Das Krypto-Präsidium: Wie die Familie Trump das Weiße Haus in eine private Gewinnmaschine verwandelt

Illustration: KI-generiert

Es gab eine Zeit, da maß sich der Reichtum der Trumps in Stockwerken. Der Name stand für glitzernde Türme aus Stahl, Glas und Beton, für Golfplätze, die sich wie grüne Teppiche über das Land legten, für ein Imperium, das man anfassen konnte. Dieses Bild beginnt zu verblassen. An seine Stelle tritt etwas Neues, etwas Flüchtiges, Unsichtbares, das in den digitalen Adern des Internets pulsiert: Kryptowährungen. Während Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit im Weißen Haus regiert, vollzieht seine Familie eine der radikalsten geschäftlichen Neuausrichtungen der jüngeren amerikanischen Geschichte. Sie tauschen Beton gegen Code, Grundbücher gegen Blockchains.

Doch dies ist keine gewöhnliche unternehmerische Wette auf eine neue Technologie. Es ist viel mehr. Was wir beobachten, ist die methodische Verschmelzung von politischer Macht und privatem Profit in einem Ausmaß, das die traditionellen Grenzen der Ethik nicht nur dehnt, sondern pulverisiert. Die Trump-Dynastie baut kein gewöhnliches Krypto-Geschäft auf; sie errichtet ein ausgeklügeltes System, das die Hebel des Präsidentenamtes nutzt, um ein regulatorisches Klima zu schaffen, in dem die eigenen Firmen gedeihen können. Es ist eine Operation, die so offen und gleichzeitig so komplex ist, dass sie eine fundamentale Frage an die amerikanische Demokratie stellt: Was passiert, wenn die Grenze zwischen dem, was dem Land dient, und dem, was der eigenen Familie nützt, nicht nur verschwimmt, sondern bewusst ausgelöscht wird?

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Vom Beton zum Code: Die Geburt eines neuen Imperiums

Der strategische Schwenk der Familie ist umfassend. Das Flaggschiff dieser neuen Ära ist World Liberty Financial ($WLFI), ein ambitioniertes Projekt, das von Trumps Söhnen, einschließlich des jungen Barron, mitgegründet wurde. Es ist weit mehr als nur ein weiterer spekulativer Token. Das Unternehmen bietet auch einen an den Dollar gekoppelten Stablecoin an und versucht, sich als seriöser Akteur in einer oft chaotischen Branche zu positionieren. Parallel dazu etablierte sich American Bitcoin, ein von Eric und Donald Jr. mitgetragenes Mining-Unternehmen, das kürzlich seinen Einstand an der Nasdaq-Börse feierte. Ergänzt wird dieses Portfolio durch frühere, wildere Projekte wie die berühmten NFT-Sammelkarten und den reinen Spekulations-Coin $TRUMP, der den Präsidenten auf dem Papier über Nacht zum Krypto-Milliardär machte.

Zusammengenommen bilden diese Unternehmungen ein Ökosystem, das strategisch darauf ausgelegt ist, von jedem Aspekt des Krypto-Hypes zu profitieren – von der seriösen Finanzinfrastruktur bis hin zum viralen Meme. Der Wert dieser digitalen Besitztümer hat die traditionellen Immobilien des Clans bereits in den Schatten gestellt und wird auf mehrere Milliarden Dollar geschätzt. Eric Trumps Auftritte auf internationalen Krypto-Konferenzen, etwa in Hongkong, sind keine bloßen PR-Termine, sondern strategische Manöver, um das Imperium global zu verankern und neue Märkte zu erschließen. Er agiert dort nicht nur als Unternehmer, sondern auch als inoffizieller Botschafter einer krypto-freundlichen US-Regierung – eine Vermischung der Rollen, die für Außenstehende kaum noch zu trennen ist.

Das System WLFI: Ein Sicherheitsnetz aus Gold

Die wahre Genialität – oder Dreistigkeit – des Systems zeigt sich jedoch nicht im Hype, sondern in den stillen, unscheinbaren Strukturen, die im Hintergrund arbeiten. Der Börsengang des $WLFI-Tokens Anfang September war dafür ein Lehrstück. Nach einem kurzen anfänglichen Preisanstieg fiel der Kurs und enttäuschte viele Kleinanleger. Normalerweise wäre dies ein Rückschlag. Nicht so für die Trumps. Denn lange vor dem Start hatten sie einen Mechanismus implementiert, der ihnen einen Gewinn garantierte, fast unabhängig vom Marktgeschehen.

