
Ein neues Enthüllungsbuch über Joe Bidens letzte Amtszeit zeichnet das Bild eines Präsidenten im rapiden Verfall – und eines Systems, das diesen Zustand um jeden Preis zu kaschieren suchte. Die Folgen dieser „Erbsünde“, wie die Autoren es nennen, reichen weit über persönliche Tragödien hinaus und werfen ein grelles Licht auf die Mechanismen der Macht, die Verantwortung der Medien und die Zerbrechlichkeit des Vertrauens in politische Führung.
Die politische Landschaft der USA ist im Mai 2025 erneut Schauplatz einer brisanten Enthüllung, die das Vermächtnis des ehemaligen Präsidenten Joe Biden nachhaltig zu überschatten droht. Das in Kürze erscheinende Buch „Original Sin: President Biden’s Decline, Its Cover-Up, and His Disastrous Choice to Run Again“ (deutscher Titel: „Hybris – Verfall, Vertuschung und Joe Bidens verhängnisvolle Entscheidung“) der renommierten Journalisten Jake Tapper (CNN) und Alex Thompson (Axios) ist mehr als nur eine weitere politische Biografie. Es ist eine Anklageschrift, die auf über 200 Interviews mit Insidern aus Bidens engstem Umfeld und der Demokratischen Partei fußt. Die zentrale These: Bidens kognitiver und physischer Verfall während seiner Amtszeit war gravierender als öffentlich bekannt, und ein entschlossener Kreis von Beratern und Familienmitgliedern unternahm systematische Anstrengungen, diesen Zustand zu verschleiern – mit fatalen Konsequenzen für die Demokratische Partei und das Land.
Die Mauer des Schweigens: Wie Bidens Umfeld den Verfall kaschierte
Die Schilderungen im Buch zeichnen ein düsteres Bild. Es ist die Rede von einem Präsidenten, dessen Energie, kognitive Fähigkeiten und Kommunikationsvermögen signifikant nachließen. Konkrete Vorfälle sollen diese Entwicklung belegen: Ein besonders verstörendes Beispiel ist eine Begegnung mit dem Hollywoodstar und langjährigen Freund George Clooney im Juni 2024. Biden soll den Schauspieler bei einer von Clooney organisierten Spendenveranstaltung nicht erkannt haben; ein Assistent musste ihm Clooneys Namen mehrfach zuflüstern. Clooney, so berichten die Autoren, sei „bis ins Mark erschüttert“ gewesen.

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Doch es blieb nicht bei vereinzelten Aussetzern. Berater diskutierten laut dem Buch, ob man Biden nach einer möglichen Wiederwahl zur Nutzung eines Rollstuhls überreden müsse, nachdem er bereits 2023 öffentlichkeitswirksam gestürzt war und sein Gang zusehends unsicherer wurde. Um solche Bilder im Wahlkampf gegen Donald Trump zu vermeiden, wurden demnach penible Vorkehrungen getroffen: kurze Wege bei öffentlichen Auftritten, eine ständige Entourage, die ihn stützte, und eine sorgfältige Inszenierung, die selbst das Filmen in Zeitlupe umfasste, um sein langsames Gehen zu kaschieren. Die Arbeitszeiten des Präsidenten wurden offenbar auf ein Kernfenster zwischen 10 und 16 Uhr reduziert, Reden gekürzt, um ihn nicht zu überfordern. Diese Strategie der Abschirmung und des „Stage Managements“ wirft tiefgreifende ethische Fragen auf: Inwieweit darf das Bild eines Präsidenten von der Realität entkoppelt werden, insbesondere wenn es um die Fähigkeit geht, das mächtigste Amt der Welt auszuüben? Und welche Verantwortung trägt ein Umfeld, das einen solchen Zustand nicht nur duldet, sondern aktiv vertuscht?
Die „Erbsünde“: Bidens fatale Entscheidung zur erneuten Kandidatur
Die Autoren Tapper und Thompson bezeichnen Bidens Entschluss, trotz dieser offensichtlichen Anzeichen für einen gesundheitlichen Abbau erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren, als die „Erbsünde“ der Wahl 2024. Diese Entscheidung, so die Darstellung, wurde maßgeblich von einem unerschütterlichen Glauben an die eigene Unverzichtbarkeit und der Unterstützung seines engsten Kreises, einschließlich seiner Familie und einer als „Politbüro“ bezeichneten Gruppe von Top-Beratern, getragen. Dieser Kreis soll, so legt es das Buch nahe, jeden Zweifel an Bidens Fitness als Verrat oder als Munition für den politischen Gegner abgetan haben. Skeptiker innerhalb der Partei oder besorgte Spender, die sich nach dem tatsächlichen Zustand des Präsidenten erkundigten, seien im Dunkeln gelassen oder beschwichtigt worden.
