Angriff auf den Währungshüter: Wie Donald Trump die Unabhängigkeit der US-Notenbank demontiert

Illustration: KI-generiert

Ein Bauprojekt als politische Waffe, ein Präsident als Ankläger und ein Notenbankchef, der sich weigert, die Knie zu beugen. Der erbitterte Konflikt zwischen US-Präsident Donald Trump und Jerome Powell ist weit mehr als ein persönliches Zerwürfnis. Er ist ein Angriff auf das Fundament der amerikanischen Wirtschaftsordnung und legt eine Weltsicht offen, in der unabhängige Institutionen nur als Hindernisse auf dem Weg zur absoluten Macht gelten.

Es gibt Momente, in denen sich das große politische Drama in einer einzigen, fast surrealen Szene verdichtet. Ein solcher Moment fand inmitten von Staub, Lärm und nackten Betonwänden statt, im Herzen der amerikanischen Finanzmacht. Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten, betrat mit einem Tross aus Beratern und Fernsehkameras das im Umbau befindliche Hauptquartier der US-Notenbank (Fed). Er trug, wie der Gastgeber, Fed-Chef Jerome Powell, einen weißen Bauhelm, doch diese modische Gemeinsamkeit täuschte über die tiefen Gräben hinweg. Dies war kein freundlicher Arbeitsbesuch. Es war eine Inszenierung, ein gezielter Akt der Demütigung. Trump war nicht gekommen, um sich über Baufortschritte zu informieren; er war gekommen, um einen Richterspruch zu fällen, live und zur besten Sendezeit.

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Der vordergründige Anklagepunkt: die angeblich explodierenden Kosten für die Renovierung des ehrwürdigen Gebäudes. Doch wer an diesem Tag genau hinsah, erkannte, dass es um weit mehr ging als um Baumaterial und Budgetüberschreitungen. Es ging um die Zähmung einer Institution, die sich Trumps Willen widersetzte. Es ging um die Durchsetzung einer politischen Agenda, die kurzfristigen Applaus über langfristige Stabilität stellt. Und es ging um die Frage, ob das wirtschaftliche Nervensystem der westlichen Welt von unabhängigen Experten gesteuert wird oder von den Launen eines Präsidenten. Der Streit um das Fed-Gebäude ist somit nur ein Symptom, der sichtbare Ausdruck eines fundamentalen Konflikts: des Angriffs auf die Unabhängigkeit einer der wichtigsten Institutionen der Demokratie.

Die Anatomie einer Kampagne: Von Sticheleien zu offenen Drohungen

Trumps Feldzug gegen Jerome Powell, den Mann, den er 2017 selbst an die Spitze der Fed nominiert hatte, folgte einer ebenso simplen wie brutalen Dramaturgie. Die Angriffe begannen nicht erst mit dem Streit um die Renovierung. Sie waren von Anfang an ein fester Bestandteil seiner Präsidentschaft, doch ihre Intensität und ihr Charakter wandelten sich dramatisch. Während seiner ersten Amtszeit waren es oft noch Sticheleien, durchmischt mit gelegentlichem Lob. Trump äußerte sein Missfallen über Zinserhöhungen, verglich Powell mit einem Golfer ohne Ballgefühl und bezeichnete die Fed als die „größte Bedrohung“ für seine Wirtschaftspolitik. Doch selbst in diesen Momenten schien noch ein Rest von Respekt vor der institutionellen Autonomie durch.

In seiner zweiten Amtszeit jedoch fiel jede Zurückhaltung weg. Die Kritik mutierte zu einer unerbittlichen, persönlichen und zunehmend aggressiven Kampagne. Die Zahl der Attacken explodierte förmlich, mit Dutzenden verbalen Angriffen allein in wenigen Monaten des Jahres 2025. Powell war nun nicht mehr nur ein ungeschickter Golfer, sondern ein „Idiot“ , ein „Schwachkopf“ und ein „Desaster“. Trump forderte offen dessen Rücktritt und machte unmissverständlich klar, dass er Powell am liebsten entlassen würde. Einem Reporter sagte er, ein Gespräch mit Powell sei, als würde man mit einem „Nichts“ oder einem „Stuhl“ reden – „keine Persönlichkeit, keine hohe Intelligenz, nichts“. Diese Eskalation war kein Zufall, sondern Teil einer gezielten Strategie, die auf Zermürbung und öffentliche Diskreditierung abzielte.