Dieser Mechanismus trägt den Namen Alt5 Sigma Corporation, eine bis dahin relativ unbekannte, an der Nasdaq gehandelte Technologiefirma. Kurz vor dem Token-Launch wurde die Führung von Alt5 mit Vertrauten der Trumps neu besetzt: Zach Witkoff, Mitgründer von World Liberty Financial, wurde Vorstandsvorsitzender, und Eric Trump zog in den Aufsichtsrat ein. Fast zeitgleich kündigte Alt5 an, 1,5 Milliarden Dollar aufzuwenden, um nach dem Handelsstart massiv $WLFI-Token zu kaufen.

Man muss kein Finanzexperte sein, um zu verstehen, was hier geschah: Man schafft sich quasi seinen eigenen, finanzstarken Käufer, der per Vertrag verpflichtet ist, zum Startschuss zur Stelle zu sein. Während die 35.000 ursprünglichen Kleinanleger, die rund 550 Millionen Dollar investiert hatten, auf einen steigenden Kurs hoffen mussten, hatten die Trumps durch diesen Insider-Deal einen riesigen Teilverkauf bereits abgesichert. Ein eingebautes Sicherheitsnetz, das den Gründern einen Gewinn in Höhe von Hunderten Millionen Dollar sicherte, während der freie Markt seinen launischen Gesetzen folgte. Diese personelle und finanzielle Verflechtung ist so eng, dass sie unter jeder anderen Regierung vermutlich sofort die Börsenaufsicht SEC auf den Plan gerufen hätte.

Politik als Geschäftsmodell: Die Gesetze des Präsidenten

Doch die cleveren Firmenstrukturen sind nur die eine Hälfte der Gleichung. Die andere, weitaus beunruhigendere Hälfte ist die aktive politische Flankierung durch den Präsidenten selbst. Die Trump-Regierung hat in den letzten Monaten ein regulatorisches Umfeld geschaffen, das so perfekt auf die Geschäftsmodelle seiner Familie zugeschnitten ist, dass der Gedanke an einen Zufall absurd erscheint.

Ein zentrales Beispiel ist der sogenannte „GENIUS Act“, ein Gesetz, das einen klaren rechtlichen Rahmen für Stablecoins schafft – genau jene Art von digitaler Währung, die World Liberty Financial anbietet. Dieses Gesetz war ein gewaltiger Sieg für die Krypto-Lobby und verlieh einem zuvor unregulierten Bereich quasi über Nacht föderale Legitimität. Ein anderes Beispiel ist eine Executive Order des Präsidenten, die dem Arbeitsministerium aufträgt, die Richtlinien für die Aufnahme von Krypto-Assets in die milliardenschweren 401(k)-Altersvorsorgepläne zu lockern. Es ist ein Kreislauf, der sich selbst befeuert: Der Präsident erlässt eine Verordnung, die den Markt für alternative Anlagen öffnet, und wie durch ein Wunder stehen die Unternehmen seiner Söhne bereit, genau diese Nische zu füllen.

Hinzu kommt die Personalpolitik. Donald Trump hat einen als krypto-freundlich bekannten Anwalt an die Spitze der SEC berufen, jener Behörde, die eigentlich Interessenkonflikte wie den zwischen World Liberty und Alt5 untersuchen müsste. Kritiker sehen darin den Versuch, den Wachhund der Finanzmärkte an die Kette zu legen. Die Verteidigungslinie des Weißen Hauses ist stets dieselbe: Man wehrt sich gegen die „fabrizierten“ Vorwürfe der Medien und betont, die Familie habe niemals Interessenkonflikte zugelassen und werde dies auch nie tun.

