
Der Supreme Court ist das höchste Gericht in den Vereinigten Staaten von Amerika, also den USA. Die neun Richterinnen und Richter, die dort arbeiten, sind sich oft nicht einig. Viele Entscheidungen werden knapp mit 5 zu 4 Stimmen getroffen. Doch nun hat der Supreme Court eine Entscheidung gefällt, bei der sich alle neun Richterinnen und Richter einig waren. Das ist eine große Besonderheit.
Der Fall handelte von einer Frau, die sich bei ihrer Arbeit ungerecht behandelt fühlte. Sie sagte, sie wurde diskriminiert. Diskriminierung bedeutet, dass eine Person wegen eines persönlichen Merkmals benachteiligt wird, zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Orientierung.
Das Gericht hat entschieden: Die Regeln, um eine Diskriminierung bei der Arbeit zu beweisen, müssen für alle Menschen genau gleich sein. Es darf keine Rolle spielen, ob eine Person zu einer Gruppe gehört, die in der Gesellschaft eine Mehrheit ist, oder zu einer Gruppe, die eine Minderheit ist.
Diese Entscheidung klingt vielleicht nur wie eine kleine technische Änderung. Aber sie ist sehr wichtig und hat große Folgen. Sie entfacht eine große Debatte über Gleichheit und Gerechtigkeit in den USA neu.

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Der Fall von Marlean Ames: Worum ging es?
Die Frau, um die es in dem Fall ging, heißt Marlean Ames. Sie ist eine weiße, heterosexuelle Frau. Heterosexuell bedeutet, dass sie sich zu Männern hingezogen fühlt. Sie hat viele Jahre lang für ein Jugend-Amt im Bundes-Staat Ohio gearbeitet.
Im Jahr 2019 wollte Frau Ames eine bessere Position in ihrer Arbeit haben. Man nennt das eine Beförderung. Aber sie hat die Stelle nicht bekommen. Stattdessen bekam eine Kollegin die Stelle, die lesbisch ist. Frau Ames fand das ungerecht. Sie glaubte, dass sie besser für die Stelle qualifiziert war. Kurz darauf verlor sie eine zweite Chance auf eine Beförderung an einen jungen, homosexuellen Mann.
Am Ende wurde Frau Ames sogar gesagt, sie solle ihre Position aufgeben und eine schlechtere Stelle mit viel weniger Gehalt annehmen. Sonst würde sie ihren Job ganz verlieren. Frau Ames hat daraufhin geklagt. Sie sagte, sie wurde wegen ihrer sexuellen Orientierung als heterosexuelle Frau diskriminiert.
Ihre Klage wurde aber von den ersten Gerichten abgewiesen. Der Grund dafür war eine besondere rechtliche Regel, die in einigen Teilen der USA galt. Diese Regel besagte: Wenn eine Person aus einer „Mehrheits-Gruppe“ wegen Diskriminierung klagt, dann hat sie es schwerer vor Gericht. Sie muss eine extra Hürde überwinden. Sie muss besondere Umstände nachweisen, die belegen, dass ihr Arbeitgeber gezielt die Mehrheit benachteiligt. Das konnte Frau Ames nicht beweisen. Deshalb wurde ihr Fall nicht einmal richtig inhaltlich geprüft.
Warum sich alle Richterinnen und Richter einig waren
Der Supreme Court musste nun die wichtige Frage entscheiden: Ist diese ungleiche Regel mit den unterschiedlichen Hürden fair? Alle neun Richterinnen und Richter sagten einstimmig: Nein, die Regel ist nicht fair und nicht richtig.
Die Begründung für das Urteil wurde von der liberalen Richterin Ketanji Brown Jackson geschrieben. Sie stützte sich auf ein sehr wichtiges Gesetz aus dem Jahr 1964, den „Civil Rights Act“. Dieses Gesetz verbietet die Diskriminierung bei der Arbeit. Richterin Jackson erklärte: In dem Gesetz steht, dass jedes „Individuum“, also jede einzelne Person, geschützt ist. Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen Menschen aus Mehrheits-Gruppen oder Minderheits-Gruppen. Deshalb dürfen die Gerichte nicht einfach selbst besondere Hürden für bestimmte Gruppen erfinden.
Die Rechtslage war so klar, dass während der Verhandlung sogar die Anwälte beider Seiten zustimmten. Selbst der Anwalt des Staates Ohio, der eigentlich die alte Regel verteidigen sollte, gab zu, dass sie falsch ist.