Diese Haltung, die Warnsignale ignorierte oder herunterspielte, wird in den Texten als eine Mischung aus Hybris, Realitätsverweigerung und einem fehlgeleiteten Glauben an Bidens Fähigkeit, frühere politische Wunder zu wiederholen, interpretiert. Die Angst vor einem zweiten Trump-Term, so paradox es klingen mag, soll dabei eher zur Realitätsflucht als zur ehrlichen Auseinandersetzung mit Bidens Zustand beigetragen haben. Ein prominenter demokratischer Stratege wird mit der harschen Anklage zitiert, Biden habe der Partei und dem amerikanischen Volk eine Wahl „gestohlen“.
Politischer Scherbenhaufen und das späte Mea Culpa der Medien
Der politische Preis dieser Entwicklung war hoch. Nachdem Biden bei der ersten Präsidentschaftsdebatte gegen Trump im Juni 2024 einen desaströsen Eindruck hinterlassen hatte und der öffentliche Druck, auch durch Persönlichkeiten wie George Clooney, der in einem Artikel für die „New York Times“ Bidens Rückzug forderte, unübersehbar wurde, zog sich Biden schließlich am 21. Juli 2024 aus dem Rennen zurück. Für seine Vizepräsidentin Kamala Harris, die nun ins kalte Wasser geworfen wurde, blieben nur knapp über 100 Tage, um einen Wahlkampf aufzubauen und das Ruder herumzureißen – eine Zeitspanne, die von vielen, wie dem ehemaligen Wahlkampfmanager von Barack Obama, David Plouffe, als viel zu kurz angesehen wird. Plouffe wird mit den Worten zitiert, die Partei sei von Biden „dermaßen verarscht“ worden. Die Niederlage von Harris wird somit auch als direkte Folge des späten Rückzugs Bidens interpretiert.
Interessanterweise thematisieren die Berichte auch eine mögliche Mitverantwortung der Medien. Alex Thompson, einer der Autoren des Buches, äußerte bei einem Treffen der „White House Correspondents‘ Association“ Ende April 2025 Selbstkritik. Man müsse sich eingestehen, so Thompson, dass den Medien, ihn eingeschlossen, vieles an dieser Geschichte entgangen sei. Dieses Eingeständnis von Fehlern sei notwendig, um das schwindende Vertrauen in die Medien wiederherzustellen. Die Zurückhaltung, Bidens Gesundheitszustand offensiver zu thematisieren – möglicherweise aus Sorge, Trump in die Hände zu spielen – erscheint im Nachhinein als problematischer blinder Fleck.
Biden selbst hat die Vorwürfe eines kognitiven Abbaus stets bestritten und auch kürzlich Berichte über eine drastische Verschlechterung seines Zustands als falsch und unbegründet zurückgewiesen. Er soll sogar nach der Wahlniederlage 2024 noch geglaubt haben, er hätte gewonnen, wenn er im Rennen geblieben wäre – eine Einschätzung, für die es laut seinen eigenen Wahlstrategen keine Grundlage in den Umfragen gab. Diese Dementis wirken angesichts der Fülle an gegenteiligen Behauptungen in „Original Sin“ wenig überzeugend und verstärken das Bild eines Präsidenten, der den Bezug zur Realität seiner eigenen Verfassung verloren haben könnte.
Die langfristigen Auswirkungen dieser Episode sind noch nicht abzusehen, doch sie dürften das Vertrauen in politische Führungspersonen und die Institution des Präsidentenamtes weiter erodieren. Die Enthüllungen werfen ein Schlaglicht auf die immense Verantwortung, die auf den Schultern eines Präsidenten und seines engsten Kreises lastet – und auf die potenziell verheerenden Folgen, wenn diese Verantwortung einer Mischung aus persönlicher Ambition, falsch verstandener Loyalität und einer Kultur der Intransparenz geopfert wird. In einer Demokratie, die ohnehin durch Polarisierung und Desinformation unter Druck steht, ist die Geschichte von Joe Bidens Verfall und dessen Vertuschung eine bittere Lektion und ein dringender Weckruf.