Der Anstrich der Seriosität: Wie man einen Hype salonfähig macht

Vielleicht ist das Bemerkenswerteste an der neuen Krypto-Strategie der Trumps, wie sehr sie sich um einen Anstrich der Seriosität bemüht. Die Zeiten der schrillen, ironischen NFT-Karten, die den Präsidenten als Superhelden zeigten, sind vorbei. Der neue Ansatz ist leiser, professioneller und damit ungleich gefährlicher. Eric Trump tritt bei CNBC auf und spricht in der geschliffenen Sprache eines C-Suite-Executives über den Börsengang von American Bitcoin. Die Listung an der Nasdaq, einer kontrollierten und etablierten Börse, soll signalisieren: Dies ist kein flüchtiger Hype, sondern ein solides, echtes Unternehmen.

Diese „Veneer of Legitimacy“, dieser Anstrich von Legitimität, dient dazu, die Geschäfte aus der spekulativen Schmuddelecke herauszuholen und sie für ein breiteres, konservativeres Anlegerpublikum attraktiv zu machen. Es ist der Versuch, die Grenze zwischen einem Meme-Coin und einem ernsthaften Investment zu verwischen. So können selbst skeptische Investoren, die über den $TRUMP-Coin die Nase rümpften, nun auf die Nasdaq-gelistete American Bitcoin oder den regulierungsfreundlichen Stablecoin von World Liberty verweisen und sagen: Seht her, das ist ein richtiges Geschäft.

Freiheit, die wir meinen: Wenn das System die Kontrolle übernimmt

Doch hinter der Fassade der Seriosität und dem ständigen Gerede von finanzieller Freiheit und Dezentralisierung lauert eine ganz andere Realität: die der zentralisierten Kontrolle. Nichts hat dies deutlicher gezeigt als der Konflikt mit Justin Sun, einem chinesischen Krypto-Milliardär und einem der größten Einzelinvestoren in World Liberty Financial. Als nach dem enttäuschenden Börsenstart Gerüchte aufkamen, Sun könnte seine Token verkaufen, wurden seine Bestände kurzerhand ‚eingefroren‘.

Dieser Akt war ein Schock für viele in der Krypto-Szene. Ausgerechnet ein Unternehmen, das mit dem Versprechen grenzenloser finanzieller Freiheit wirbt, greift zum härtesten Instrument der zentralisierten Kontrolle: dem Entzug der Verfügungsgewalt über das eigene Vermögen. Der Vorfall entlarvte das Freiheits-Narrativ als das, was es in diesem Kontext oft ist: ein Marketinginstrument. Die Episode zeigte, dass die Gründer und Betreiber des Systems jederzeit die Macht haben, die Regeln zu ändern und unliebsame Akteure auszuschalten. Die Freiheit der Anleger endet dort, wo die Geschäftsinteressen der Trumps beginnen.

Ein Riss im Fundament der Demokratie

Was bleibt, ist das Bild eines beispiellosen Vorgangs. Der ehemalige SEC-Anwalt John Reed Stark merkt an, das Verblüffendste sei die schamlose Offenheit, mit der die Trumps vorgingen. Früher hätte man solche Verflechtungen versteckt; heute werden sie wie ein Ehrenabzeichen gefeiert. Donald Trump Jr. bewirbt den $WLFI-Token auf Social Media mit dem Slogan „Freedom + finance + America FIRST“ und verklärt ein privates Geschäftsprojekt zu einem patriotischen Akt.

Diese offene Kommerzialisierung des Präsidentenamtes stellt einen tiefen Bruch mit allen ungeschriebenen Gesetzen und historischen Normen dar, die das Geschäftsgebaren von Präsidentenfamilien bisher regelten. Sie schafft einen gefährlichen Präzedenzfall und sendet ein verheerendes Signal: dass das höchste Amt im Staat nicht nur eine Plattform für politische Führung, sondern auch das ultimative Werkzeug zur persönlichen Bereicherung ist.

Die Strategie mag kurzfristig scheitern, wenn die spekulativen Blasen platzen oder ein zukünftiger, unabhängigerer SEC-Chef doch noch Ermittlungen einleitet. Aber der eigentliche Schaden ist bereits angerichtet. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit politischer Entscheidungen und die Integrität öffentlicher Ämter hat einen weiteren tiefen Riss erhalten. Und es bleibt die beunruhigende Frage, welche institutionellen Maßnahmen eine moderne Demokratie überhaupt noch ergreifen kann, um einen solchen systemischen Interessenkonflikt in Zukunft zu verhindern, wenn die Akteure an der Spitze selbst kein Interesse mehr daran haben, die alten Regeln zu respektieren.

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