Interessant war auch, wer Frau Ames bei ihrer Klage alles unterstützt hat. Es war eine ungewöhnliche Mischung. Auf der einen Seite eine konservative Organisation, die oft gegen die Förderung von Minderheiten ist. Auf der anderen Seite aber auch die Regierung des demokratischen Präsidenten Joe Biden. Das zeigt, dass es in diesem Fall um ein sehr wichtiges Grund-Prinzip ging, das beide politischen Lager für sich beanspruchen: Gleiches Recht für alle.
Die Folgen des Urteils: Ein Streit über Gleichheit
Obwohl sich alle beim Urteil einig waren, sind die Folgen sehr umstritten. Die Entscheidung hat große Auswirkungen auf eine hitzige Debatte über sogenannte DEI-Programme. DEI ist eine Abkürzung und steht für Vielfalt, Gerechtigkeit und Einbeziehung („Diversity, Equity, and Inclusion“). Viele Firmen und Behörden in den USA haben solche Programme. Sie sollen dabei helfen, Menschen aus Minderheiten gezielt zu fördern, zum Beispiel bei der Einstellung oder bei Beförderungen.
Kritikerinnen und Kritiker von diesen DEI-Programmen freuen sich sehr über das neue Urteil. Sie sagen: Jede gezielte Förderung einer bestimmten Gruppe ist automatisch eine Benachteiligung einer anderen Gruppe. Das Urteil stärkt ihre Position. Für sie ist es jetzt einfacher zu klagen und zu sagen, dass sie „umgekehrt diskriminiert“ werden.
Befürworterinnen und Befürworter von DEI-Programmen machen sich hingegen große Sorgen. Sie sagen: Bestimmte Gruppen, zum Beispiel Schwarze Menschen oder andere Minderheiten, wurden in der Geschichte der USA systematisch unterdrückt und benachteiligt. Deshalb brauchen sie heute eine besondere Förderung, um überhaupt echte Gleichheit und Chancengerechtigkeit zu erreichen. Sie haben Angst, dass das neue Urteil als eine Waffe benutzt wird, um all diese wichtigen Förder-Programme wieder abzuschaffen.
Wer ist überhaupt „Mehrheit“ oder „Minderheit“?
Der schwarze und sehr konservative Richter Clarence Thomas hat in einer zusätzlichen Stellungnahme eine noch grundlegendere Frage aufgeworfen. Er fragt: Ist es überhaupt sinnvoll und richtig, Menschen in feste Gruppen wie „Mehrheit“ oder „Minderheit“ einzuteilen?
Er benutzte einfache Beispiele, um zu zeigen, wie schwierig und ungenau diese Einteilung ist:
- Frauen sind in der Gesamt-Bevölkerung der USA eine Mehrheit. Aber in manchen Berufen, zum Beispiel auf dem Bau, sind sie eine klare Minderheit. In Pflege-Berufen sind sie wiederum die Mehrheit.
- Schwarze Menschen sind in der Stadt Detroit die Mehrheit der Bevölkerung. Aber im ganzen Bundes-Staat Michigan oder in den gesamten USA sind sie eine Minderheit.
Richter Thomas sagt, diese Kategorien sind ungenau und passen oft nicht zur Wirklichkeit. Er stellt auch die Annahme infrage, dass nur Minderheiten von Diskriminierung betroffen sind. Er behauptet: Wegen der vielen DEI-Programme seien viele Arbeitgeber heute geradezu „besessen“ davon, gezielt Menschen aus Mehrheits-Gruppen zu benachteiligen, um ihre Quoten für Vielfalt zu erfüllen. Mit dieser provokanten Aussage stellt er die ganze Idee infrage, dass Minderheiten einen besonderen Schutz vor Diskriminierung brauchen.
Das einstimmige Urteil des Supreme Court hat also für Klarheit gesorgt: Die Regeln vor Gericht sind jetzt für alle gleich. Gleichzeitig hat es aber einer politischen Bewegung, die gegen die Förderung von Minderheiten ist, ein starkes Werkzeug gegeben. Der Streit darüber, was „Gleiches Recht für alle“ in der Realität wirklich bedeutet, ist dadurch nur noch heftiger geworden.
Info aus ‚Politik Leicht Gemacht‘: Dieser Beitrag ist in Einfacher Sprache verfasst. Das bedeutet: Kürzere Sätze und einfache Wörter helfen beim Verstehen. Den ausführlichen Original-Artikel in Standard-Sprache finden Sie hier: https://letterkasten.de/gleiches-recht-fuer-alle-wie-ein-einstimmiges-urteil-des-supreme-court-die-debatte-um-diskriminierung-neu-entfacht/