Die parteipolitische Logik der Geldpolitik

Hinter dieser Rhetorik verbirgt sich eine bemerkenswert konsistente, wenn auch ökonomisch fragwürdige Philosophie. Trumps Haltung zur Geldpolitik war nie von wirtschaftlichen Daten oder langfristigen Stabilitätsüberlegungen geprägt, sondern folgte stets einer simplen parteipolitischen Logik. Regiert ein Demokrat im Weißen Haus, sind die Zinsen in Trumps Weltbild gefährlich niedrig und schaffen eine „falsche Wirtschaft“. So beklagte er während der Obama-Jahre, die US-Notenbank würde mit ihrer Niedrigzinspolitik die Saat für zukünftige Krisen legen.

Sobald jedoch ein Republikaner – er selbst – an der Macht war, verkehrte sich diese Haltung ins exakte Gegenteil. Plötzlich waren die Zinsen viel zu hoch und bremsten eine Wirtschaft, die wie eine „Rakete“ abheben könnte. Diese rein politische Sichtweise entlarvt Trumps eigentliches Verständnis von der Rolle der Fed: Sie soll kein unabhängiger Währungshüter sein, dessen Aufgabe es ist, Inflation und Arbeitslosigkeit im Gleichgewicht zu halten. Stattdessen sieht er sie als ein Instrument, das der amtierenden Regierung zu dienen hat – idealerweise, indem sie die Wirtschaft unter republikanischer Führung mit billigem Geld befeuert und den Schmerz höherer Arbeitslosigkeit auf demokratische Administrationen abwälzt. Seine Überzeugung wurzelt in dem tiefen Misstrauen, dass Institutionen wie die Fed oder auch das Justizministerium niemals wirklich unpolitisch agieren, sondern ihre angebliche Unabhängigkeit nur als Fassade für parteipolitische Manöver nutzen.

Der Bauhelm als Waffe: Ein Skandal als Vorwand

In diesem Kampf um die Kontrolle über die Geldpolitik wurde das Renovierungsprojekt der Fed zu Trumps liebster Waffe. Die Kosten, die von ursprünglich veranschlagten 1,9 Milliarden auf 2,5 Milliarden Dollar gestiegen waren, boten die perfekte Munition für eine öffentliche Anklage. Trump und seine Verbündeten zeichneten das Bild einer verschwenderischen, abgehobenen Bürokratie, die sich auf Kosten der Steuerzahler einen Luxuspalast gönnt. Von „VIP-Speisesälen“, „privaten Aufzügen“, „Dachterrassengärten“ und edlem Marmor war die Rede – Vorwürfe, die in der Öffentlichkeit verfangen sollten.

Die Federal Reserve reagierte auf diese Angriffe mit einer für eine Zentralbank ungewöhnlichen Transparenzoffensive. Sie öffnete ihre Baustelle für Journalisten , veröffentlichte detaillierte Informationen auf ihrer Website und ließ ihren Chef die Vorwürfe Punkt für Punkt demontieren. Powell stellte klar, dass viele der angeblichen Luxuselemente entweder nie geplant waren oder bereits aus den Plänen gestrichen wurden, um Kosten zu sparen. Den Marmor an der Fassade etwa habe nicht die Fed, sondern eine Planungskommission gefordert, in der auch von Trump ernannte Mitglieder saßen, um ein einheitliches historisches Erscheinungsbild zu wahren. Die Kostensteigerungen, so die Fed, seien auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen, die außerhalb ihrer Kontrolle lagen: die hohe Inflation bei Baumaterialien und Arbeit während der Pandemie , höhere Ausgaben für Sicherheitstechnik wie sprengstoffsichere Fenster , unvorhergesehene Altlasten wie Asbest und Bodenkontaminationen sowie die komplexe Notwendigkeit, aufgrund der Bauvorschriften in Washington unterirdisch zu bauen, da das Gelände einst Sumpfland war.

Doch die Fakten spielten in Trumps Kalkül nur eine untergeordnete Rolle. Der „Skandal“ war nicht die Ursache, sondern das Mittel zum Zweck. Da ein Präsident einen Fed-Vorsitzenden nicht einfach wegen politischer Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Zinskurs entlassen kann , benötigt er einen triftigen Grund – „for cause“. Der Vorwurf der Misswirtschaft und Verschwendung bei einem milliardenschweren Bauprojekt sollte genau diesen Grund liefern und eine rechtlich angreifbare Entlassung Powells ermöglichen. Trump selbst deutete dies mehrfach an und erklärte auf die Frage, ob die Renovierungskosten ein Kündigungsgrund seien: „Ich denke, das ist es irgendwie“.

