenntnisse zu reflektieren“. Es ist die Sprache der präventiven Anpassung, eine Vorstufe zur Selbstzensur. Wenn Konzerne dem politischen Druck nachgeben, erodiert nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit, sondern auch der Mut einer ganzen Branche.

Es ist unwahrscheinlich, dass Stephen Colbert selbst verstummen wird. Das Internet bietet ihm eine neue Bühne, und seine treue Fangemeinde wird ihm dorthin folgen. Womöglich wird seine Stimme dort sogar noch freier und schärfer. Doch die entscheidende Frage ist nicht, ob Colbert überlebt, sondern was mit dem öffentlichen Raum geschieht, den er verlässt. Das reichweitenstarke Fernsehen verliert eine seiner wichtigsten Stimmen der Vernunft und des Widerspruchs. Für all jene, die nicht aktiv nach alternativen Quellen suchen, wird die politische Landschaft ein Stück leiser, ein Stück konformer, ein Stück weniger demokratisch. Die Absetzung könnte für CBS und die Trump-Administration ein Pyrrhussieg sein, der Colbert zu einem noch größeren Symbol des Widerstands macht. Doch der Schaden für die Medienlandschaft ist bereits angerichtet.

Das Ende der „Late Show“ ist somit ein Menetekel. Es zeigt, wie verletzlich die Freiheit des Wortes ist, wenn mächtige unternehmerische Interessen auf eine Regierung treffen, die Kritik nicht als legitimen Teil der Demokratie, sondern als Akt der Illoyalität betrachtet. Es bleibt die beunruhigende Frage: Wenn selbst der quotenstärkste und witzigste Hofnarr des Landes aus dem Thronsaal eskortiert wird – wer traut sich dann noch, dem Kaiser die Wahrheit zu sagen?

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