Showdown auf der Baustelle: Ein Notenbankchef schlägt zurück

Die gezielte Eskalation mündete in jener denkwürdigen Konfrontation auf der Baustelle. In einem Akt politischen Theaters stellte Trump Powell vor laufenden Kameras zur Rede. Er zog einen Zettel aus seiner Jackentasche und behauptete, die Kosten seien inzwischen auf 3,1 Milliarden Dollar explodiert. Es war ein Moment, der Powell in die Defensive drängen und als inkompetent entlarven sollte. Doch der Fed-Chef spielte die ihm zugedachte Rolle nicht. Statt klein beizugeben, schüttelte er den Kopf, schloss kurz die Augen und korrigierte den Präsidenten ruhig und bestimmt. Er erklärte, die von Trump genannte Zahl sei falsch, da sie die Kosten für ein drittes Gebäude einschließe, dessen Renovierung bereits fünf Jahre zuvor abgeschlossen worden war.

Dieser öffentliche Faktencheck in Echtzeit war ein seltener Akt des Widerstands. Er offenbarte nicht nur Powells Entschlossenheit, sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern auch Trumps eigentliches Ziel. Als ein Reporter am Ende des Besuchs fragte, was Powell tun könne, um die Kritik zu beenden, gab Trump die entwaffnend ehrliche Antwort: „Nun, ich würde es lieben, wenn er die Zinsen senken würde“. Die Maske war gefallen. Es ging nie um die Baukosten. Es ging immer nur um die Zinsen.

Im Schraubstock der Politik: Powells Dilemma

Diese schonungslose Offenlegung des politischen Drucks stürzt Powell und die gesamte Federal Reserve in ein tiefes strategisches Dilemma. Jede seiner Entscheidungen wird nun durch eine politische Linse betrachtet. Senkt er die Zinsen, selbst wenn es ökonomisch vertretbar wäre, läuft er Gefahr, als schwach und nachgiebig zu erscheinen – als jemand, der vor dem Präsidenten kapituliert hat. Dies würde die hart erkämpfte Glaubwürdigkeit der Fed als unabhängige Institution massiv beschädigen. Hält er jedoch an seinem Kurs fest, um seine Unabhängigkeit zu demonstrieren, könnten die Angriffe weiter eskalieren und sein öffentliches Ansehen sowie das Vertrauen in die Zentralbank nachhaltig untergraben.

Die Polarisierung ist bereits spürbar. Während Powell in der Vergangenheit auch bei den Republikanern breiten Rückhalt genoss, bröckelt dieser zusehends. Immer mehr republikanische Senatoren schließen sich Trumps Forderungen an und rufen Powell zum Rücktritt auf. Die öffentliche Meinung über den Fed-Chef ist so politisiert wie nie zuvor. Für die Finanzmärkte ist diese Entwicklung ein Alarmsignal. Analysten warnen, dass der Verlust der politischen Unabhängigkeit der Fed das Vertrauen der Investoren erschüttern , zu höherer Inflation und letztlich zu höheren Zinsen und einer schwächeren Wirtschaft führen könnte – das genaue Gegenteil von dem, was Trump zu erreichen vorgibt.

Der Regelbruch als System: Ein Präsident testet die Grenzen

Trumps Vorgehen ist ein fundamentaler Bruch mit den ungeschriebenen Gesetzen der amerikanischen Politik. Frühere Präsidenten hatten zwar auch ihre Auseinandersetzungen mit der Fed, doch die öffentliche Anprangerung und persönliche Herabwürdigung ihres Vorsitzenden waren tabu. Die Achtung vor der Unabhängigkeit der Zentralbank war ein überparteilicher Konsens, der auf der Einsicht beruhte, dass eine von kurzfristigen politischen Zielen losgelöste Geldpolitik eine entscheidende Voraussetzung für wirtschaftliche Stabilität ist.

Trump hat diesen Konsens aufgekündigt. Er testet die Grenzen der Verfassung und schwankt permanent zwischen der Drohung, Powell zu feuern , und der Aussage, er habe dies nicht vor. Während er öffentlich über die Entlassung sinniert und seinen Beratern Entwürfe von Kündigungsschreiben zeigt , beteuert er an anderer Stelle, er habe „keine Absicht“, ihn zu feuern. Dieses ambivalente Verhalten hält den Druck permanent hoch und schafft ein Klima der Unsicherheit. Es ist der Ausdruck einer Präsidentschaft, die die Architektur der Gewaltenteilung und die Rolle unabhängiger Institutionen nicht als Stärke, sondern als Ärgernis begreift. Für Trump ist die Unabhängigkeit der Fed keine heilige Kuh, sondern ein Relikt, das seiner Macht im Wege steht. Der Kampf gegen Jerome Powell ist daher mehr als nur ein politisches Scharmützel – es ist ein Stresstest für die amerikanische Demokratie selbst. Es ist die Frage, ob die Institutionen stark genug sind, dem Willen eines Mannes zu widerstehen, der die Regeln nicht nur biegen, sondern neu schreiben will.

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